Frau + Karbon = Randonneur(in) - aber nicht nur ...

Autor: Gabi Winck (Seite 8 von 17)

80% ist mental - der Rest ist Kopfsache

Radfahren vom Feinsten: 6+6 Isole

Fast 60 Stunden im Sattel. 1200 Kilometer mit 14.000 Bergaufmetern.
Langsam komme ich von Wolke 7 herunter. Der Alltag hat mich wieder. Die Erinnerungen sind verschwommen und ich weiß eigentlich gar nicht, was ich schreiben soll …

Deshalb zuerst mein Video (9:30min)

 

Nur soviel …

Die Strecke: Etwa die Hälfte (617km) führt durch Sardinien, die andere ist eine große Runde (591km) auf Sizilien, je mit sehr wenig Schlaf. Dazwischen Fährenüberfahrt und hier wird ordentlich Schlaf nachgeholt bzw. „vorgeschlafen“ …

Landschaft: Ein Traum. Küsten mit azurblauem Meer, karge Täler, üppiges Grün, Blütenpracht, felsige Gipfel. Bunte Kleinstädte, mittelalterliche Dörfchen auf Hügeln. Vergessen möchte ich die Großstädte mit für mich horrendem Verkehr.

Menschen: Nette Helfer, denen oft das Erstaunen ins Gesicht geschrieben ist, wie man so weit fahren kann und das auch noch freiwillig.
Wiedersehen mit Radfreunden. Unterwegs quatschen. Ich höre immer wieder „Ciao, Gabi!“ Die Männer sind im Vorteil, es gibt wenige Frauen. Unsere Namen kann man sich leicht merken. Mein Gedächtnis ist löchrig, zumindest nach einigen Hundert Kilometern … Ich muss immer wieder nach den Namen fragen. Das wird langsam peinlich. Aber mit Helm und Brille und dann wieder ohne … verflixt … die Gesichter kenne ich, aber wie war gleich nochmal der Name? Vielmals um Entschuldigung, wenn ich nächstes Mal schon wieder frage …
Egal, wichtig ist, man hat Spaß miteinander. Man hilft sich gegenseitig. Das ist auch der Unterschied zum Radrennen, bei dem die Konkurrenten sich ausspielen. Hier unterstützt man sich gegenseitig. Hat jemand eine Krise, dann wird er/sie moralisch aufgebaut. Eine Panne? Man hilft sich mit Werkzeug und Fachwissen.

LA SARDEGNA:
Start um Mitternacht von Cagliari, genauer vom Stadtteil Quartu Sant Elena. Es geht die 0ersten 10 km mit Motorradbegleitung nach Norden. Dunkelheit. Es geht durch das Vallico Arcu e Tidu. Ich kann mir nichts vorstellen, habe das Gefühl ich fahre durch Wald hinauf. Dann geht kurvig rasant abwärts. Es ist noch dunkel, als wir die erste Kontrollstelle erreichen: Torre di Bari nach 124km. Hier überraschen uns die lokalen Köstlichkeiten zum Frühstück: Ricotta (ein süßer Quark) und verschiedene Honigsorten. Lecker. Wir fahren nun in den dämmernden Tag hinein. Es geht wieder aufwärts bis auf den Passo di Genna Silana. Immer wieder muss ich stehen bleiben und fotografieren … Landschaftlich geht es wunderschön durch Macchie und Felslandschaften. Dann sind wir in Dorgali. Von hier startet nun eine große Runde über Nuoro wieder zurück. Wenn alles gut geht, sollten wir um Mitternacht wieder hier sein. Es gibt Schlafstellen im Zelt, aber ein Zimmer ist schon gebucht, damit mein Schlaf gerettet ist.
Die Strecke führt duch landwirtschaftlich genutzte Gegenden. Aber nicht direkt nach Nuoro, nein die Strecke macht einen Schwenker nach Südwesten. Wir müssen hoch nach Orgosolo. Der Ort liegt im Zentrum des zerklüfteten Supramonte-Gebirges im Herzen 0ader Barbagia.  Wir bewundern die Murales, die Wandmalereien an den Häuserwänden. Die Werke spiegeln nationale, sozialkritische und historische Inhalte wider. Hier erwartet uns, die brav dem GPX-Track nachfahren, eine Überraschung: Im Dorf zweigt eine Gasse ab, der wir folgen sollen: Ich schaffe es nach kurzer Zeit nicht mehr mich im Sattel zu halten und lege eine Zu-Fuß-Passage ein. Ein argwöhnischer Blick auf meinen Tacho: 25% Steigung!!
Bis Nuoro geht es nun auf und ab. Einsam. Und kein Verkehr. Super. Die Kontrollstelle bei Kilometer 274 überrascht mit einem Spezilalitäten-Tisch, leckeren Pecorino & Co.  Mmmmhmmm!
Noch 140 km und dann Schlafen. Aber 140 km sind ganz schön lang. Anfangs ist die Gegend ein Traum. Große runde Steine eingebettet in Steineichenwälder. Überall ist es grün und blüht es. Schafe. Dann eine lange Abwärtspassage durch ein Tal. Dann steigt die Strecke wieder. Es ist sommerlich warm. Die Kilometer vor uns drücken auf mein Gemüt. So weit noch. Hunger. Durst. Das Dorf Bitti. Eine Bar ist unsere Rettung. Cola und 1Eis. So gestärkt gehen wir die nächsten 100 km an. Wir fahren in einer Gruppe, auch Aynur und Hajo sind mit dabei. Jemand erzählt mir vom Dorf Orgosolo, das wir Stunden zuvor passiert haben: Früher war das Dorf sehr arm. Es wird erzählt, dass  dort fremde Passanten ausgeraubt wurden. Na, gute Nacht, da haben wir ja noch mal Glück gehabt. Auch wenn ich in meinem Zu-Fuß-Anstieg bei +25% ein gutes Opfer abgegeben hätte. Aber wahrscheinlich war mein finster blickendes Gesicht (siehe Film) ein guter Abwehrmechanismus. Fakt ist, Wikipedia erzählt, dass in meinem fernen Geburtsjahr 1962 ein englisches Ehepaar dort ermordet wurde. Nun aber zu positiveren Gedanken. Heller Tag. Sonne. Einsamer Anstieg, ohne Autos, wunderbare Bergwelt. Dann Abfahrt und noch 60km flach. Wir lassen die Gruppe fahren. Es ist uns zu hektisch. Gemütlicher gondeln wir gegen Dorgali. Die letzten 10 Kilometer geht es nochmal hoch. Muss das sein? Im Dunkeln ziehen sich die Aufwärtsmeter zudem. Eine Qual. Aber das Bett wartet. Im Hotel dann die Nachricht, unser Zimmer ist ein Vierbettzimmer. Es gibt keine Diskussion. Und es kommt, wie es kommen muss. Ich bin gerade eingeschlafen, da kommt der dritte Mann. Er bewegt sich zwar vorbildlich leise, das höre ich sogar durch meine Ohrenstöpsel, aber mit meinem Schlaf ist es vorbei.
Schnelles Frühstück mit allerhand Köstlichkeiten und auf geht es. Die nächste Nacht lockt. Die Fährenüberfahrt mit ausreichend Schlaf – hoffentlich. Aber es gilt noch pünktlich um 16.00 in Cagliari anzukommen. Nicht auszudenken, die Fähre zu versäumen.
Ab Dorgali geht es dieselbe Strecke zurück und ich staune. Ganz anders als in meiner Vorstellung in der Finsternis der ersten Nacht. Zunächst müssen wir wieder auf den Passo di Genna Silana. Da wir einige Höhenmeter ja schon vor der Mini-Schlafpause erledigt haben, sind es nur noch an die 600 m. Hermann ist noch mit seiner Packtasche15 beschäftigt und so fahre ich schon mal voraus. Stockfinster. Die Steigung angenehm. Hätte mir nicht gedacht, dass es so leicht geht. Weiter oben beginnt Wind zu blasen. Und zwar ganz schön stark. Die Straße schlängelt sich nach oben. Je nach Fahrt-Richtung muss ich schauen, dass ich auf dem Bike bleibe. Die Hände krampfhaft am Lenker überlege ich nach dem ersten Fast-Abwurf schon, ob ich nicht zu Fuß gehen sollte. Dann bin ich oben. Hermann hat aufgeschlossen. Bei der Abfahrt fängt es an leicht zu regnen. Das hatte der Wetterbericht aber nicht vorausgesagt. Bis auf eine Regenjacke habe ich nichts mit. Es kommen zum Glück nur sporadisch ein paar Tropfen. In Torri di Bari gibt es wieder das leckere sardische Frühstück mit Obst, Käse, Ricotta, Artischockenaufstrich, Honig, Orangenmarmelade und nicht zu vergessen das „pane 3carasau“, ein hauchdünnes Fladenbrot. Ich bin begeistert von den Angeboten an den Kontrollstellen.
Hermann wird schon leicht nervös, als er meinen hoch beladenen Teller sieht. Wie lange wird denn diese Pause?
Weiter, die Zeit drängt. Noch 124 km und der lange Anstieg durch das Vallico Arcu e Tidu und zuvor noch irgendein Mugel, aber etwa 90 km Abfahrt und flach. Unser Weg ist gesäumt von Hunderten von Kaktussen. Hohe mit riesengroßen Ohren. Und großen spitzigen Stacheln. Ab und an liegt schon mal so ein abgebrochenes Ohr auf der Straße. Hoppala, wenn man da darüberführe, dann ist die Reifen-Panne wohl vorprogrammiert. Mein Rad schießt mit den grünen Riesen einen Pakt: Lasst ihr mich in Ruhe, dann lasse ich euch in Frieden. Sonst haue ich euch in Stücke oder sagen wir mal fahre ich euch ein Ohr ab. Ich bin ruhiger – ich fahre Tubeless.
Das Arcu e Tidu-Tal haut mich fast um. Die Straße schlängelt sich in angenehmer Steigung durch Felswände.
Dann die letzte Abfahrt und noch ein paar Kilometer flach, die mir reichlich auf die Nerven gehen.
Endlich da. Wir haben etwa eine Stunde Zeit, bevor wir zum Hafen aufbrechen müssen. Duschen verschiebe ich auf die Fähre und bepacke meinen Drahtesel mit dem Notwendigen für die nächsten 600 Kilometer.

SCHLAFPAUSE AUF DER TIRRENIA-FÄHRE ARIADNE:
Unsere Belegung der Viererkajüte sammelt sich um gemeinsam die 16 km zum Hafen zu fahren. Ich freue mich schon. Duschen, dann etwas chillen, dann Abendessen. Beim Briefing war erwähnt worden, dass wir auf dem Schiff vollständig einchecken müssen. Nein, stopp, unser dritter Mann fehlt. Irgend jemand weiß, dass dieser noch gemütlich 4duschen möchte und sich kurz aufs Ohr legen. Am Hafen dann die bittere Wahrheit: Die Klein-Gruppen dürfen wirklich nur vollständig an Bord. Ein großes Chaos bricht aus, denn die meisten wissen nicht mal, wer ihr Schlafpartner ist. Wir drei auf jeden Fall braten fast zwei Stunden in der Sonne und warten, warten, warten. Ich kann nur sehnsüchtig auf die Grüppchen blicken, die sich glücklich zum Check-In aufmachen können.
Irgendwann taucht dann unser Vierter gelassen auf, versteht unsere Aufregung nicht ganz. Nachdem wir unsere Drahtesel in den „Stall“ gebracht haben und angehalftert – die Räder werden mit Stricken an ein Geländer gebunden, dass es keinen „Umfall“ gibt bei gelegentlichem hohen Seegang.
Duschen. Frisch anziehen. Dann dränge ich meine Mitbewohner JETZT zum Abendessen zu gehen. Das geht recht relaxt vonstatten. Die Auswahl ist nicht übel. Dann Abmarsch ins Bett. Ich staune: vor dem Büfett eine fast kilometerlange Schlange. Mitradler erzählen am nächsten Tag, sie seien fast zwei Stunden angestanden. Puh! Glück gehabt! Um neun Uhr lagen wir alle vier nämlich schon in den Kojen. Ich glücklich mit neuen perfekt sitzenden Ohrenstöpseln versorgt – von unserem vierten Mann … das versöhnt mich und schenkt mir ganze neun Stunden Schlaf. Sizilien kann kommen.

