Intro: Der härteste 1Triathlon über die Ironman-Distanz: Nach spektakulärem 5-Meter-Startsprung von einer Fähre 3,8km Schwimmen im 11° kalten Fjordwasser, 180km Radfahren über die Fjells und ein Bergmarathon – etwa 5500 Höhenmeter sind zu bewältigen. An die 250 Triathleten dürfen jedes Jahr diese Herausforderung annehmen. Dabei geht es den Athleten nicht um Stockerlplätze. Das begehrte Objekt ist ein schwarzes Finisher-TShirt. Denn nur 160 Teilnehmer dürfen ins Ziel auf dem höchsten Berg Südnorwegens, dem Gaustatoppen, vorausgesetzt sie erreichen innerhalb einer gewissen Zeit die Kilometermarke 32,5. Alle anderen beenden den Marathon auf einer tiefer gelegenen Höhenquote und erhalten als Siegestrophäe ein weißes Shirt. „Was hatte ich mir da bloß eingebrockt …?“ Die Gedanken im Auto von Oslo nach Eidfjord im strömenden Regen schweiften immer wieder ab zum Norseman 2011. Der Norseman – die härteste IronmanDistanz der Welt? Die grandiosen Bilder, die unübertreffliche Stimmung … ja. Aber dann auch die riesengroße Enttäuschung, als ich als erste Triathletin bei Laufkilometer 32,5 nicht mehr auf den Berg der Berge, den Gaustatoppen gelassen wurde und somit zu einer White-Shirt-Finisherin degradiert wurde. Und das, obwohl ich locker innerhalb der Cut-off-Zeit war – aber die strengen Regeln besagen, dass nur 160 Teilnehmer durch den Zielbogen auf dem höchsten Berg Südnorwegens laufen dürfen. Die großen Anstrengungen waren also ganz umsonst, anfangs war ich gar nicht stolz auf das Finisher-shirt … erst nach und nach versöhnte ich mich damit, denn auch das White-shirt ist nicht geschenkt … . Warum hatte ich das alles bloß bei der Anmeldung verdrängt? Die immensen Anstrengungen und dann womöglich doch wieder „umsonst“?? Trainiert hatte ich zwar gut – kam mir vor, zumindest im Wasser und auf dem Rennrad, das Laufen, naja, leider etwas vernachlässigt. Sollte sich das rächen? Jetzt unterwegs nach Eidfjord stürzten 3tausende Gedanken auf mich ein … aber jetzt konnte ich auch nichts mehr machen … da musste ich jetzt einfach durch und mein Bestes geben … Ich hatte es ja so gewollt und jetzt gab es kein Zurück mehr … Das kleine Örtchen Eidfjord erwacht einige Tage im Jahr aus seinem Dornröschenschlaf … Rund 250 Triathleten und
Triathletinnen bieten ein buntes Bild, in diesem Jahr – 10-jähriges Jubiläum des Norseman- sogar die doppelte Zahl, auf zwei Tage verteilt. Am Morgen vor dem großen Tag wollte ich noch mal meine Schulter testen, das AC-Gelenk hatte ich mir am Tag vorher noch gezerrt, und eine kleine Runde ohne Neo schwimmen … Mir blieb die Luft weg und die zurückgelegte Strecke konnte ich in Zentimetern angeben … Den Schmerz in der Schulter konnte ich vor lauter Kälte zumindest nicht mehr ausmachen. Aber: Das konnte ja heiter werden … Die beim Briefing angesagten 13° 4stimmten nie und nimmer … Mehr als 11-12° Grad waren das keinesfalls. Wie überlebt man sowas aber für etwa eineinhalb Stunden? Das war mir schleierhaft. Der Rest des Tages verging mit Packen. Wechseltaschen herrichten mit x-Alternativen, damit ich für alle Wetterverhältnisse gerüstet sein würde. Hermann gab sein Bestes mich etwas zu beruhigen … Mehrmals sprachen wir unsere Vorgehensweise durch. Der Norseman ist deshalb
auch unvergleichbar, da jeder Teilnehmer einen Supporter mit haben muss, der seinen Sportler den gesamten Tag begleitet und ihn versorgt. Die letzten 6 Kilometer auf den Berg hinauf muss man sogar ständig zu zweit sein. Um dieses große Erlebnis hatte ich meinen Supporter Hermann das Jahr zuvor ja gebracht … Der große Tag Aufstehen um 2 Uhr. Frühstücken. Es ist noch stockdunkel, als wir am Pier eintreffen. Die Fjordfähre „Sogn“ hat schon angelegt. Die Fackeln zur Beleuchtung des Wechselplatzes auf der Kaimauer taucht alles in ein mystisches Licht … Den Wechselplatz rasch 2einrichten, mich in den Neo zwängen, Hermann einen letzten Kuss geben … und schon muss ich auf