Qualibrevet für MGM abgehakt 598km/6600Hm GPX download strava
Wieder stehen wir in München am Röcklplatz am Start. Vor uns 600km hauptsächlich auf Nebenstrassen und Wirtschaftwegen. Einige bekannte Gesichter vom Pfaffenwinkel 300er.
Die Strecke: Von München aus geht es zunächst Richtung Starnberger See nach Penzberg und Füssen. Es geht in die Berge, … fast .. über die Dreiangel Hütte gelangt man nach Sonthofen und dann radelt man über Rohrmoos und Sibratsgfäll nach Hittisau. Oberstaufen, Eglofs, Wangen werden passiert und Ravensburg erreicht. Dann ist man schon am Wendepunkt in Pfullendorf und über Bad Saulgau, Biberach, Mindelheim geht es zurück zum Ausgangspunkt. Das Höhenprofil scheint mir auf den ersten Blick nicht so schwer, der längste Anstieg ist nicht mal 400 Höhenmeter. Fehleinschätzung Nummer 1 … Ab Pfullendorf soll es eigentlich mehr oder weniger flach und mit Rückenwind zurück gehen … Fehleinschätzung Nr.2 …
Die Wettervorhersage: nicht ganz gut, aber auch nicht ganz schlecht. Hmmhmmm …, eingepackt habe ich also Regenzeug für alle Notfälle. Die Revelate-Packtasche an meiner Sattelstütze kragt gefährlich weit aus. Hermann stänkert schon wieder, ob ich da wieder mal den gesamten Hausrat mitgenommen habe. Aber was hätte ich zurücklassen sollen? Wenig Wechselkleidung, eine Windjacke, eine Regenjacke, Flickzeug, Erste-Hilfe-Set, … oder den Proviant?
Meine Beine fühlen sich auch nach dem Einradeln immer noch schwer an. Ich hatte es doch nach dem XTERRA ganz gemütlich angehen lassen, sprich, eine Woche garnichts … Eigentlich sollte ich da doch ausgeruht sein … Aber der leichte Muskelschmerz geht erst weg, als die ersten steilen Anstiege diesen übertünchen. Haha – Schmerz überlagert Schmerz … Aber wie wird sich das ganze weiter entwickeln?
Auf einer Abfahrt trifft es diesmal Hermanns schlauchlose Reifen … Ein kleiner Schnitt und eine Dichtmilchdusche ist gewiss.
Die erste Kontrollstelle erwarte ich sehnlichst. Ein Kaffee und eine Butterbrezel sind genau das Richtige die Energiereserven aufzufüllen. Und Wasser. Es ist sehr warm und die Trinkreserven schwinden schnell. Hermann pumpt seinen Reifen inzwischen auf und ärgert sich über das Ventil, das sich immer wieder mit rausschraubt. Mann o Mann, brauchen wir schon wieder Zeit … Ulrich treffen wir immer wieder an den Kontrollstellen. Er stempelt und schon ist er wieder weg.
Nun wird es auch etwas hügeliger, die ersten steileren Anstiege folgen. Wir treffen Melanie aus Bremen, der sich die Kette verklemmt hat. Sie stöhnt. Sie kenne solche Anstiege von Daheim nicht und sie zweifelt, ob sie die 600 km schaffen wird. Auch mich plagen jetzt auf den ersten Kilometern Zweifel. Was, wenn ich mein erstes DNF habe? Allerdings dränge ich diesen Gedanken weit weg. Zudem viel zu kompliziert … Wie soll ich denn zuück kommen? Das hieße erst mal Fahrpläne zu wälzen, warten, umsteigen, Rad immer mitschleppen. Nein, mit eigener Kraft erschien mir schon einfacher. Aufgeben ist im Moment keine Option, auch wenn es hart ist und das sicher noch sehr sehr lange.