LA SICILIA:
Nach dem Schiffs-Frühstück und kurzer Rad-Anfahrt zum Hotel geht es nahtlos auf die Strecke. Aus Palermo raus ist für mich Chaos pur. Autos links und rechts mit Beulen in der Karosserie (Radfahrer?), schlechte Straße, Hektik pur. Nach etwa 10 km wird es 5ruhiger und bald geht es ins Landesinnere. Die ersten beiden Etappen mit 100 km und beide an die 2000 Höhenmeter haben mir schon im Vorfeld Angst gemacht. Aber die Landschaften sind so vielfältig und wunderschön, dass die Strapazen (fast) vergessen werden. Die Natur gibt alles. Blütenpracht rundherum in sattem Grün. Ich frage mich, wie es hier im Sommer sein wird. Wir passieren Dörfer, sich auf Hügel duckend und an Felswände geklebt. Mittelalterliche Reisende hatten sich dieselben Aussichten. Vor der ersten Kontrollstelle beginnt Wind, besser gesagt starke Windböen. Erwischen sie einen an der Breitseite, gibt es das Gefühl geschubst zu werden. Ich verlangsame und fahre teils in Schritt-Tempo. Zum Glück kommt der Wind meist von hinten. Nicht auszudenken, wenn der uns von Vorne ausbremsen würde. Kal5at ist er zudem auch noch. Ich wage nicht an den nächsten Tag an der Küste zu denken, wenn wir dem Lüftchen die Stirn bieten müssen.
In Castellana Sicula werden wir von Helfern in wunderschön bunter Tracht empfangen. Und es gibt leckere Nudeln. Allerdings keinen Nachschlag. Noch hungrig ziehen wir weiter. Vorbei geht es in stetem Auf und ab an spektakulär gelegenen Dörfern Petralia Soprana, Gangi, Sperlinga. In Nicosia gönnen wir uns eine Eis-Pause in einer pasticceria. Ausgehungert stürzen wir uns auf Pizza und das leckere traditionelle Gebäck, die Cannoli. Auf unserer Weiterfahrt taucht auf einmal wie aus dem Nichts vor uns der Ätna auf. In Sonnenuntergangsstimmung. Atemberaubend.
Wieder fahren wir in die Nacht hinein. Müdigkeit macht sich breit bei mir. Noch ein paar Kilometer durchhalten bis Cesaró. Hier gibt es eine Spezialität: Arancini. Eine Pilzfülle oder anderes wird mit Reis umhüllt und frittiert. Wir stürzen uns auf die 6hellbraunen faustgroßen Kegel. Sodbrennen bei mir vorprogrammiert. Dann werden wir wieder in die Nacht entlassen. Die Aussicht auf ein Lager lässt uns fest in die Pedale treten. Irgendwann gegen Mitternacht sind wir dann da – in Linguaglossa am Fuße des Ätna. Überraschung, wir sind in einem Kloster untergebracht, haben Zimmer mit Dusche. Noch schnell Essen am Büfett und dann unter die Dusche und in die Heia. Es ist allerdings bitterkalt in den Zimmern und mir reicht eine Wolldecke bei weitem nicht, um einzuschlafen. Bibbernd liege ich wach, der Wind rüttelt zudem an den Fensterläden, irgendjemand schnarcht. Die Ohrenstöpsel sind sicher in der Satteltasche meines Rades verstaut … Irgendwann muss ich doch weggedämmert sein. 6aWerde aber sofort wieder aus dem Schlaf gerissen. Jemand klopft an die Tür. Ist es schon Viertel nach drei? Nein, viertel vor … Ärger! (Daniel erzählt nachher, dass es sein Kollege war, warum auch immer). Offenbar ist Schlaf für mich wohl wieder mal Fehlanzeige, wie auf jeder Randonnée.
Die ersten 10 Kilometer Abfahrt eiere ich durch die Nacht. Ich zittere wie Espenlaub und das überträgt sich auf meinen Lenker. Temperatur knapp über dem Gefrierpunkt, 5°C. Etwa bei Taormina wird es wieder Tag und die Temperaturen steigen glücklicherweise. In den Tag hineinfahren hat immer was Magisches an sich. Die Sonne geht über dem 7Festland Italien auf. Bald wird die Straße schlechter und Verkehr setzt ein. Von Ampel zu Ampel bewegen wir uns in einer Kolonne von etwa 10 Stadt-Bussen. Da ist wohl gerade Dienstantritt. In Messina. Ich freue mich auf die Kontrolle. Frühstück angesagt. Aber es gibt leider nichts bzw. nichts Kostenloses, nur den Stempel. Kurz eine colazione alla italiana mit Cornetto alla crema und Latte Macchiato, dann weiter. Für mich sind die nächsten 50 Kilometer die Hölle pur: Ein Dorf reiht sich an das andere, viel Verkehr, übelste Straßenbeläge. Wenn ich hinter mir ein Auto ahne, erhöht sich sofort mein Puls um gefühlt 100 Schläge, mein ganzer Körper verkrampft sich und ich wähne mich schon 8unter den Rädern. Die Beulen an der Karosse jeden zweiten Autos sprechen Bände. Vor der nächsten Kontrolle ein saftiger Anstieg nach Tindari. Dieser ist überraschenderweise der angenehmste Teil dieser Etappe. Verkehrsberuhigt. In Marina di Patti gibt es wieder mal was umsonst: Couscus oder überbackene Nudeln mit Melanzane. Lecker, aber wieder mal abgezählt und viel zu wenig. Ein Problem, denn heute ist Sonntag und nachmittags sind keine Geschäfte offen. Hätten wir das gewusst, dass die Verpflegung sizilianischen Kontrollstellen entweder nicht vorhanden ist oder so mager ausfällt, hätten wir vorgesorgt, aber so bleibt der Hunger unser Begleiter, denn in Santo Stefano gibt es nur 9eine Flasche mit Wasser. Dafür entschädigt uns die Panorama-Strecke. Entlang der Küste mit traumhaften Blicken auf die Meeresbrandung und gegenüber begleitet uns die Aussicht auf die Eolie, die Äolischen Inseln mit Lipari, Vulcano und weiter entfernt Stromboli. Dieser hat ständig ein Wölkchen über seinem Gipfel, schaut aus wie eine Rauchwolke. Fakt ist aber, dass es am Kraterrand halbstündig kleine Eruptionen gibt. Da fliegen die Steinbrocken durch die Luft und bieten vor allem nachts ein feuerglühendes Spektakel. Uns angeschlossen hat sich ein ganzer Trupp und wir düsen die Küste entlang. Ich genieße die letzte Etappe. Zumindest bis Cefalu. Dort eine jähe Unterbrechung: Daniel steht am Straßenrand und deutet auf sein Schaltwerk. 11Schaltkabelriss. Was nun? Fabio nimmt sich der Sache an. Das Schaltwerk wird mit Kabelbindern fixiert und weiter geht es. Der arme Daniel hat nur noch den höchsten Gang zur Verfügung und es sind noch an die 900 Höhenmeter zu überwinden. Es wird nach einem traumhaften Sonnenuntergang wieder Nacht. Ob wir es in unserer Kleingruppe wohl schaffen bis Mitternacht? Der Verkehr nimmt stark zu. Das sind wohl die Heimkehrer nach einem Tag am Strand. Eine steile Serpentinenpassage in Termini Immerese legt Daniel kurz entschlossen barfuß zurück, im Laufschritt. Verrückt, der Kerl! Auf jeden Fall gewinnt er um Radlängen alle „Bergwertungen“. Die letzten Kilometer hinein nach 12Palermo stellte ich mir ruhig vor. Wer wird denn Sonntag-Abend noch unterwegs sein … Denkste! Der reine Horror. Vielleicht mache ich mir nicht mehr so viel draus, weil mein Körper nach über 1200 Kilometern nur noch auf Sparflamme funktioniert, da ist für Angst keine Energie mehr übrig. Ich bin dennoch erleichtert, als wir vier, Daniel, Fabio, Hermann und ich, gegen 23 Uhr die Ziellinie überqueren. Eine Traum-Reise ist einerseits glücklicherweise aber auch leider zu Ende.
Nachdem ich 2015 nach den 1200 km der Paris-Brest-Paris geschworen hatte „Nie, nie wieder!“ ist das seither schon die fünfte Langstrecke (1200 – 1600km). Und die nächsten schon in Planung. Wer hätte das gedacht? Der Flair aber, der von diesen Unternehmungen ausgeht ist einfach sagenhaft: kein Rennstress, gemeinsames Erleben (immer), gemeinsames Leiden (manchmal), gegenseitige Hilfsbereitschaft, sich in der freien Natur zu bewegen (meistens), einfach eine schöne Gelegenheit Gegenden kennen 14zu lernen (intensiver als mit dem Auto).
Danke an Daniel, der mich in der Nacht vor Cesaró abgelenkt und wach gehalten hat und an Fabio, der nach Daniels Panne uns nicht verlassen hat.
Danke an die Organisatoren und alle Helfer, dass ihr uns ein so einmaliges Erlebnis geschenkt habt.
Die 6+6 Isole gehört zum Viererkleeblatt L’ITALIA DEL GRAND TOUR mit 1001Miglia, Alpi4000 und 999Miglia. Hermann hat mit der 6+6 nun die Serie abgeschlossen, mir fehlt noch die 999miglia.17

Bis zum nächsten Mal!

 

 

Auf den Spuren der Veneto Gravel

Colli Berici – auf den Spuren der Veneto Gravel          italiano

Radfahren im April. Ausgangspunkt wieder mal das Bike Hotel Enjoy. Und es sollen an den beiden Tagen wieder mal etwas mehr Kilometer werden. Die beiden Tage stehen unter dem Motto „Hügel“.
Tag  1: Wir haben vor auf den Spuren der Veneto-Gravel zu wandeln, die eine Woche später stattfinden wird. Wir wollen zu den Colli Berici südlich von Vicenza. Und in Anbetracht der erwarteten Schotterpassagen wählten wir unsere Gravelbikes für die Tour – und taten gut daran.

Tourenlänge: 200km/ 1200 Hm
Ausgangspunkt: Peschiera
Wegbeschaffenheit: Straßen, Sekundärstraßen, Schotterpisten, landwirtschaftliche Wege

GPX download     strava

colli berici

  • Von Peschiera übers Hinterland nach Verona. Sehr schön. Ab Sommacampagna allerdings wird der Verkehr etwas mehr. Weniger schön. Ab Verona fahren wir ein Stück auf dem geschotterten linken Etschdamm.
  • Durch verschiedene Ortschaften führt die Strecke auf meist sekundären Straßen: San Martino Buon Albergo, San Bonifacio, … Wenn es mal auf eine befahrenere Straße geht, ist dort ein schöner Seitensteifen, der das Fahren entstresst. Es ist weitgehend flach, 78 km bis hin an den Fuß der Colli Berici.
  • Bei Lonigo führen die letzten Kilometer, bis zum ersten ernsten Anstieg über einen hübschen Radweg entlang des Flusses Brendola Richtung Norden. Bisher nicht viel Gravel …
  • Und nun wird es ernst. Ein zunächst asfaltiertes Sträßchen führt in ein kleines Tal. Dann Schotter. Zum Glück nur kurz, dann wieder Asfalt. Und ringsum Kirschbäume. Schön.
    IMG-20190407-WA0005
    Dann Schock … zu früh gefreut. Bei einem Bauernhof bellende Hunde und Schluss mit der Straße. Das Navi zeigt nicht ganz eindeutig, wohin der Weg führt. Es hatte erst geregnet und meine Reifen bleiben fast im Matsch stecken. Eine ganz üble Sorte Matsch. Der wickelt sich sofort um meine 35er Reifen, die etwas profiliert sind und schwupps habe ich 45er Breite. Zurück und den nächsten Weg nehmen. Richtig. Schieben ist angesagt und die nächste Fahrpassage ist untergrundmäßig auch nicht besser.IMG-20190407-WA0007
    K640_20190406_120625
  • Als ich nach nicht ganz 2 km wieder auf festen Untergrund komme ist das Fahren so wie beim Auto mit nicht ausgewuchteten Reifen. Mir bleibt nichts anderes übrig, ich muss Reifen und Schuhe mühsam mit einem Stöckchen von der gefühlt dezimeterdicken Erdschicht befreien.
  • Nun die wunderschöne Passage durch die Colli Berici. Auf und ab durch die Natur. Zum Glück nur noch Asfalt. Vorerst…
    IMG-20190407-WA0004
  • Irgendwann haben wir den höchsten Punkt der Tour erreicht. Etwa Halbweg unserer Strecke. Und nun Abfahrt. Auf dem Navi kann man eine Straße mit vielen Serpentinen erkennen. Hermann meint, nun könnten wir unsere Durchschnittsgeschwindigkeit etwas aufbessern. Denkste, denn was uns jetzt erwartet, hätte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht erwartet: Ein Schotterfahrweg, teilweise mit Steinen bestückt. Künstlich oder natürlich? Keine Ahnung. Auf jedenfall eine Mountainbikestrecke. Es waren auch mehrere solche unterwegs, die erstaunt auf unsere Rennräder schauten. Geschwindigkeit? Nix da! Aber landschaftlich ein Traum!!
    K640_20190406_134601
    IMG-20190407-WA0010
  • Am Bergfuß bei Costozza haben wir nun den östlichen Rand der Colli Berici erreicht.