die Fähre. Etwa 4 Kilometer vor Eidfjord stoppt die Fahrt, die Laderampe wird hinunter gelassen. Der Countdown läuft. Es ist ein lustiges Bild diese ganzen schwarzgewandeten Figuren mit der gelben Bademütze da so versammelt vor dem Abgrund zusammengepfercht zu sehen. Wie Pinguine auf einer Eisscholle. Apropos Eis … Hilfe!! Jetzt ist es gleich soweit, ich muss mich von Bord stürzen … denn der Chicken-Ausstieg kommt natürlich nicht in Frage. Ich dränge mich unter die ersten, denn 2011 hatte ich es nicht geschafft, zeitig zum Start an die immaginäre Startlinie zu kommen. Aber ich hatte mich wie viele andere verkalkuliert … die Startlinie war diesmal knapp neben der Fähre … das bedeutete 10 Minuten im eisigen Wasser warten. Ich hielt mich an einem Kanu fest und streckte die Hände in die Höhe – die Luft war doch etwas wärmer als das Wasser. Dann endlich: der Countdown läuft … und das Schiffshorn signalisiert den Start. Gänsehautfeeling nicht nur wegen der Wassertemperatur … In der Ferne sieht man schon die Lichter von Eidfjord. Ich versuche mich möglichst nah am Ufer zu halten, so hatte man es uns beim Briefing empfohlen, wegen der Strömungen. Endlich bekomme ich zumindest ein wenig warm, wenn auch nicht an Händen und Füßen. Vor Kälte schaffe ich auch keinen Dreierzug, das sollte sich als sehr unangenehm herausstellen, denn in kürzester Zeit erschien mir meine linke Gesichtshälfte, die nie aus dem Wasser durfte wie eingefroren, ich konnte den Mundwinkel nicht mehr bewegen … krass … Durch die immer gleiche Ausgleichbewegung des linken Fußes krampfte der Muskel mal ansatzweise … Hilfe, was wenn …?? Ich will nicht schon beim Schwimmen aufgeben müssen!!! Und das beleuchtete Boot vor Eidfjord und das Leuchtfeuer am Ufer, die die Wendemarke markieren, kommen auch nicht näher. Zudem wird es immer kälter. Ist das möglich? Da schießt mir der Gedanke ein: logisch, in Eidfjord mündet ja der Fluss Rio in den Fjord, der vom den Hardangergletscher kommt. Mir kommt auch so vor, dass ich weniger Vortrieb habe. Warum bloß? Unter Wasser gelingt mir ein kurzer Blick auf meine Hände. Aha … die Finger stehen so komisch sternförmig auseinander. Alla „give me five“ – ist aber nicht unbedingt zum Schwimmen geeignet, es sei denn man hätte Schwimmhäute dazwischen … haha. Endlich nach gefühlter Unendlichkeit kommt der Pier in Sicht, darauf zahllose applaudierende Zuschauer und schon der schwarze Skinfit-Torbogen … Helfer ziehen mich nach 1:22h aus dem Wasser, ich torkle herum auf den ersten Metern. Wo ist bloß mein Supporter? Ich torkle weiter zu meinem Wechselplatz, auch da kein Hermann … Ich stehe nur da, kann keinen Handgriff machen, so eingefroren bin ich. Nicht mal das Bändchen meines Neos bekomme ich mit meinen Eisfingern zu fassen. Ich bitte den Supporter meines Radnachbarn mir zu helfen, da kommt Hermann im Laufschritt an. Er habe mich nicht aus dem Wasser kommen sehen … Das fängt ja schon gut an …! Ich lasse mich abtrocknen und mehr oder weniger aus- und anziehen … wie eine Barbie-Puppe komme ich mir vor. Die einzige Bewegung, die ich von alleine kann ist das Zähneklappern, das sich nicht abstellen lässt. Ich kann nicht mal was Verständliches von mir geben, wie zum Beispiel: Bbbbiiiiittte ddddddddden heieieieieießen Aaaapfelssssssafffffft!!!!! Aber endlich, nach langer Wechselzeit – rauf aufs Rad! Der Lenker lässt sich von meinem unkontrollierten Zittern nicht ruhig halten … 5krass!! Auf den ersten Kilometern geht es aufwärts und ich bekomme zum Glück schnell wärmer. Die Strecke führt wie im vergangenden Jahr auf der alten VoringfossenStraße, die zum Radweg umfunktioniert wurde und sich steil und sensationell durch Schluchten und über Berghänge hinauf schlängelt. Nebel ziehen durch die Schlucht und machen die Atmosphäre fast unheimlich. Etwa einen Kilometer muss auf einen Straßentunnel ausgewichen werden, weil der Radweg durch einen Felssturz verlegt