Vorbei an der Wieskirche, an Schloss Neuschwanstein, Hohenschwangau. Der erste längere Anstieg, zur Dreiangel-Hütte, naht. Vermutlich sind wir unter den letzten, denn auf der Hütte gibt es fast nichts mehr Warmes zu essen. Hermann und ich teilen uns einen sagenhaft guten Teller Nudeln, liebevoll mit Wildkräutern garniert und eine super leckere Speck-Creme-Suppe. Dann folgt eine Abfahrt nach Sonthofen. Wie gerne hätten wir unsere Freunde Christa und Hans-Dieter besucht, aber die Zeit drängt. Zudem müssen wir uns ein paar Minuten vor einem heftigen Wolkenbruch in Sicherheit bringen. Beim Weiterfahren ein paar Hundert Meter weiter trockene Straße. Zum Glück war das das einzige Wasser von oben an diesen beiden Tagen. Der zweite Aufstieg steht an. Nach Rohrmoos. In Oberstaufen dann die nächste Kontrolle. Im Vier-Sterne-Hotel haben wir vor uns in der Bar etwas zu stärken. Hinein. Dutzende Augenpaare wenden sich uns zu. Fragende Blicke. Rückwärts entfernen wir uns wieder. Haben die noch nie einen Radfahrer gesehen? Naja, ganz passten wir wohl wirklich nicht in diese noble Umgebung, veschwitzt und verstrubbelt wie wir waren. Von Oberstaufen radeln wir langsam in die Dämmerung hinein. In Ravensburg gibt es an der Kontrollstelle Big Mäc … In der Not frisst der Teufel Fliegen, denke ich bei mir, was soll’s … Geisterstunde ist schon vorbei. Ich habe irgendwie keine Lust aufs Weiterradeln. Aber wo schlafen? Sollen wir dem Trend folgen in einem Bankvorraum uns einige Stündchen auszuruhen. Finde ich eine komische Vorstellung. Aber warum nicht? Wir finden beim Bahnhof eine Postbank. Die ist laut Anschlag im Moment nicht in Betrieb wegen Vandalismus. Die Tür geht aber auf und wir machen es uns drinnen bequem. Ich bin froh über meine pralle Tasche: Alle Kleidungsstücke dienen mir entweder als Unterlage oder um mich warm zu halten und die Augen vor dem grellen Neonlicht zu schützen. Nicht lange darauf geht die Schiebetür wieder auf. Ich glaube einen Radfreilauf zu hören und das Klacken von Radschuhen auf Marmorboden. Täuschung. Dann laute Musik. Arabisch. Aus einem Handy. Ein Jugendlicher versucht den Geldautomat wohl einige Scheinchen zu entlocken. Ob es funktioniert, keine Ahnung. Ich bin zu faul, das Tuch von den Augen zu nehmen. Die verzerrten Klänge, die aus dem Handy tönen stören mich schon sehr. Was fällt dem Typen denn ein? Wieso schaltet er nicht auf lautlos? Gabi, nur nicht ärgern! Sonst verschwindet die Müdigkeit. Als es wieder ruhig ist, versuche ich einzuschlafen. Mein Herz klopft fest. Je mehr ich daran denke, unbedingt schlafen zu müssen, desto munterer werde ich. Irgendwann sehe ich, dass schon eineinhalb Stunden rum sind. Vielleicht habe ich doch ein paar Minuten gedöst. Wir packen und sind bald wieder auf der Strecke. Vollmond. Sehr schön. Es geht schon auf vier Uhr zu. Und im Osten zeigt sich schon ganz zart ein heller Streifen am Horizont. Es geht rauf und runter, immerzu. In Pullendorf der nächste Halt. Ein reizendes Städchen mit Fachwerkhäusern. Und jetzt sollten wir ja nur noch komot zurückrollen dürfen. Meine Garmin zeigt etwas über 3000 Hm. Nanu? Haben die sich geirrt mit den Höhenangaben? In den nächsten Stunden wird die Ahnung zur Gewissheit. Ein typischer Fall von Denkste: Es geht ständig hoch und runter. Zwar müssen nicht viele Höhenmeter überwunden werden jeweils, aber diese Meter müssen bitter erarbeitet werden. Steigungen bis zu 18% tun ganz schön weh in den Beinen. Absteigen und schieben? Wozu habe ich heute eigentlich das erst Mal meine MTB-Schuhe mit den passenden neu erstandenen Klickpedalen an? Aber schieben, das lässt der Stolz nicht zu. An uns saust mit Affenzahn immer wieder Armin in seinem Velomobil vorbei. Die Abfahrten rasant und mit Schwung in die Gegenanstiege. Aber die steilen Rampen? Der Arme mit seinem schweren Ding. Manchmal steht das orange Velomobil reglos im Steilen. Kurze Pause für den Fahrer. Handbremse