K640_20190406_134805

  • Nun geht es zurück. Zunächst über Kilometer über einen Radweg immer Aug in Aug mit den Colli Euganei, den Euganeischen Hügeln gegenüber.
  • Dann wieder sekundäre Sträßchen. Den Rückweg hatte ich mit bikemap geplant und auch die Option Schotterwege und unbefestigte Wege zugelassen. Das sorgte einige Male zu interessanten Wegstücken über kaum erkennbare Wege. Zum Glück nicht größere Strecken, sonst wäre es wohl Nacht geworden vor unserer Rückkehr. Ansonsten ging es wieder von Dorf zu Dorf.
  • Die letzten gut zehn Kilometer vor Verona fahren wir auf dem südlichen Etschdamm – Schotterweg, aber für unsere Gravelbikes kein Problem.
  • Ab Verona entscheiden wir uns denselben Weg, wie bei der Hinfahrt zu nehmen. Wer mag könnte auch über Bussolengo und Sandá zurück.

Tag 2: Am Tag drauf eine Tour zum Regenerieren … 120 km durch die Colline Moreniche südlich des Gardasees und Poebene. Siehe hier.

Durch die Nacht kurven …

Randonnée dei fiumi e dei laghi                             italiano    GPX download      strava

Flüsse und Seen waren das Hauptthema dieser 300 km langen Radfahrt organisiert von Simonetta und Musseu.
karte

Startplatz sehr schön gelegen in der wunderschönen Sportanlage von Montorio, Villa Guerrina. Start mit 350 weiteren Verrückten um 11 Uhr in der Nacht in Montorio bei Verona.
K640_20190323_225509

Nach einem chaotischen Intermezzo durch Verona … sehr sehr viele Fußgänger und Verkehr um diese Zeit, für mich Stress pur. Aber war schon Gänsehautfeeling nachts an geschichtsträchtigen Orten vorbei zu radeln: Arena di Verona, Ponte Scaligero, Castelvecchio, Piazza Arsenale, …

Dann ging es hinaus in die Nacht. Der Radweg nach Mantua lässt mich aufatmen. Allerdings ziehen sich die Kilometer in der Dunkelheit wie Kaugummi. Und es ist empfindlich kalt.
K640_20190324_005125

Fast unheimlich, wenn im Dunkeln plötzlich die Seen rund um Mantua auftauchen und die beleuchteten Fassaden der historischen Gebäude.K640_20190324_021758

Im Zentrum von Mantua der erste Kontrollpunkt. Es gibt traumhaft gute süße Teilchen.

K640_20190324_022957

Weiter zum Glück auf dem Radweg. Vorbei an Valeggio sul Mincio. Ich kann die gewaltigen und düsteren Gemäuer der Visconti-Brücke nur  ahnen, als ich drunter durch fahre.  Peschiera am Gardasee. Als ich am frühen Morgen am Hotel Enjoy vorbei radle, K640_20190324_055946sehne ich mich nach einer Tüte Schlaf. Wie schön war es hier verwöhnt zu werden.  Aber wir müssen weiter. Am Ostufer des Gardasees entlang. Zum Glück gibt es so früh am Morgen noch kaum Verkehr.

Wunderschöner Sonnenaufgang und Morgenstimmung am See.

In Bardolino im legendären Becycle Bike Cafè melden wir uns zur zweiten Kontrolle. Ein toller Laden, allerdings waren die Angestellten maßlos überfordert bei den gleichzeitig eintrudelnden vielen Radlern. Oder wir sind einfach zu spät dran, denn es gibt nichts mehr zu essen bzw. wir hätten stundenlang warten müssen. Also hungrig weiter.

K640_20190324_055822

Der See ist ziemlich aufgewühlt. Natürlich. Wir haben ja auch mächtigen Gegenwind. Aber die Aussicht dann vom Rückenwind nach Verona zurückgeschoben zu werden ist auch nicht schlecht.

K640_20190324_065938

K640_20190324_063038

K640_20190324_074042K640_20190324_074050

K640_cf4a71b9-4bba-4196-8174-2fd9a4c9d849

Von Torbole geht es wieder auf dem Radweg entlang des Flusses Sarca weiter. Vorbei an Arco, Dro …

K640_20190324_081051

K640_59bb3651-7d29-42f3-aeb7-9c118a27136b

K640_20190324_083819

… und dann ein weiteres Highlight der Lago di Cavedine. Er liegt am Rande der Marocche, dem gewaltigen Bergsturzgebiet.

K640_20190324_090205

K640_20190324_090254

Nun folgt leider ein Stück Straße, die Aussicht macht es wett, der nächste Stopp in Loppio beim Bicigrill „Duchi’s“ hat ziemliche Anziehungskraft und die Steigung an Nago vorbei zum Passo San Giovanni ist schnell gemeistert.

K640_20190324_092359

K640_20190324_094233

Und wie immer gibt es bei „Duchi’s“ sagenhafte Köstlichkeiten. Gestärkt ziehen wir weiter. Nur noch 90 km bis zum Ziel.

K640_20190324_101255

K640_20190324_113742Den Etschradweg kennen wir ja inzwischen schon in- und auswendig. Den Bicigrill ruotalibera in Avio passieren wir in voller Fahrt. Sehnsüchtig der Blick auf die vielen Radfahrer, die gemütlich in der Sonne sitzen. Es bleibt nur Zeit für ein Foto. Aber wir haben es ja so gewollt.

Hermann verhindert durch eine Vollbremsung einen Beinahe-Crash mit einem Hund. Fazit, Platten. Nach der Reparatur folgt ein wunderschöner Teil Radweg hin zur Veroneser Klause. Was für ein Spektakel: Die Etsch quetscht sich hier sozusagen in einigen Schlingen durch einen Fels-Engpass.

K640_20190324_124432

K640_4c62bd1b-0fcd-48ab-9320-aa9956e96e25

Nun geht es durch die Ebene vor Verona. Landschaftlich meiner Meinung nach nicht so sehr erhebend. Aber es gibt doch einige schöne Augenblicke einzufangen.
K640_20190324_131933
Die letzten Kilometer geht es entlang des Biffis-Kanal und der Etsch bis wir schließlich Verona erreichen. Nun geht es aber nicht bequem durch Verona durch, sondern Musseu hat sich was Besonderes einfallen lassen, ich finde es aber einen großen Segen, dass wir die verkehrsreichen Stadtstraßen meiden dürfen und nehme die zusätzliche Höhenmeter um den Parco delle Colombare zum Castel San Felice dankend in Kauf. Von dort kann man runter sausen bis fast zum Ziel.

K640_20190324_135702

Etwa einen Kilometer vorher zischt aus Hermanns vollgebremstem Reifen wieder die ganze Luft raus. Aber es ist ja kein Wettkampf und so trudeln wir entspannt zu Fuß in Villa Guerrina ein, wo wir uns bei Bohneneintopf, Orangen, Getränken und Colomba (eine italienische Osterspezialität) stärken können.

Wer jetzt Lust auf mehr bekommen hat, es gibt in Kürze noch zwei weitere Brevets: eine über 400km und eine 600km
Informationen hier: I magnifici quattro
400 Valsugana
600 Dolomiti

Rad-Vorfrühling in Peschiera

Zuhause noch Eiseskälte und Schnee … es zieht uns in den sonnigen Süden, nach Peschiera, dem Rennradparadies.

Unsere Touren:

  1. Durch die lessinischen Hügel des Valpolicella: Von Peschiera rund um Negrar (90km/ 1350Hm)
  2. Von Peschiera in die Brescianer Berge (135km/ 1350Hm)
  3. Von Peschiera Richtung Monte Baldo: San Zeno + Spiazzi (83km/ 1400Hm)

Wir folgen den „suggerimenti“ von Manuel Jekel quartieren uns im Bike Hotel Enjoy, dessen Chefs auch begeisterte Rennradfahrer sind und ein umfangreiches Rad-Sport-Programm anbieten. Wir sind überrascht über die sehr schöne Anlage, das saubere sehr geräumige und komfortable Zimmer auf den Garten hinaus. Wir fühlten uns sehr wohl. Die Belegschaft ist sehr freundlich und zuvorkommend. Erwähnenswert unbedingt die Küche: Eine ansprechende Speisekarte und sehr lecker zubereitete Gerichte und nicht zu vergessen das Super-Frühstücksbuffet. Wir werden sicher nicht das letzte Mal hier gewesen sein. Von der Haustüre aus kann man in alle Richtungen schöne Touren fahren, je nach Lust und Laune abwechslungsreich durch Hügel oder Ebene, den Mincio-Radweg entlang oder nicht weit zu den steileren Anstiegen des Monte Baldo oder der Brescianer Berge.

K640_IMG-20190309-WA0007K640_20190309_094303K640_20190309_150105K640_IMG-20190309-WA0003K640_20190310_103203K640_IMG-20190309-WA0002K640_IMG-20190308-WA0001K640_20190309_090801

Vernunft. Wo bist du?

glurn

Naja, vernünftig? Was ist das?
Plan: Das „Tuifele“ bewegen und von Brixen nach Glurns und zurück. Starker Nordwind angesagt. Mal gucken wie weit ich mit meinem Willen komme, wenn schon die Vernunft nichts zu sagen hat …

Start bei minus 6° durchs Eisacktal. Rückenwind, na klar. Ab Bozen wird es ernst, Gegenwind, aber wärmer. Gemütlich auf die Töll raufgezuckelt und dann wird es krass. Ein Gegenwind wie noch nie. Besser gesagt „Gegensturm“. Teilweise voll in die Pedale getreten und nicht mehr als 10 km/h im Flachen geschafft. Spaß ist was anderes. Zudem krachte es immer wieder im Gehölz neben dem Radweg. Von Ästen erschlagen werden? Nein, danke! Ein paarmal hat mich eine Sturmböe fast vom Rad gesäbelt. Der Gedanke reifte langsam, nur noch ein paar Kilometer durchhalten bis km 100 und dann zurück.glurns_teufelchen

Unterwegs treffen „Tuifele“ und ich noch zwei Teufelchen, große. Denen scheint der Sturm nichts auszumachen. Neugierig beäugen sie mein Tuifele. Weiter geht’s. Im Schritt-Tempo. Bei Kastelbell hat es einige große grüne Obstkisten aus ihrer Verankerung in luftiger Höhe gerissen und die Kisten hängen nun kreuz und quer in der Luft. So eine auf die Rübe bekommen ist wohl nicht lustig. Gedanke „Glurns“ adieu. Wirklich nur noch bis zu km 100. Naseputzen ist auch nicht mehr drin. Beide Hände müssen am Lenker bleiben. Radfahrer sind keine unterwegs. Warum wohl? Stimmt doch nicht … eine ist da. Ich.
Beim Gedenkstein in der Latschander drehe ich um. Kurzer Gedanke an die, die leider nicht mehr Rad fahren können, dann geht es zurück. Der Wahnsinn: An die 40km/h fast ohne Treten und einige getrocknete Blätter tanzen trotzdem noch lustig vor mir her. Das sagt eigentlich alles zu den Verhältnissen heute.glurns1

Hunger. Anstatt Hungerast lieber eine Hunger-Rast … Eine Bank … Netter Spruch: „Huck di her und redn mor“. Worüber denn? Über Vernunft??? Lieber Brot essen …
Ab Terlan wieder Gegenwind. Durchs Eisacktal sowieso. Gerade im Fernsehen gehört, es hatte Sturmböen über 100km/h!!!
Vor Klausen wird es dunkel. Und gerade jetzt: ein Platten. Hilfe, was mache ich denn jetzt? Tubeless Reifen. Ich versuche Luft einzupumpen, aber der Reifen ist total platt und Pumpen ist sinnlos(siehe unten). Lampe am Zaun montiert, Werkzeug und so ausgepackt. Felge raus, T

glurns_latschander

aschentuch gesucht, Milch aus dem Reifen rausgeputzt, gefühlt, ob irgendwo was Spitziges steckt, igitt. Schlauch rein. Reifen wieder in sein Bett. Ein Drittel ist drin. Dann geht nichts mehr. Ich schaffe es nicht. Immer wieder rutschen meine inzwischen gefühllosen Finger ab. Der Reifen sträubt sich. Die letzten Zentimeter gehen nicht über den Felgenrand. Mist. Was machen? Das gab es noch nie … Göttergatten anrufen. Taxidienst anfordern. Mist, jetzt fehlen 10 km auf die 200 …
Aber: Das kommt davon, wenn man am dritten Januar schlauer sein will als der Wetterbericht. Aber schön war es doch … Und was einen nicht umbringt, macht einen nur stärker …
Die nächsten Tage werde ich wohl daheim in der warmen Stube bleiben, wie es sich gehört … oder … müsste ich nicht … nach Bozen … zur UISP? Könnte ich da nicht mit dem Rad hin? Sind doch nur läppische 38 km … und zurück … (Stellt sich am Tag drauf heraus, dass zum Glück Büro geschlossen, so werde ich wohl gezwungen zuhause zu bleiben).