wurde. Die Abgase der vielen Supporterautos sind nicht grade förderlich. Aber auch der Tunnel hat ein Ende und wir schrauben uns weiter nach oben, bis es, nachdem ich einen sekundenlangen Blick auf das atemberaubende Schauspiel des VoringfossenWasserfalls werfen konnte, in gnädigerer Steigung weiter geht. Auch meinen Supporter treffe ich wieder und er nimmt mir Radbeleuchtung und Warnweste ab. Ab Dyranut geht es jetzt 60 km viel eben und leicht bergab. Ich genieße die Sicht auf das Fjell. Die Gegend gleicht etwas unserer Hochgebirgslandschaft mit ihren Flechten, Moosen und Zwergsträuchern. Zwischendurch Schneeflecken und so richtig warm 6wird mir nicht. Ich freue mich auf Halbweg, auf Geilo. Ab hier sind 4 „Berge“ zu überwältigen. Und wo es bergauf geht … ja, hui, da geht es auf der anderen Seite auch wieder runter… Und dieses Jahr kommen mir diese Hügel auch nicht sehr anstrengend vor … die Trainingskilometer in den Südtiroler Bergen haben sich wohl doch bezahlt gemacht. Alle paar Kilometer steht Hermann an der Strecke und reicht mir was oder macht Fotos. Irgendwann ist dann auch Immingfjell erklommen, ein weiteres wunderschön wildes seenüberstreutes Hochland. Mein Supporter verlässt mich nun und fährt vor, um den Wechselplatz einzurichten. Und *freu* – jetzt geht es 30km nur noch bergab!!! Zu früh gefreut, die Straße ist in einem solchen Zustand, dass die vielen Bodenwellen, teilweise ähnlich einem Wellblech, und die Löcher, … äu- ßerste Konzentration verlangen und das nach 7 Stunden auf dem Rad … . Nebenbei genüsslich ein Brot verspeisen ist nicht drin … es wird mir aus der Hand geschlagen … ich tröste mich: mit vollem Bauch ist eh nicht gut laufen … Nach siebeneinhalb Stunden ist es endlich soweit: Ich habe erstmals wieder festen Boden unter den Füßen. Ich werde wieder aus- und angekleidet … Turnschuhlitzen zugezogen und weg!! Beim Rauslaufen aus der Wechselzone wird mir gesagt, dass ich auf Platz 152 bin … Tausend Gedanken fliegen mir in dieser Sekunde durch den Kopf – von „super-unter 160“ bis „wie soll ich denn den Platz halten?“ Der Marshall deutet mir „Startnummer nach vorne!“ „Hä? Welche Startnummer? Hilfe! Wo ist meine Startnummer? Die werde ich doch nicht …? Doch!! Schnell zurück zum Wechselplatz … Da finde ich sie auch nicht gleich … dann – oh, welche Erleichterung … zwei Meter weiter liegt der Gurt mit der Nummer … im Eifer des Umziehens ist sie wohl dahin geraten. Inzwischen sind zwei Konkurrenten an mir vorbei auf die Laufstrecke gegangen. Ich laufe los und nachdem ich kurz mal hinter den Büschen war, finde ich mich urplötzlich auf Platz 156 wieder. Die Motivation ist dementsprechend … Und nachdem ich bei der ersten kleinen Steigung nach 3km einen Wahnsinnskrampf im linken Oberschenkel bekomme, schwinden meine Aussichten auf das schwarze Shirt immer mehr. Ich muss stehen bleiben und dehnen, der Krampf lässt nicht nach, aber dafür überholen mich weitere zwei Läufer. Ach Manno!!! Jetzt bin ich so weit gekommen und jetzt soll Schluss sein? Vorsichtig laufe ich weiter und es geht …!!! Ich traue mich gar nicht, mich umzudrehen, um zu gucken, wo denn der nächste Läufer ist … denn eine unbedachte Bewegung und der Krampf kommt vielleicht wieder … Ich klage mein Leid Hermann und bekomme zwei Salztabletten und viel zu trinken. Das hilft. Alle zwei Kilometer wartet er auf mich und informiert mich auch über die Leute um mich herum. Ich kann es jetzt etwas genießen: die Region Telemark hat schon was für sich … es geht etwa 15km am Ufer des Tinnsjö-Sees entlang, alle Kilometer gibt mir meine Garmin 910XT die neuesten Informationen und lenkt mich so etwas ab. Ich laufe mein Tempo und -oh Wunder- nach und nach kann ich mich vorarbeiten, überhole Mann für Mann (auch ein paar Frauen sind dabei). 