gezogen und etwas Kraft geschöpft. Irgendwann scheint es flacher zu werden. Aber es scheint nur so, denn über die gesamte zweite Hälfte zieht sich das Sägezahnprinzip weiter. Angenehm nur der Gedanke, dass jedem Anstieg eine Abfahrt folgen muss. Ulrich fährt wieder mal an uns vorbei. Vor der nächsten Rampe gönnen wir uns eine kleine Pause auf einer Bank. Auf dem höchsten Punkt hat sich Ulrich inzwischen aus seiner Nachtunterlage einen kuscheligen Picknickplatz gebaut. Beneidenswert. Wir müssen weiter, wenn wir vor Dunkelwerden ankommen wollen. Andy schließt sich uns an. Quatschen ist kurzweilig. Vor der nächsten Kontrollstelle noch ein kleiner Anstieg. Andy rauscht davon und zeigt uns was er nach über 400 km noch drauf hat. Alle Achtung! Solche Spielchen sind mir schon lange vergangen heute. Dann endlich die letzte Etappe. Wunderschön. Vorbei an Ammersee und Wörthsee. Die Badegäste zeigen mir, wie schön ein solcher Samstag-Nachmittag sein könnte. Hmmhmm, sollte man die Freizeitplanung nicht mal überdenken? Nun wieder mal eine Baustelle bei Starnberg. Mir scheint heute, dass ganz Allgäu im Moment umgebuddelt wird. Ich habe irgendwie gar keine Lust mehr. Rechne und vergleiche unentwegt. Jetzt ist es nur noch so lange wie von Brixen nach Bozen und nochmal nach Waidbruck. Dann nur noch … So geht es stundenlang. Wenn Hermann was zu mir sagt, antworte ich unwillig. Und hatte ich nicht vor nicht langer Zeit genörgelt, dass er nie was sagt?
Naherholungszone und Vorort von München und wir sind endlich da … Erleichterung, denn das zu schaffen brauchte es schon einen etwas sturen Kopf. Denn leicht ging es diesmal keineswegs …
Ich finde es immer wieder beeindruckend, was für Dinger du abziehst 🙂 Riesen Respekt
Danke! 🙂 🙂
Hallo Gabi, danke für deinen schönen Bericht und die Bilder. Deine Gedanken auf der Strecke hatte ich auch unterwegs, die kurzen Steilen Anstiege waren schon manchmal bitter. Das kurze Anhalten für 10-20sec. ist sehr effektiv für eine kurze Erholung, danach kann ich wieder gut den Berg hoch kurbeln. Die rasanten Abfahrten entschädigen für die Strapazen.
Im Ziel fühlte ich mich schon bald wieder Fit und hätte weiterfahren können, musste ich ja auch, 18 KM bis nach Haus.
Gruß Armin
Danke Armin! Bis zur nächsten Rando!
Ein schoener Bericht, Gabi. Ich kann dir nur zustimmen, dass Sägezahnprinzip auf der zweiten Teilstrecke habe auch ich gründlich unterschätzt (Mir ging dann an jeder kleinen Rampe der Satz von Joerg durch den Kopf, dass die Strecke doch „entschaerft“ wurde und nach Oberstaufen ja alles nur noch flach daherkommt).
Es war auch schön mit dir, in den Morgenstunden fuer ein paar Kilometer zu plaudern. Mal schauen, ob man sich irgendwo noch einmal bei einem Brevet oder Fleche wiedersieht. Und toi, toi, toi fuer deine Radpläne.
Hallo Holger, du warst doch der einsame Rennradler, der uns nach Pfullendorf überholt hat und sich dann verfahren ist und dann wieder von Hinten ankam? Die Zeit vergeht schneller, wenn man jemanden zum Quatschen hat …
Am kommenden Wochenende habe ich mich ganz spontan zu einem weiteren 600er angemeldet: V.R.V. = Verona Reschenpass Verona … mal sehen …
auch dir alles Gute für alle deine Vorhaben!!
ach ja, alles gute für die Superrandonneé! da wir da auch schon am start der alpi4000 stehen, können wir in bx leider keinen teller nudeln anbieten …
Dieses Lager auf der Fußmatte ist ja wohl unschlagbar 🙂 Hauptsache ein bißchen Komfort, egal was und wer da sonst so drüber läuft?
Und der nächste 600er gleich hinterher. Einfach nur krass, die Gabi… immer gute Fahrt wünsche ich Dir!
ja, die Fußmatte kam mir besser vor als der nackte Steinboden (wir sind für solche Eventualitäten noch nicht ausgerüstet … zudem wollte ich nicht zu viel Zeug mitschleppen … und der Biwaksack von Anno Dazumal ist einfach ein zu riesiges Päckchen … und die Unterlage- Regenhose und -jacke uns so weiter kam dann sofort in die Waschmaschine …