Zuhause richtet H. meinen Reifen. Schlauch raus. Milch rein. Aufpumpen. Und siehe da, am nächsten Tag ist noch alle Luft drin. Man sieht kein Loch. Nichts. Äußerst seltsam. Warum ist innerhalb eines Kilometers alle Luft draußen. Vor Klausen waren einige Kilometer mit jeder Menge Ästen auf dem Radweg, über die ich zum Teil drüber gebrettert bin. Klar, dass ich mit der „schwachen“ Pumpe nichts ausrichten konnte, der Reifen war sozusagen aus seinem Bett. Wer hat eine Idee, was da passiert sein könnte?

Beh, ragionevole? Che cos’è?

Questo era l’intenzione: Fare und giro con il mio piccolo “diavolo” da Bressanone a Glurnes in Val Venosta e indietro. Annunciato un forte vento da nord. Vediamo fino a che punto posso arrivare con la mia volontà, quando la ragione non ha nulla da dire ….

Si parte a -6° attraverso la Valle Isarco. Vento a favore, naturalmente. Da Bolzano si fa serio, vento contrario, ma è più caldo. Piccola salita sulla Tel e giá mi trovo nella Valle Venosta. Ora ho vento contrario come mai prima. Vento? Meglio orcano. Parzialmente pedalo con tutte le forze e non sono piú veloce di 10 km/h – in pianura. Divertimento è un’altra cosa. Inoltre, vicino a me negli alberi di tanto in tanto sento dei rumori … Rami cadenti? Essere picchiata dai rami? No, grazie! Un paio di volte raffie di vento mi hanno quasi bocciato dalla bici. Lentamente il pensiero matura, me ne vado ancora solo pochi chilometri e poi giro boa … fino a Laces … giro boa a chilometro 100, per raggiungere i 200.

Lungo la strada, „Tuifele“ (=diavoletto) ed io incontriamo altri due “diavoli”, quelli grandi a quattro zampe. A loro non sembra che la tempesta sia un problema. Curiosi guardano il mio “Tuifele”. Eccoci qua. Proseguiamo. A passo d’uomo. Vicino la ciclabile alla cooperativa agricola il vento ha buttato alcune delle grandi contenitori di mele vuoti e quelli ora pendono in alto. Non credo che sia divertente averne uno in testa. Glurnes, adieu! Adesso sono sicura. In realtà non posso neanche pulire il naso: Entrambe le mani devono rimanere sul manubrio. Non ci sono ciclisti lungo la strada. Adesso so anche il perché. Non è vero. Ce n’è una.

Al monumento dell’ incidente del treno anni fa mi giro. Un breve pensiero a queste dieci vittime che purtroppo non possono più andare in bicicletta … e mi giro verso est. La follia: Circa 40km/h quasi senza pedalare e alcune foglie secche sono ancora piú veloci di me. Che in realtà dice tutto sulle condizioni meteo di oggi.

Affamata. Una panchina …. Ce scritto in dialetto: „Huck di her und redn mor“.
Ci sediamo e chiacchieramo … Di che cosa? Sulla ragione? Mangio il mio panino.

Da Terlano in poi, di nuovo col vento contrario. Comunque, attraverso la Valle Isarco. Appena sentito in TV che ha avuto raffiche di vento oltre 100km/h!!

Fa buio a Chiusa. E in questo momento l’aria esce dalla ruota. Aiuto, cosa è da fare? Copertoni tubeless. Cerco di mettere l’ aria, ma il copertone è completamente piatto e il pompaggio è inutile. So che cosa mi aspetta. Metto una camera aria che meno male ho messo nella mia borsa. Ma non riesco dopo a mettere il copertone sul suo posto. Una mezz’oretta o di piú è passata … le mie mani sono giacciate. Non mi resta altro che fare una telefonata a mio marito e chiedere il servizio taxi … Mai fatto prima … e nemmeno completo le 200 … Pecato!

Ma questo è ciò che succede quando si vuole essere più intelligenti delle previsioni meteo del 3 di gennaio. Ma cio nonostante è stato un bel giro e una bella avventura ….. E in tedesco c’è un modo di dire: Ciò che non ti uccide, ti rende solo più forte ….

A casa, H. vuole riparare il copertone. Mette di nuovo lattice. E l’aria non esce piú. Strano …

Jakobsweg versus Keschtnweg?

kleinStrava    italiano

Das Jahresende naht. Zeit für eine Pilgerfahrt … Zum Büßen eignet sich ganz gut der Keschtnweg, den man in mehreren Etappen durchwandern kann. Das Symbol bei Letzerem ähnlich der Jakobsmuschel … eine Esskastanie. Von Vahrn bei Brixen bis Schloss Runkelstein in Bozen. Der Wanderweg ist knapp 65 km lang und verläuft K640_20181117_122254immer auf halber Höhe das Eisacktal entlang. Büßen? Ja, sicher! Denn die Strecke ist eigentlich nicht unbdingt Mountainbike-tauglich. Immer wieder muss man das Rad in Schluchten runterschieben oder -tragen und auf der gegenüberliegenden Seite hoch. Büßen angesagt war bei mir nach Signat. Nach fast 3000 Höhenmetern nochmal das Rad steil hochwuchten … stöhn …!! Dann durch steile K640_20181117_133905Porphyrwände das Rad runterschieben Richtung Schloss Runkelstein am Anfang des Sarntales. Die 40 km über den Radweg nach Brixen – die reine Wohltat nach den 65 anstrengenden Kilometern.
Und das war …

kate

Xterra World Championships, Maui: 5 Minuten lang Weltmeisterin

italiano                      

Zuerst mein Video:

20181024_125140

Xterra World Championship auf Maui  … Crosstriathon 1,5 km Schwimmen im Pazifik, zwischen 30 und 40 km Mountainbike durch den Dschungel Kapaluas und 10 km Crosslauf. Die Aussichten für den 28. Oktober 2018 versprachen einzigartig zu werden. Einzigartig im Sinne von sehr schwierig. Wie die Organisatoren später bestätigen konnten, die schwierigsten Verhältnisse seit Beginn 1995. Tägliche Regengüsse hatten die Trails in seifige Rutschbahnen verwandelt. Aber was mich erwarten würde, sollte ich mir nicht mal in meinen kühnsten Träumen vorgestellt haben …

20181028_080808
1
1a

Race-day morning. Der erste Blick auf die Brandung am Fleming Beach ließ mir das Blut in den Adern stocken. Immer wieder krachten hohe Shorebreaker an den Sandstrand. Einschwimmen? Nein danke! Bike einchecken und Ruhe bewahren. Die Zeit lässt sich aber nicht anhalten. Die Elite-Frauen und Männer stürzen sich nach ohrenbetäubendem Kanonendonner in die Fluten. Ich beobachte. Rein scheint nicht so schwierig zu sein. Beim ersten Wellenbrecher tauchen alle unter. Die Strömung treibt die meisten ziemlich ab. Und den Landgang nach der Hälfte der Schwimmstrecke kann ich leider/ zum Glück nicht sehen. Nur noch wenige Minuten, dann sind wir Frauen dran. Orange Swimcaps. Start-Donner. Ich laufe ins Wasser. Erste Welle. Unten durch. Zweite ebenso. Geschafft! Dann Kurs auf die große gelbe Boje nehmen. Irgendwie scheint sie nicht näher kommen zu wollen. Und die Strömung zieht mich nach Links, weg von der Boje. Das Wasser etwas kabbelig, aber sonst kein größeres Problem. Haie? Was war da in der Infoschrift zu lesen? … blende ich aus. Warum gerade ich … ich bin ja gut geschützt zwischen vielen anderen. Also bloß keine zu große Lücke aufreißen lassen.  Zwar schwimme ich nicht unbedingt rhythmisch, aber ich überhole sogar einige grüne Bademützen der Startgruppe vor uns. Dann habe ich  die beiden Bojen umrundet. Zurück zum Strand. So schlimm ist es ja eh nicht wie ich mir ausgemalt habe. Easy. Und der Ausstieg? Wird wohl auch nicht so schlimm sein. Der Beach kommt näher, aber immer wieder verschwindet er vor meinen Augen. Wie hat mir am Tag vorher eine Schwimmerin erklärt? Dem Ozean nie den Rücken zeigen. Also blicke ich mal vorsichtig beim Luftholen nach hinten. Schock!!!!! Ich höre gellende Schreie über mir und … eine riesige Schaumkrone Meter über mir und in dieser zig orangene und grüne Punkte, die jetzt in meine Richtung stürzen. Nicht nur meine Gedanken überstürzen sich … Was tun? Ich mache um 180° kehrt und tauche unter. Zu spät. Ich werde voll erfasst. In der Zentrifuge. Ich sehe weiße Gischt, dann wird es dunkel
und ich weiß nicht mehr, wo Oben und Unten ist. Wann bin ich wieder an der Oberfläche? Langsam geht mir die Luft aus. Dann endlich ist der Kopf oben. Ich schnappe nach Luft. Was ich sehe lässt mich erstarren: Der nächste Shorebreaker hat sich vor mir aufgebaut und stürzt im selben Moment auf mich ein. Wieder kopfüber in den Fluten. Panik macht sich breit. Ich glaube zu ertrinken, so lange werde ich rumgewirbelt. Mein einziger Gedanke: Ich brauche Sauerstoff. Ich schlucke Salzwasser. Gefühlt literweise. Wieder oben. Röchelnd versuche ich Luft zu schnappen und merke, dass ich von gewaltigen Kräften vom Ufer weg gezogen werde und bin Sekunden später schon wieder im Zentrum einer Riesenwelle. In Sekundenschnelle laufen hunderte von Gedanken durch meinen Kopf. Ich werde wieder ausgespuckt und bekomme Grund unter den Füßen zu fassen. Nur weg hier. Ich torkle an den Strand. Vor mir krabbelt eine Athletin auf allen Vieren ans rettende Ufer, eine Schwimmerin stützt eine andere, die sich verletzt zu haben scheint – Armbruch, wie ich später erfahre. Neben mir Frauen, die schluchzend aus der Gischt klettern. In meinem Kopf tausende Gedanken, einer davon:  Schluss! Ich mache nicht mehr weiter! Dieses Nahtod-Erlebnis hat mir den Rest gegeben.

Wieso sollte ich mein Leben noch einmal aufs Spiel setzen? Eine zweite Stimme: Gabi, du bist um die halbe Welt gereist und nun willst du aufgeben? Nein! Wie zur Bestätigung: Katrin taucht neben mir auf. „Hopp, Mami, des pocksch du!“ Bingo! Ich tauche wieder ein. Die Wellen sind scheint es jetzt gnädiger. Es geht einfach. Einfach drunter durchtauchen, es wird dunkel über mir, dann wieder hell. Geschafft! Zur gelben Boje. Bei jedem Armzug wieder die Erinnerung an das gerade Erlebte. Und die Angst. Ich möchte den Schwimmausstieg ewig hinauszögern. Von einer Wellenkrone aus sehe ich vor mir ähnliche Szenen wie vorher. Hilfe! Dann werde auch ich erfasst und nach vorne katapultiert. Sand unter meinen Füßen und ein enormer Sog ozeanwärts. Mit allen Kräften versuche ich der nächsten anrollenden Woge zu entkommen. Geschafft! Ich habe Tränen in den Augen.