156, 155, 154, 153, 152, … 148, 147, … Bei Kilometer 18 dann der große Augenblick: der Berg der Berge steht plötzlich hinter einer Kurve vor mir: der Gaustatoppen!!! Ich bin überwältigt … ich denke nicht dran, dass ich da rauf 7MUSS … nein, ich hoffe, dass ich da rauf DARF!! Und es sieht nicht schlecht aus. Seit der Abzweigung nach Rjukan steigt die Straße stetig an, aber mein Oberschenkelmuskel gibt zum Glück Ruhe … In Rjukan komme ich vorbei an einem ehemaligen Wasserkraftwerk aus dem Zweiten Weltkrieg. Unter anderem wurden hier durch die Nazis „schweres Wasser“ hergestellt, für die Herstellung der Atombombe … und dann bin ich da – bei Kilometer 25 – am Zombie Hill… 7 Kilometer in einer Steigung von 12-14%, an Laufen ist nun nicht mehr zu denken … aber auf diese Gehpassage hatte ich mich schon lange gefreut. Schneller als gedacht bin ich bei der Abzweigung der Tränen vom letzten Jahr … Hier entscheidet sich, wer auf den Gausta rauf darf – nämlich die ersten 160 Läufer. Die anderen werden hier umgelenkt und laufen in leicht hügeligem Gelände die letzten 10km zu Ende. Und welch ein Jubel – ich bin auf Platz 142 und darf weiter!!! Gaustatoppen – ich komme!!! Das Zeitfenster ist auch noch weit offen und ich kann mir auf den kommenden 5km bis Stavsrö schön Zeit lassen. Da es ständig aufwärts geht, laufe ich auch hier nicht mehr. Hermann ist schon vorgefahren und kommt mir mit den Rucksäcken entgegen. Und ab Stavsrö geht es nun endgültig in die Wildnis. Eine Pflichtausrüstung ist notwendig, um gegen alle Widrigkeiten gerüstet zu sein, denn es wird sehr alpin. Markierungen zeigen an, wo es lang geht, der Weg ist aber oft nicht zu erkennen, es geht meist über Geröll. Konzentration ist angesagt, um nicht umzuknicken. Der Gipfel erhebt sich über mir. Er schaut so nah aus und der Anstieg zieht sich und zieht sich in die Länge … nur noch 6 Kilometer und etwa 800 Höhenmeter, das wäre zuhause eine ganz kurze Bergtour und hier nach dem Rad Split dem Lauf und vor allem nach dem Zombie Hill? Meine Beine wollen nicht wirklich mehr … gegessen und getrunken habe ich auch schon lange nicht mehr … und ich kriege auch nichts hinunter. Red Bull verleiht Flügel??? Ich mache einen Schluck – pfui Teufel, wie kann 8man so was trinken? Das schmeckt ja wie Hustensaft … Mir kommt vor, dass ich immer langsamer werde. Auf einmal höre ich überraschte Rufe und drehe mich um: Welches Naturschauspiel
bietet sich da – ein greller riesiger Regenbogen spannt sich von den Seen über die Berge. Wahnsinn!!! So schön!! Ich höre schon den Sprecher, der den Zieleinlauf kommentiert. Und dann trennen mich nur noch wenige Meter vom Ziel der Träume … Ein winziger Zielbereich auf dem Gausta und eine Rundumsicht, für die sich die Strapazen gelohnt haben … Ich bin so froh, dass ich es geschafft habe!! In eine Decke eingewickelt kann ich mir meine Suppe schmecken lassen und die Sicht genießen. Alle hier oben sind happy … Hermann muss nun zu Fuß hinunter, ich darf mit den Gaustabanen hinunter, einer in den 50er Jahren von der Nato gebauten Bahn, die 40° steil mitten durch den Berg führt. Im Hotel gönne ich mir die Sauna und dann das leckere Buffet … Wir haben es uns verdient!! Am nächsten Tag darf ich mir voller Stolz mein schwarzes T-Shirt überziehen. Ich stolziere den 9ganzen Vormittag damit in kurzen Ärmeln herum, obwohl die Temperaturen eine Jacke empfehlenswert machen … haha – man muss ja zeigen, was man hat … und hier oben wird es mit bewundernden Blicken gewürdigt, zuhause und im Rest der Welt wissen ja nur die Insider, was das „kleine Schwarze“ bedeutet … Komischerweise bin ich kein anderer Mensch geworden, gewachsen bin ich auch kein bisschen, zumindest nicht äußerlich … aber das Gefühl, das geschafft zu haben ist schon überwältigend. Ein riesiger Dank geht an meinen Supporter, der meine Verrücktheiten über sich ergehen lässt und überall mitmacht. Ohne deine Hilfe wäre das nicht möglich gewesen und dieses Jahr hat (fast) alles super geklappt!! Jetzt bist du mal dran etwas Außergewöhnliches zu machen … DANKE!!!!!!