3a
3

Ich laufe in die Wechselzone und muss mich erst mal beruhigen. Das Erlebte lässt mich nicht los und wird im Laufe des Wettkampfes immer wieder vor meinem inneren Auge abgespielt. Und was jetzt kommt, sucht auch seinesgleichen. Der Regen hat die durch Dschungel verlaufende Radstrecke völlig eingeweicht. Hunderte Radfahrer in den Tagen zuvor haben den Pfaden auch zugesetzt. Obwohl die Organisatoren am Morgen Plan B ausgerufen hatten, änderte das nur auf dem unteren Teil, auf der Lower Bowl, etwas. Nur etwa 1,5 Meilen wurden entschärft. Dann war viel Schieben angesagt. Auch auf ebenen Passagen schaffte man es oft nicht im Sattel zu bleiben. Die Reifen rutschten haltlos weg. Die Wege waren wie eingeseift. Und nicht nur das. Der Matsch blieb an den Reifen hängen,  Pflanzenteile wickelten sich um Kassette und Kette. Zentimeterdicke Dreckschicht klemmte sich zwischen Rahmen und Reifen. Oft blockierten dadurch sogar beim Schieben die Räder. Immer wieder bleibe ich stehen und pule den Dreck runter. Ich bin froh, meine Kette bleibt oben. Andere haben weniger Glück. Immer wieder Athleten, die am Streckenrad verzweifelt versuchen, ihr Bike wieder fahrtüchtig zu machen. Mein Simplon Cirex gleicht einem Fat-Bike, so dick hat sich streckenweise der Matsch um die Reifen gewickelt. Schieben, ein paar hundert Meter dahineiern, wieder schieben. Bei der heißen und schwülen Luft eine knochenharte Arbeit. So geht es meilenweit. Dann ist der höchste Punkt erreicht. Eine Versorgungsstation. Ich hasse Isogetränke, hier kann ich mir nichts Köstlicheres vorstellen als das angebotene Gatorade. Bei der Abfahrt immer wieder glatte Passagen. Löcher, Wurzeln, unvermittelt wirft mein Bike mich ab. Ich lande zum Glück weich in einem Zuckerrohrdickicht. Und wieder immer wieder stehen bleiben und das Rad vom Gröbsten befreien. Nicht nur mein Bike ist nicht mehr zu erkennen, auch ich bin von unten bis oben zugesaut. Dann ein Abschnitt, in dem es etwas zügiger durch eine Art Feldweg geht, durch privates Farmland, das erst Tage zuvor freigeschnitten wurde vom Dickicht.  Eine Stoppel-Rüttelpiste. Dann wieder ein Aufstieg in der prallen Sonne.  Wieder runter. Rote Lehmböden. Auf dem unregelmäßigen gerippten Terrain fliegt mir der Dreck um die Ohren, der sich von meinem Hinterrad löst. Dann hat der Dschungel mich wieder. Abwärtspassagen zu Fuß. Dann wieder schlingernd über glitschigen Boden. Ein weiterer Abwurf. Der Lenker bohrt sich schmerzhaft in meine Rippen. Dann einige hundert Meter, die Spaß machen. Trailig. Und nach gut 30 Kilometern ist der zweite Wechsel erreicht. Schnell das Rad aufhängen, Startnummer um und go!

4
5a
6
5

Die ersten hundert Meter laufe ich auf Asphalt … und fühle mich gut. Die erste Steigung, meine Beine scheinen plötzlich wie Blei… Wie könnte es auch anders sein. Ohne Lauftraining. Und … Matsch! Auch die ebenen Passagen werden zur Tortur. Ich hangele mich von Baum zu Baum. Rutsche zurück. Schaffe es manchmal kaum auf den Beinen zu bleiben. Was soll’s … gehe ich halt zu Fuß. Einigen anderen um mich herum geht es ja gleich. Zum Glück alle zwei Meilen gibt es eine Versorgung. Ich schütte zur Kühlung Eiswasser über den Kopf, trinke soviel wie noch nie. Bergauf wieder gehen. Geht ja um nichts … Bin sowieso und hundertpro die letzte … Der höchste Punkt ist erreicht. Endlich. Abwärts komme ich in eine Art von Rhythmus. Geht doch! Vor mir eine Frau, F55, sie keucht. Klingt nicht unbedingt gesund. Ich überhole, dann drehe ich mich um, gehe zurück, frage, ob alles ok ist. Keine Antwort, keine Reaktion. Ich laufe weiter. Die letzte Meile. Aus dem Dschungel raus. Schwül und heiß und noch ein letzter steiler Anstieg. Dann nur noch runter. Nochmal Dschungel. Hier wurde der Weg durch ein riesiges Kakteengewächst geschlagen. Ein Streckenposten: Achtung Stolpergefahr in dem glitschigen glibberigen Gewirr von Pflanzenteilen. Dann ein Bachbett zu durchqueren. Ich hole einen italienischen Athleten ein. Er hält sich die Schulter. Verletzt. Und dann auf die letzten paar Hundert Meter am Strand entlang. Fast geschafft. Ich höre schon den Speaker. Die Zielgerade – wie Zeitlupe schwebe ich durch den Zielbogen. Aloha! Ein Hulamädchen hängt mir eine Orchideenkette um den Hals und die Finishermedaille … die mir beim Schwimmen noch unerreichbar erschien.
Hermann und Katy empfangen mich. „Du bist Weltmeisterin!“ Wie? Das gibt es doch nicht! Sie beweisen es mir auf der Zeitnehmerseite. Gabriele Winck, 1° AK 55-59. Ich schwebe wie auf Wolken. Sagen wir mal  … etwa fünf Minuten lang. Dann wird die Seite aktualisiert. Ich bin zwar auf den undankbaren vierten Platz zurückgerutscht  – aber mega mega  zufrieden, hatte  ich mir doch den letzten Platz erwartet in Anbetracht meines Xterra – Werdeganges.

Silvia B. meint zu mir, sie nerven diejenigen Frauen, die ihr Licht ständig unter den Scheffel stellen und dann … Aber sie lacht und meint es nicht böse … Aber mal ehrlich: Was hätte ich vorher von mir halten sollen? Ich hatte ja keine Ahnung nach einem absolvierten Xterra-Bewerb  … und wenig Schwimmtraining, kaum spezifisches MTB-Training, kein Lauftraining, aber anscheinend haben die vielen tausend Rennradkilometer sich doch auch positiv ausgewirkt …

Fazit: Zwar war ich nach knapp fünfeinhalb Stunden im Ziel, hatte aber mit Abstand einen der härtesten Renntage hinter mir.

@xterraoffroad & #xterraadventures
WorldChamp_Finish_2018-454 WorldChamp_Finish_2018-453

Das offizielle Video:

[youtube https://www.youtube.com/watch?v=BfGV6v1MTvg&w=560&h=315]

Radln mit Jochi und die NorthCape4000???

K640_20180908_094008italiano

Ein Plan reift … mit dieser  schönen Rad-Tour …K640_20180908_130302
Bei der North Cape 4000 mitzufahren … siehe Ende des Berichts …

Für Johannes …
Ende Sommer, die Schule hat gerade wieder ihre Tore geöffnet, da begleitet mich Johannes, mein Lieblingsschüler der vergangenen drei Schuljahre, auf eine Radtour.
Mit Rad und Zug brechen wir am frühen Vormittag vom Brixner Bahnhof auf. Der Tag verspricht strahlend schön zu werden. Was will man mehr?  Die Fahrt nach Bruneck verspricht spannend zu werden: Haben wir korrekt gestempelt? Wird der Zug voll sein? Dürfen die Räder mit? Schaffen wir es in Franzensfeste pünktlich zum Anschlusszug? Müssen wir dort den Bahnsteig wechseln? Die Räder Treppe runter und Treppe rauf schleppen?
Wir schieben unsere Räder auf den Bahnsteig. Wbruneck brixeno ist wohl der Waggon für die Räder? Urplötzlich sehen wir uns in eine andere Welt versetzt: Ein Rad – retro – Baujahr vor 1980 – das wäre was für die Eroica … und sein Besitzer die Beine in eine braun-grau karierte Flanellhose gehüllt, mit kariertem Hemd, Hosenträgern und einer grauen Sarnerjacke, auch die Mütze klassisch. Alles im Retrostyle.  Ah, das ist ja der Heinz!!! „Wo fährst denn du hin?“ „Zur Eroica Dolomiti nach Innichen …“ Hab ich es doch geahnt … Ich spekuliere schon seit einer Weile mit der Teilnahme, hab ich doch auch einen Rad-Oldie im Keller. Solche Vintage-Radsport-Events erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Das Original findet jedes Jahr im Herbst im Chianti-Gebiet in der Toskana statt. KK640_20180908_084507lammer auf – Klammer zu.
Der Zug kommt. Keine Ahnung, wo wir einsteigen sollen mit unseren Berg-Flitzern. Zum Glück gibt uns Heinz einen Tipp. Er ist ja schließlich vom Fach, erstellt die Zug-Fahrpläne.  Am besten ist der Mittelteil des Zuges … Wir machen es uns bequem auf den gemütlichen Sitzen, aber leider müssen wir bald wieder raus. Franzensfeste. Treppe? Nein, Heinz lotst uns zum Aufzug. Der kommt und kommt nicht. Ob der Zug auf uns wartet? Ich glaube habe zu zaghaft auf den Knopf gedrückt. Nochmal fest drauf und siehe da … nach kurzer Zeit können wir uns alle drei in die Aufzugkabine zwängen. Der Zug auf dem Bahnsteig ist auch noch da. Erleichterung. Sitzplätze sind auch noch genügend da. Wir zurren unser Räder fest und dann geht es schon los. Nanu? Heinz nimmt seinen Leder-Rucksack ab und fängt an auszupacken. Schlauch, Reifenheber, Luftpumpe. Er nimmt sein Rad und stellt es mitten im Waggon auf den Kopf. Achso, er hat einen Platten. JohanK640_20180908_092757nes und ich gucken zu. Reifen runter, Schlauch raus. Schlauch rein. Reifen drüber. Aufpumpen.  Heinz pumpt und pumpt und pumpt. Aber die Luft wird nicht mehr in seinem Reifen. Pumpe kaputt. Und meine Pumpe funktioniert auch nicht. So muss Heinz in Innichen wohl zu Fuß gehen … Inzwischen sind wir in Bruneck. Aus dem Fenster haben wir schon ein paar Stücke des Radweges gesehen.

Wir machen noch schnell ein paar Fotos, dass uns auch geglaubt wird, dass wir in Bruneck gestartet sind. 42 Kilometer liegen nun vor uns. Wir machen uns auf den Weg. Ich vorne, hinter mir Johannes. Anfangs führt der Radweg neben der Straße, dann fahren wir schön durch Wiesen und Felder bis nach St. LorenzeK640_20180908_101048n, vorbei am ehemaligen Kloster Sonnenburg der Äbtissin Verena. Ein Stück fahren wir der Gader entlang und dann wird es kurz ganz steil. Wir schieben. Durch Wälder und der Bahn entlang geht es Richtung Kiens. Jausenzeit naht. Ein hübscher Teich lädt zum Verweilen ein. Johannes klappt seine Pausenbox auf. Mhmmmm, Vollkornbrot, Käse, Obst, da kann ich mit meinem Apfel nicht mithalten. Verspeist ist alles recht schnell. Was aufheben für später? Nein, das ist wohl keine guK640_20180908_112700te Idee. Was man hat, hat man. „Erzähle mal was von der Schule!“, ist mein Wunsch. Ich werde abgeblockt: „Nö, heute wird nicht von der Schule geredet, heute ist Radeltag!“ Wo er Recht hat, hat er Recht, der Jochi. Aber etwas neugierig wäre ich schon …

Wir fahren weiter, vorbei an Kiens, wunderschön durch Maisfelder und Wiesen. Obervintl und Niedervintl ziehen vorbei. Johannes schlägt sich super. Er ist ein toll trainierter Bursche. Nicht einmal wird er lanK640_20180908_114840gsamer oder fragt um eine Pause. Die paar Zu-Fuß-Passagen, weil sich die Kette beim Schalten einige Male verklemmt, nimmt er gelassen. Vor uns taucht schon die wunderbar restaurierte Burgruine der Mühlbacher Klause auf. Nicht mehr weit und wir haben uns wieder ein Pause verdient. Wir leisten uns einen Eisbecher in Mühlbach. Lecker!

Gestärkt geht es auf die letzten Kilometer. Wir fahrenK640_20180908_120941 auf dem Radweg nach Wunsch von Johannes durch Aicha, zur Franzensfeste und am Vahrner See vorbei. Wir machen einen Abstecher zum Fischteich und rollen zu den ersten Häusern von Vahrn. Johannes hat sich hier etwas ausgedacht. Ein Stück Radweg dann links hinunter nach Neustift. Und kurz darauf verstehe ich auch warum. Wir halten bei Johannes‘ Oma. Klingeln. Hoffentlich macht da niemand einen Mittatsschlaf. Stolz erzählt Jochi von unserer Radtour. Die Oma kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Wir fahren die letzten beiden Kilometer, dann ist Johannes zuhause. So eine tolle Tour müssen wir unbedingt noch einmal machen. Vielleicht sogar mit Übernachtung? Das wäre doch mal was … Mal sehen …

Ein Plan reift … zeitnah zu dieser schönen Tour …K640_20180908_130302
Bei der North Cape 4000 mitzufahren – ein Traum … An die 100 Fahrer sind in diesem Jahr gestartet, darunter eine Radl-Freundin, Loretta, aus der Gegend von Vicenza. Sie ist mein großes Vorbild. Sie hat die Fahrt für einen guten Zweck gemacht. Das würde mir auch vorschweben. Kontakte mit Angelika Stampfl, Vorsitzende beim AEB, dem Arbeitskreis Eltern Behinderter, habe ich schon geknüpft. Der Verein leistet Vortreffliches und könnten eine Unterstützung gut gebrauchen.
In meinen Vorstellungen möchte ich alle Spesen selbst übernehmen. Ich würde Firmen suchen, die bereit sind, ein paar Cent pro Kilometer zum guten Zweck zu spenden. Wie viel das auf einer Strecke von etwa 4200 Kilometern wäre, kann man sich leicht ausrechnen. Und mit einer solchen Zielsetzung muss frau einfach durchkommen, also ein Anreiz mehr, die Zähne zusammen zu beißen, wenn es mal nicht so leicht geht …
Plan: vielleicht im Jahr 2020??

Leider wegen Covid-19 um ein Jahr verschoben …

K640_20180908_084507K640_20180908_092757K640_20180908_094008K640_20180908_100459K640_20180908_101048K640_20180908_112700K640_20180908_114840K640_20180908_120941K640_20180908_125459K640_20180908_130302bruneck brixen

Madrid Gijon Madrid

nächst der Film – prima la Video – first the Video – primero mi video

Resoconto in italiano      strava   Artikel von Michael Andres in der Zett, 28.10.2018, S.20f

Wir haben es geschafft. 1250 Kilometer  durch die Gluthitze des sommerlichen Spaniendolomiten_26_09_seite_25s in knapp 86 Stunden. 10.000 Höhenmeter waren zu überwinden. Dabei war es auf den Bergen empfindlich kalt. Die Temperatur-Spanne reichte von 3° bis etwa 40°.
Bei einer Maximalzeit von 90 Stunden hieß das für uns Pedalieren, Pedalieren, Pedalieren und wenig schlafen. Spaniens Landschaften sind wunderbar. Die Straßenränder blitzblank. Die Autofahrer sehr radfahrerfreundlich gesinnt.

Torrelaguna, Sonntag, 20:00 Uhr20180819_185101
Kurz vor dem Start. Nochmal Luft einpumpen. Mein Hinterreifen gibt ein vorwurfsvolles Pfffffffft!!!!! von sich und drückt damit sein Unverständnis aus, dass ich auf eine so lange Reise mit einem defekten, d.h. gelöcherten Mantel starten will. War vielleicht nicht gerade eine weise Idee. Aber ich kann doch nicht bei jeder Ausfahrt einen neuen Reifen aufziehen, denn bei jedem neuen passierte bisher immer was. Mit Tubeless aber nicht das große Problem. Loch, etwas Dichtmilch entweicht und das war’s. Zum Glück hat mir für alle Fälle Rolf einen neuen Reifen geliehen, den ich, schicke ich mal voraus, die 1250 Kilometer durch Spanien schleppen werden. V20180819_195457or uns 1250 Kilometer und zehntausen Höhenmeter. In der zweiten Gruppe radeln wir los. Endlich, denn in der Warteschlange ist es um diese Zeit noch brütend heiß. Hab ich wohl alles? Aber bei den Dimensionen meines Gepäcks vorne und hinten kann gar nichts fehlen. Den ersten Kontrollpunkt nach 166km werden wir noch in der Nacht erreichen. Davor gibt es zum Glück eine Bar in Atienza, die extra für uns Randonneure die Nacht durchmacht, wie wir … Endlose Geraden durch Felder und ein traumhafter Sonnenuntergang.

Richtung Cogollugo, Kilometer 30
Die Sonne ist jetzt weg. Wunderschöne Stimmung. Ich habe schon Hunderte von Bildern geschossen. Im nächsten Kreisverkehr steht einer der Marshalls und deutet auf mein nicht eineschaltetes Licht. Au weh. Vor lauter Beschäftigung vergessen. Disqualifikation? Er ist milde und ich beleuchte mein Rad schnell. Schnell wird es zappenduster. Vor und hinter uns Radleuchten, sonst nichts. Einsamkeit. Da! Vor uns lautes Geplapper, azzurre Radshirts, wir fahren ein Stück mit der lustigen Italienergruppe um Pino, dann wieder Einsamkeit.

Atienza, Montag gegen 1 Uhr
Was hatte ich mich doch auf einen schönen café con leche gefreut. Die Bar habe ich jedenfalls nicht gefunden. Mist! Vorbei. Meine Garmin wollte wohl keine Pause.
Wieder Einsamkeit, keine Dörfer, nichts … Meine Scheinwerfer streifen immer wieder Bäume oder Sträucher (?). Ich stelle mir die Landschaft vor. Vermutlich fahren wir durch einen dichten Wald ähnlich wie zuhause. Wir pedalieren durch Kastilien-La Mancha im Herzen Spaniens, durch die Heimat von Don Quijote, dem traurigsten Ritter der Literatur.
Lange Steigungen. Zum Glück mäßig steil. Ich habe eine geniale Idee mir die Zeit zu vertreiben: ich nehme meine Eindrücke mit meinem Smartphon auf…

Mich holt langsam die Müdigkeit ein, es ist schon lange Schlafenszeit, aber ich habe noch eine Zauberwaffe: Gummibärchensaft … Mein erster Versuch mit Red Bull …, ein Schluck … ekelhaft, aber wirkt sogar. Steigung. Weiter einsam durch die Nacht. Einsam? Hunderte blinkende Lichter um mich herum.  Meine Radfahrerkollegen werden sich doch nicht alle verfahren haben? Gibt es hier so viele Straßen? Plötzlich steht ein Riese vor mir … Schreck! Er hat sein blinkendes rotes Auge auf mich gerichtet. Auf mich kleines Menschlein. Er seufzt und jammert mit flatternden Flügeln. In einem Anfall von Mut galoppiere ich mit meiner Rosinante auf ihn zu. Dem werde ich es zeigen! Oh, Mist, Lanze vergessen … Unsanft wache ich aus meinen Tagträumen auf, ähh aus meinen Nachtträumereien. Ich lasse Quijotes Windmühlen hinter mir, Tausende von Windturbinen. Aha, ich habe den höchsten Punkt erreicht. Nun stehen 20 Kilometer Abfahrt vor mir. Ein letzter Schluck Gummibärchen-Zaubertrank und ich stürze mich in die Tiefe. Halt da war doch noch was … Die Veranstalter hatten eine Gefahr vorhergesagt für diesen Streckenabschnitt. Ich verlangsame.  Die Veranstalter hatten nicht übertrieben mit ihrem „gefährliche Abfahrt“. Ein Asphalt-Flickenteppich übersäht mit zentimetertiefen Kratern erfordert vollste Aufmerksamkeit. Der Wegabschnitt wird wohl noch aus der Zeit des traurigen Ritters stammen … Die Zaubertrankwirkung lässt etwas nach. Ich erwische einige Löcher oder besser, die Löcher erwischen mich … Was bin ich um die Tubeless-Hufe meines Gaules froh. Wenn ich auch sorglos mit einem defekten Mantel losgefahren bin. Ich kann doch nicht nach jeder Ausfahrt einen neuen Reifen kaufen … Habe schätzungsweise schon x neue gekauft und hatte jedesmal bei der ersten Fahrt schon ein Löchlein, aus dem etwas Dichtmilch austrat und die Sache hatte sich. Hoffentlich war ich nicht zu blauäugig dieses Mal …

Ayllon, Kilometer 166, Montag, 4.16 Uhr
Erste Kontrollstelle. Durch den Gummibärchensaft bin ich ganz schön aufgekratzt. Es gibt café con leche und Hühnchensuppe, natürlich alles gegen Bares. Kurzer Aufenthalt und wir machen wir uns wieder auf den Weg.
Wir sausen durch die Nacht auf wunderschön  tendenziell abwärts laufender Straße mit nagelneuem Straßenbelag. Nach 20 km schon der nächste Anstieg. Ich vertreibe mir die Zeit meine Gedanken zu memorisieren und rede vor mich hin. Den verständnislosen Blick der mich überholenden Spanier kann ich förmlich auf mir spüren. Atemlos in der Nacht … Sehen kann ich leider nichts, so träume ich mich durch die Landschaft.
Nachtrag: Knoppers kauend lässt es sich nicht so leicht diktieren. Müde … Um nicht einzuschlafen lese ich aus Verzweiflung die Schilder, die am Wegesrand stehen: „alojamento rurale“ – hmmm, Ferien auf dem Bauernhof wären jetzt auch ganz schön. Dann könnte ich jetzt in angenehm weichem Federbett träumen und müsste nicht gelangweilt durch die Nacht radeln. Sehen tut man absolut nichts, nur wenn das Scheinwerferlicht einen Busch, Stein, … streift.

Richtung Tortoles de Esegueva, Km 198, Montag, 5.55 Uhr
Hermann habe ich wegen der Aufnahmetätigkeit vorausgeschickt. Ein Licht am Straßenrand. Hermann wartet auf mich? Mit einem liebevollen „Hoila!“ begrüße ich ihn. Oje, das waren die Spanier. Wieder verständnislose Blicke …

Km 200, Montag, 6.00 Uhr
Immer noch stockduster. Hoppala die Spanier kommen von hinten. Aber die drei haben sich wohl vervielfältigt und sind doppelt so viele. Wir bleiben dran. Aber der Haufen fährt etwas undiszipliniert, besser etwas Abstand halten. Bald wird es wohl hell werden. Ich bin trotz fehlendem Gummibärchensaft nicht mehr so müde.

Km 212, Montag, 6.30 Uhr
Vor mir ein sich bewegendes Leuchtstäbchen. Aha, einer der Motorradfahrer, der uns eine Kreuzung anzeigt. Die drei oder vier Fahrer leisten in den paar Tagen eine sehr wertvolle Arbeit. In der Dunkelheit – wird es denn heute garnicht hell? – kommt die Langeweile wieder mal über mich, Ich fange an zu rechnen. Wieviele Kilometer bis zur nächsten Kontrolle, Zeit bis dahin, wieviel noch vor uns. Für eine einfache Rechenaufgabe brauche ich manchmal an die 2 Kilometer lang. Hahaaaa! Gehirn auf Sparflamme. Noch etwa 30 Kilometer bis zum nächsten café con leche.

Km 222, Montag kurz nach halb sieben
Langsam wird es hell. Wir sind in der Nähe einer größeren Stadt. Aranda de Duero. Die Straße ist schrecklich. Ein Kreisverkehr nach dem anderen. Beginnener Berufsverkehr. Einige Autos mit nur einem Licht. Puhhh! Hoffentlich sehen uns alle. Angst.

Km 229, Montag gegen sieben Uhr morgens
Die Sonne lässt sich noch nicht blicken. Wolken am Horizont. Unendliche Reihen mit Weinreben wechseln sich mit Sonnenblumenfeldern ab. Zum Glück weniger Verkehr. Es geht ständig auf und ab. Ich kann den café con leche kaum mehr erwarten.

Tortoles de Esqueva, km 250, Montag, 8.42
Wir sind gerade aus der Kontrollstelle weg. Es ist kalt, 9°, obwohl die Sonne schon aufgegangen ist. Eine lustige Episode: Ich habe mir in der Bar das volle Programm gegönnt: Bocadillo (ein riesiges belegtes Brot mit Tortilla und Schinken, Café, Obst, Cola). Als ich das Lokal verlasse und dorfabwärts Wasser aus dem Dorfbrunnen in meine Trinkflaschen fülle, rennt mir die Wirtin nach. Sie gestikuliert aufgebracht und redet auf mich ein, logisch auf Spanisch. Ich verstehe nichts. Sie versucht es noch einmal, zählt Ess-Sachen und Getränke auf und sagt irgendwas von „pago“. Jetzt geht mir ein Licht auf. Ich gebe ihr zu verstehen, dass mein „marido“ gezahlt hat. Sie zieht zufrieden von dannen, ich ziehe ab, komme mir wie eine Verbrecherin vor. Geschäftstüchtig sind sie schon. Rolf wird zwei Tage später seine Rechnung doppelt zahlen. Die Einschreibegebühr für das Brevet war nicht wenig, aber fast überall muss für Speisen und Trank gezahlt werden.
Noch 73 km bis zur nächsten Kontrolle. Es geht gleich mit einer „giftigen“ Steigung los.
Drei kleine Berge. Dazwischen endlose Felder. Straßen die kerzengerade am Horizont verschwinden.

K800_20180822_132051Torquemada, Km 288, Montag, 10.15 Uhr
Wir fahren bei Torquemada über eine wunderschöne Brücke über den Fluss Pisuerga. Sie ist aus dem 16.Jh. und besteht aus 25 Bögen, die nicht gerade an das andere Ufer führen, sondern gekurvt.
Wir biegen nach rechts ab. Es trifft mich wie ein Hammerschlag. Gegenwind. Frontal. 12 km geradeaus. Sehnsuchtsvoll denke ich an meinen Triathlonlenkeraufsatz zuhause. Darf man aber nicht nutzen hier. Ich strample mich ab. Immer wieder schaue ich erwartungsvoll auf meine Garmin, wann die Straße wohl um ein paar Grad die Richtung ändert. Es wird immer heißer.

Astudillo, Km 300, Montag 11.00 Uhr
Scheinbar endlos empfundene Zeit und endlos verla20180822_100837ufende Straße. Nun ist es endlich soweit. Wir haben den Wind im Rücken. Die Kilometer bis zur nächsten Kontrolle sind eine Freude.

Fromista, Km 322, 11.42 Uhr
Wir sind im Pilgerstädtchen. Hier treffen wir auf den Camino de Santiago. In der Kontrolle gibt es Melone und Getränke, gratis. Wir entscheiden uns für einen Besucht des Supermarktes und verpflegen uns vorzüglich. BrK800_20180822_092335ot, Ziegenkäse, Tomaten, Trinkjoghurt, Cola, Radler – alkoholfrei natürlich, Haferkekse, Müsliriegel, die sich als Schokoriegel outen und dann später in der Hitze als Trinkschokolade dienen.
Nach fast einer übertrieben langen Pause -wo rennt nur die Zeit hin?- geht es weiter. Die nächste Etappe fürchte ich. Lang, 115 km und wie wird wohl der Wind sein? Am Ende liegt dann unser erstes Schlafquartier, schon gebucht im Hostel El Cruce.

Sahagún, Km 400, gegen 16.00 Uhr
Wir feiern den runden Kilometerstand mit einem Besuch in der Bar mit Eis und Cola. Der sehr nette Barmann füllt unsere Flaschen mit frischem Wasser und Eiswürfeln. Welcher Luxus.  Ab Frómista war unsere Straße kilometerlang neben dem Pilgerweg verlaufen. Die armen Pilger, die in der prallen Sonne durch die Gegend latschten, kilometerweit ohne auch nur den klitzekleinsten Schatten. Dann doch lieber etwas Gegenwind. Die Straßen verschwanden endlos in der Ferne. Stoppelfelder, Felder, Felder. Jeden Brunnen hatten wir dankend angenommen. Ganzkörperdusche. Die nasse Kleidung kühlte etwas im heißen Föhnwind. Noch etwa 40 Kilometer hügelig bis zum Schlafen.

Cisternia, Km 437, Montag, 18.45 Uhr
Wir holen unseren Wechselbeutel und marschieren ab in unser gebuchtes Hotel. Ich hatte Marianna getroffen, die mit Tränen in den Augen mitteilt, dass sie wegen Magenproblemen entschlossen hat aufzuhören. Ich versuche sie noch zu überreden und vorzuschlagen erst mal richtig zu schlafen, aber es geht ihr anscheindend wirklich nicht gut und über die Hälfte der Strecke haben wir noch vor uns. Darunter am nächsten Tag sehr viel Aufstieg.

Cisternia, 2.45 Uhr morgens
Siebeneinhalb Stunden Stillstand. Hermann schimpft. Gut geschlafen habe ich auch nicht. Zwar schnell eingeschlafen, aber um Mitternacht werden wir aus dem Schlaf geklopft es an der Tür. Ein Mitarbeiter bringt Frühstück!!! Ich kann natürlich nicht wieder einschlafen. Hermann säuselt vor sich hin. Apropos Hotel. Es wird nur Spanisch gesprochen und wir auch nicht ansatzweise verstanden. Es vergeht über eine Stunde, bis wir den Besitzern „aufgedeutscht“ haben, dass wir ein Zimmer vorreserviert hatten und dass wir gerne wie besprochen ein kleines Frühstück hätten vor Abfahrt gegen 2 Uhr früh. Misstrauisch und sehr reserviert wurden wir in der Folge bedient.  Auf das Abendessen mussten wir verzichten, da wir um 21.00 gerne schon schlafen wollten.
Wir sind wieder auf dem Weg in Richtung Cangas de Onis. Der Wind weht schon ziemlich stark und es ist recht kühl. Wir haben das Zimmer für zwei Nächte gezahlt und hoffen, dass wir nicht zu spät, zurück sind und sich noch eine Mütze voll Schlaf im Hotel ausgehen,  denn vier Etappen liegen vor uns und über 3000 Höhenmeter. Und wahrscheinlich Gegenwind auf dem Rückweg.Spannung pur!

Km 457, Dienstag, 3.45 Uhr
Ein Licht kommt uns entgegen. Wenn sich da nicht einer verfahren hat, dann ist es der erste auf dem Rückweg. Wahnsinn. Der hat schon 800 Kilometer hinter sich und wir nicht mal 500 …

Km 480, Dienstag, 5.10 Uhr
Beim Start in Cistierna war die Kontrollstelle schon geschlossen für die Hinfahrt. Fünf Rennräder standen noch vor der Sporthalle. Das bedeutete, dass wir vermutlich nach unserer Luxuspause wohl so ziemlich unter den letzten Teilnehmern waren. Aber jetzt haben wir gerade einen Radfahrer überholt, wir rollen das Feld von hinten auf und sind nun an vor-, vor-, vor- usw. letzter Stelle. Wir überholen Giustina und Pamela. Sie werden uns später erzählen, dass sie in jeder Nacht nur eine Stunde geschlafen haben. Schreck! Was ist das? In der Ferne erhebt sich mitten auf der Straße ein riesiger Fellberg im Schein meiner Lampe. Ein Bär??? Nur nicht hingucken und vorbei. Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass es ein großer hellbrauner Hund ist. Ich krame aus den hintesten Schlingungen meiner Gehirnwindungen Verhaltensregeln. Nur nicht direkt anschauen. Krampfhaft schaue ich an den Straßenrand, der Hund zu mir herüber. Nächster Gedanke das Sprichwort: „Den letzten beißen die Hunde“. Hermann fährt hinter mir. Glück gehabt. Aber armer Hermann. Nichts. Nichtmal ein Knurrern. Gefahr gebannt.
Vor uns liegt nun eine 45 km lange Bergaufstrecke, dann Abfahrt nach Cangas.

Km 490, gegen 5.55 Uhr
Es geht rauf und runter bei knapp 7°, meine Finger frieren langsam ein. Unvorstellbar nach der Hitze gestern. Die nächsten beiden Entgegenkommenden, eine Stunde nach dem ersten. Ich bin froh um die Steigung. Es ist 6°kalt. Einige Kilometer sind wir nun an Ufern gefahren, wie mir die Map auf Garmin zeigt. Stimmt, wir waren anfangs in einigen Serpentinen den Berg hoch, dann über eine Staumauer gerollt. Inzwischen auch über zwei Brücken. Der Stausee muss ganz schon groß sein. Auf einer Halbinsel ein kleines Dorf mit mehreren Hotels. Der Picos de Europa, erinnere ich mich, ist ein Naturschutzgebiet und felsige Berge laden zum Wandern ein.

Km 506, 6.10 Uhr
Es hat nur noch 3°. Noch wenige Kilometer bis zum höchste Punkt. Juhu!  So verschieben sich die Prinzipien. War gestern bei fast 40° jeder Aufstiegsmeter eine Tortur, so bin ich jetzt froh um jeden Meter bergauf. Hätte ich jetzt gerne mein dünne Primaloft-Jacke bei mir, fand es jedoch beim Einpacken lächerlich, diese durch die Hitze Spaniens zu schleppen. Kalt ist mir. Ich habe inzwischen meine dünnen Handschuhe angezogen. So lässt sich zwar das Handy nicht mehr bedienen, aber mit Kinn und Zunge geht es verhältnismäßig gut. Not macht erfinderisch. Ich fürchte mich vor der Abfahrt.

Km 509, 6.20 Uhr
Gleich bin ich oben am Pico de Europa. Am Straßenrand Schneehöhen-Messstangen und ein Silo mit Streugut. Prima. Ich kann mir vorstellen es dauert nicht mehr lange bis zum ersten Schnee. Meine Füße sind Eisklötze. Ich müsste wieder mal was trinken, aber das eiskalte Wasser in der Flasche tut sicher meinem Magen nicht so gut. Wie sehr hätte ich am Nachmittag zuvor ein solches Wasser gewünscht. In Kürze ist es wohl soweit, die gefürchtete 40km-Abfahrt.

Cangas de Onis, Km 538, Dienstag, 6.37 Uhr
Die gefürchtete Abfahrt war nicht so schlimm. Ich habe alles Verfügbare angezogen. Mütze, zwei Shirts, Jacke.  Auf der anderen Seite des Kammes trafen uns in Abständen gefühlt warme Böen. Warm? Sie waren 7-8° waK800_20180821_080713rm. Dann wieder bittere Kälte. Im Tal dann kuschelige 10°. Im Stockfinsteren 40 km runter. Sehr viele Kurven. Die Strecke verläuft in der Schlucht des Rio Sella. Ich stelle mir im Dunkeln die Schönheit der Gegend vor, höre den Fluss rauschen, sehe enge Felsen am Rand. Irgendwann gehen meine Augen wieder mal über Kreuz. Ich habe gemischte Gefühle, denn die Strecke, die wir jetzt runter fahren müssen wir gegen Abend wieder hinauf. Wahrscheinlich werden wir von der schönen Gegend wieder nichts haben, weil es schon wieder dunkel sein wird. Kurz vor Cangas ist es hell geworden. In der Kontrollstelle sind sie sehr sehr nett. Wir stärken uns mit dem Üblichen.

Hoch über Gijon, Km 600, Dienstag, 11.01 Uhr
Über die vergangen Kilometer 65 Kilometer gibt es eigentlich nicht viel zu sagen, außer dass wir einer stark befahrenen Straße in endlosem Auf und Ab mit viel Gegenwind folgten. Zum Glück gab es eine Art Pannenstreifen, den wir Radfahrer nutzten. Bitter waren die vielen fröhlich grüßenden Radfahrer auf der gegenüberliegenden Seite. Aber je näher wir an den Wendepunkt kamen, desto süßer war das Gefühl bald auch zu den Zurückfahrenden zu gehören und mitleidig auf die Entgegenkommenden blicken zu können. Rund um Gijon trafen wir auf sehr viele Radfahrer. Das muss in der Gegend ein beliebtes Hobby sein. Eine Zeitlang fuhr ein Spanier aus Gijon mit uns, er wurde immer wieder mit „Olá babbo“  gegrüßt und erzählte, dass er schon 83 Jahre alt sei. Im nächsten Anstieg überholte er und zog davon. Fit der Mann! Und jetzt stehen wir vor der Abfahrt ans Meer hinunter nach Gijon und haben einen ersten Traumblick auf die Stadt am Atlantik.K800_20180821_125005

Gijon, Km 625, 11.58 Uhr
Wir sind da! Die letzten 5 Kilometer waren allerdings nervtötend gewesen. An die 20 Ampeln. Und jede dritte war rot, wenn wir sie als Radfahrer erreicht hatten. Also jedenfalls keine „grüne Welle“ für Radler. Aber der Empfang durch diK800_IMG_0370e Crew ist super. Wir werden verwöhnt, jeder Wunsch wird uns von den Augen abgelesen. Es gibt sogar Obst und Eis. Und alles ist gratis! Ich mache mir schon Sorgen mit meinem übervollen Bauch wieder die 14 Kilometer rauf fahren zu müssen in der sich anbahnenden Hitze. Noch ein paar Fotos schießen und wir brechen auf.

Hoch über Gijon, Km 639, Dienstag, 14.10 Uhr
Pamela und Giustina kommen uns entgegen. Werden sie es noch innerhalb 15.00 zum Wendepunkt schaffen? Die Steigung war weniger schlimm wK800_20180821_124540ie befürchtet. Ich war übermütig und bin ziemlich schnell den Berg rauf. Dabei überhole ich einige ungläubig staunende Radfahrer überholt. Ich mache noch schnell ein Foto von Barbara und ihrem Partner, die wir immer wieder treffen.

Cangas, Km 702, Dienstag, 16.40 Uhr
Wir sitzen hier bei der letzten Stärkung vor dem gefürchteten 45km-Anstieg auf den Picos de Europa. Die Rückfahrt von Gijon war easy. Etwas Gegenwind, aber der Gedanke, jetzt auf dem Rückweg zu sein beflügelte.

Cistierna, Km 803, Dienstag, 23.45 Uhr
Im Hostel El Cruce ist noch eine Menge los. Sehr viele Radfahrer fragen um einen Schlafplatz. Die Besitzer scheinen nun besser zu verstehen, was hier los ist und begrüßen uns freundlich. Wir bekommen sogar noch ein Eis. Auch das Frühstück steht schon im Zimmer. Einigen Stündchen Schlaf kann so nichts mehr imK800_20180821_203709 Wege stehen.
Die Fahrt auf den Pico de Europa stellte sich überraschenderweise leicht heraus. Ins Tal ging es ganz leicht aufwärts, nur die letzten 5 Kilometer waren ernsthafter Anstieg. Unterwegs gab es sogar noch ein offenes kleines Geschäft. Eispause. Schätzte ich bei Dunkelheit auf dem höchsten Punkt zu sein, ging gerade erst die Sonne unter. Unterwegs plauderte ich etws mit Jovan, einem Liegeradfahrer aus Bosnien. Die Schlucht des Rio Sella war traumhaft schön. Bei Nacht hatte ich sie mir ganz andeK800_20180821_214720rs vorgestellt. Auf dem Picos war es auch nicht so unsäglich kalt wie am frühen Morgen. Wir rollten abwärts und erreichten sogar den See noch bei Helligkeit. Wunderschön.
Dann nur noch leicht abwärts zurückrollen.
Noch schnell duschen. Wecker auf 5.00 Uhr gestellt. Nun kann der Schlaf kommen. Und er kommt.

Cisternia, immer noch Km 803, Mittwoch, 4.00 Uhr.
Ich werde von einem Wecker geweckt. Häh? Es ist doch erst 4 Uhr! Es ist der Wecker aus dem Nebenzimmer. Und der Schlafende wird anscheinend nicht geweckt. Mindestens nicht in den folgenden 10 Minuten. Dann rundherum Chaos pur. Unser Nebenbewohner geht oder besser stampft mindestens 50 Mal mit seinen Radschuhen hin und her. Was der wohl so treibt? Auf dem Flur wird es ebenso laut. Rufen, Radschuh-Geklapper, an Schlaf ist nicht mehr zu denken. Also schon die zweite „versaute“ Nacht. So ziehen wir auch los und fahren in die Finsternis.

Km 823, 5.20 Uhr
Zwei kleine Berge haben wir schon überwunden. Um uns ist verhältnismäßig viel Radverkehr. Woher kommen denn die alle. Wir sind schon lange nicht mehr unter den letzten. Wir fahren gerade durch ein Dörfchen, da hält ein entgegenkK800_20180822_172517ommendes Auto, der Fahrer spricht gestikulierend auf mich ein. Ich halte und gebe zu verstehen, dass ich eben nichts verstehe. Er versucht es in rudimentärem Englisch und ich antworte in ebenso rudimentären Englisch. Der Vorteil, man versteht sich. Er wollte wissen, was um diese nachtschlafende Zeit so viele Radfahrer machen. Von der MGM hatte er noch nie gehört, war aber stark beeindruckt und erzählte, dass er seit zehn Jahren ebenso Radfahrer ist. Er wünscht mir noch „good luck“ und ich muss weiter. Es ist immer noch dunkel. Ich möchte in keiner Gruppe mitfahren, das stresst mich. Die Zeit und die Kilometer ziehen sich zäh.

Mittwoch, 6:40 Uhr
Es ist zwanzig vor sieben. Ein leichter heller Streifen erscheint am Himmel. Immer K800_IMG_0406wieder muss ich stehen bleiben und Fotos machen. Kein Wunder, dass ich so langsam bin.

Frómista, Mittwoch, Km 918, 10.55 Uhr
Auf dem Rückweg schaut vieles so anders aus. Gleich blieb aber der Eindruck von den unendlich langen Geraden durch die abgeernteten Getreidefelder. Kaum einmal ein Strauch unterbricht zwischendurch die Unendlichkeit der Felder. Den Weg teilen wir uns nun wieder mit den Pilgerern, die uns entgegen kommen auf parallel verlaufendem Weg. In einer PilgerherbergK800_20180822_083343e am Weg frühstücken wir mit Giannino, Ivano und Christiano.
Hier in Frómista erfahren wir, dass es nachts einige Unfälle gegeben hatte. Ein schwerer Verletzter und Giuseppe, der von Sekundenschlaf niedergestreckt zwar mehr oder weniger unverletzt blK800_20180820_134745ieb, aber durch einen Radschaden aufgeben musste. Ich werde also wieder in meiner Einstellung bestärkt, dass es vernünftiger ist zwar nur einige wenige Stunden, aber dafür gut und in Ruhe zu schlafen, sprich Hotel. Wieder Einkehr im selben Geschäft. Und wir machen uns auf die Strecke, die ich unangenehm im Kopf hatte durch den starken Gegenwind.

Nach Torquemada, Km 1060, etwa 14.00 Uhr K800_20180822_131723
Die langen Geraden sind zum Glück ohne Wind leicht von der Hand gegangen. Es ist brütend heiß ohne den Wind. Vor der Brücke von Torquemada gab es zum Glück einen Brunnen. Die „Dusche“ kommt zurecht vor dem ersten der drei Hügel. Den ersten derK800_IMG_0435 „Berge“, ein Kamm mit zig Windturbinen, haben wir schon erklommen. Ich hatte mich schon auf die kurze Abfahrt gefreut, aber die war, wie wenn man einen heißen Ofen aufmacht und einem die glühende Luft entgegenbläst. Keinerlei Abkühlung. Die Schleimhäute trocknen aus und auch dauerndes Trinken nützt wenig. Der Schweiß trocknet gefühlsmäßig, bevor er durch die Poren tritt. Jeder Brunnen wird dankbar angenommen. Nun folgen noch etwa 20 Kilometer schnurgerade über eine kahle Hochfläche.
Tortoles de Esegueva, Km 1008, Mittwoch, 15.30
In Tortoles gibt es einen tosenden Applaus für die Ankommenden. Ich schwelge im K800_IMG_0429Gemüsebuffet. Ich glaube ich stamme nicht von Jägern, sondern von Sammlern ab. Und man merkt das auch unterwegs, ich konnte wieder meiner Sammelleidenschaft frönen. Gefunden habe ich bisher ein rotes Rücklicht, das sogar blinkt, jetzt habe ich endlich auch ein solches. Es entspricht zwar nicht der deutschen Straßenordnung, aber egal es blinkt so lustig. Verschiedene Handschuhe und Befestigungsbänder, die ich aber alle liegen gelassen habe. Auch ganz interessant schätzungsweise zwei Meter Kabelschutz, neu, war mir dann aber doch zu sperrig zum Mitnehmen.
Ärgerlich: Nach Tortoles blockiert meine Garmin. Ich muss sie ausschalten und habe halt nicht einen schönen kompletten Track. Mist! Muss ich halt Hermanns nutzen.
Vor uns liegt noch die unangenehme Stadtstraße von Aranda de Duero.

Fuentelcésped, Km 1047, Mittwoch gegen 18.00 Uhr
Die Stadt liegt glücklicherweise hinter uns. Vor dem Dorf hier überholte mich in vollem Speed eine Radfahrertruppe – ich muss betonen – keine MGM-Fahrer und wer hängt hinten dran? Hermann! K800_20180822_184808
Und weg ist er. Im Dorf entdecke ich eine Bar und hole mir ein Eis. Hermann kommt aus einer völlig anderen Richtung den Berg runter. Er erzählt, er habe sich der Gruppe angehängt, die ihm einen Brunnen zeigen wollte. Er hat sogar ein Gel geschenkt bekommen. Muss wohl völlig fertig gewirkt K800_20180822_185730haben auf die Radfahrer. Hahahaaaa! Nach dem Dorf wieder einmal unendliche Weiten. So stelle ich mir Straßen in den Staaten vor. Schnurgerade, einige Wellen.

Maderuelo, Km 1053, 19.50
Die vergangenen Kilometer führten wunderschön durch das Naturschutzgebiet „Hoces del Río Riaza“. Dass wir schon fast 1100 Kilometer in den Beinen hatten, vergaßen wir.  In einem Stausee spiegelte sich traumhaft das mittelalterliche Dorf Maderuelo. Über uns sind hohe Felsen und darauf … nanu, was war denn das? Zig riesen große Vögel mit dunklem Gefieder und weißem Hals. Gänsegeier. Tolles Erlebnis.

Ayllon, Km 1073, Mittwoch, 20.55 Uhr
In Ayllon machten wir noch eine Runde durch die Altstadt, K800_20180822_195715wie uns Luigi C. ans Herz gelegt hatte. In der Kontrollstelle dann großes Hallo. Ich sei die erste Frau, die hier durchkommt. Das kann ich nicht glauben. Stimmt aber. Kurz nach mir trudeln dann aber auch Barbara aus Italien und Elena aus Russland ein. Dann Essen und die Suche nach einem Schlafplatz. Eine nette Mädchengruppe zeigt uns einen Platz in der Turnhalle, der dann ärgerlicherweise aber besetzt ist, als ich vom Zähneputzen komme. Die versprochenen Duschen Fehlanzeige. Als ich dann endlich K800_20180822_203401einen Schlafplatz hatte, konnte ich kein Auge zutun. Es war sehr laut in der Halle. Schuhgeklapper, lautes Reden, … Ich muss garnicht geweckt werden als um Mitternacht jemand an meiner Schulter zupft, ausversehen sowieso eine Stunde früher wie ausgemacht, ist jetzt aber auch egal … Ich wecke Hermann. Ich will weiter. Die zwei Stunden ruhen haben aber doch gut getan.

Atienza, Km 1136, gegen 3 Uhr
Enttäuschung. War auf dem Hinweg hier die offene Bar, die ich nicht gefunden hatte, so hatte ich von Ayllon bis hier durchgehalten trotz Müdigkeit und mich auf einen café con leche gefreut. Auch Oskar und seine Kollegen irren auf der Suche durch die Nacht. Fehlanzeige, die Bar galt nur auf dem Hinweg. Nun müssen wir noch 43 Kilometer weiter. „Schlaflos in Seatle“ … Quatsch „Schlaflos im Sattel“ … Guten Mutes fahre ich, aber schon nach wenigen Kilometern die erste ernstere Müdigkeitsattacke. Ich beschließe mich kurz hinzulegen. Rad an die Leitplanken gelehnt und ich richte es mir auf dem harten Asphalt mit der Jacke drunter gemütlich ein. Hermann schicke ich weiter. Ich liege und schließe die Augen. Stille. Irgendwie unheimlich. Ich gucke in den Sternenhimmel. Gigantisch. Augen wieder zu. Gibt es hier in der Einsamkeit, kilometerweit  findet man keine Häuser, gibt es hier eigentlich irgendwelche wilden Tiere? Außer einem totgefahrenen Reh und einem Wildschwein hatte ich keine Tiere gesehen. Wildschwein? Und wenn dann eins hier in der Nähe ist? Oder wie ist es mit Wölfen und Bären? Irgendwie bin ich wieder hellwach. Also weiter. Einige Kilometer liegt Hermann in einem Bushäuschen. Mein Freilauf hatte ihn wieder geweckt. Zusammen fahren wir weiter. Bis zum nächsten Bushäuschen. Dort muss ich wieder Pause machen. Aber sobald ich liege, kommt kein Schlaf mehr und ich folge Hermann wieder. Ich beschließe die Geschwindigkeit zu erhöhen und siehe da das macht mich wieder munter. Ich schließe auf Hermann auf

Cogolludo, Km 1179, Donnerstag, 6.46 Uhr
Hier halten wir uns nicht lange auf, der junge Mann ist mit Stempeln und Café und Brote machen etwas überfordert und wir haben keine Lust lange zu warten. Auch Elena ist schon hier. Die Frau erstaunt mich. Sie ist immer alleine unterwegs, fährt etwas langsamer als wir, macht aber anscheinend kaum Pausen. K800_20180822_185730Wir überholen sie auf der letzten 66 Kilometern. Nach ein paar Hügeln, spärlich mit Büschen bewachsen – ich hatte mir die Gegend nachts waldig vorgestellt-  noch etwa 30 Kilometer Ebene durch die weiten Felder, dann Abfahrt und kurzer Aufstieg nach Torrelaguna. Auf der langen plattebenen Strecke wechseln wir uns jeden Kilometer ab und sausen mit einem Affenzahn dahin. Hätte mir vorher nicht vorstellen können, dass das noch geht gegen Ende. Hatte mir eher vorgestellt, dass wir die letzten Meter ganz gemütlich dahingondeln, Zeit genug hatten wir ja noch. Auf den letzten 5 Kilometern bei mir dann ein kleiner Einbruch. Die leichte Steigung fühlt sich viel steiler an und scheint nicht enden zu wollen.

Torrelaguna, Km 1250, Donnerstag 9.45 UhrK800_20180823_091037
Dann sind wir da! Unspektakulär. Kein Zielbogen, nichts. Schade! Stempel in die Karte, Foto davon, da die in Spanien bleibt und es gibt eine Kleinigkeit zu essen. Ende.
Und kurze Zeit später ist auch Elena da. Wie sie das gemacht hat. Alleine. Ohne Windschatten.
Duschen, etwas aufräumen und dann der ersehnte Schlaf. Und dann sitzen wir noch im ZielbereK800_20180823_145037ich rum und erwarten die letzten Fahrer. In letzter Minute kommen Pamela und Giustina. Der Veranstalter kommt und drückt uns drei Frauen Pokale in die Hand. Fotos werden geschossen. Aus.
K800_20180823_094947

dolomiten_26_09_seite_25

K800_20180821_124347

Ayllon, Montag gegen 4 Uhr

« Ältere Beiträge Neuere Beiträge »

© 2025 lumacagabi

Theme von Anders NorénHoch ↑