Vierte Woche mit Ausgangsbeschränkung. In den letzten Wochen saß ich mehr oder weniger rund um die Uhr vor der digi Kiste, sprich Laptop, um Hausaufgaben für die ganze Schule zu managen und dann Kids und Eltern reihenweise telefonisch zu erklären, wie man Office365 und Teams bedient.
Mir fällt langsam die Decke auf den Kopf, ich schlafe schrecklich schlecht … Glaube, ich muss meine Lebenswandel mal umstellen .. Jetzt sind ja die OSTERFERIEN in Sicht … *grins*
Ausgangsbeschränkung? Das heißt zuhause bleiben, nur notwendigste Gänge, wie Essen besorgen sind möglich. Sportliche Betätigung im Freien nicht erlaubt. So ganz genau, weiß eigentlich niemand, was man darf und was nicht. Sich bewegen im nächsten Umkreis der Wohnung darf man anscheinend … Was ist die nächste Umgebung? Wie weit darf ich weg? Bisher wusste ich es nicht genau, jetzt weiß ich es …
Gestern – wunderschönes Wetter- ich muss einfach mal raus. Genau so will ich es machen, wie in den letzten Wochen selten mal : 300m vom Haus entfernt mich in die „Büsche schlagen“ und querfeldein, auf unmarkierten Steigen durch den Wald hoch. Taschenmesser und Tüte dabei, um für das Abendessen zu sorgen. Lecker Löwenzahn, angerichtet mit Pellkartoffeln. Mein Körper lechzt förmlich nach Bewegung, frische Luft und Sonne. Ohrstöpsel und Hörbuch und los! Ein Stück der Straße lang, dann startet ein Wanderweg steil nach oben. Ich wende meinen Kopf nach links, um ja das rot-weiß gestreifte Sperrband nicht zu sehen … Das hat vermutlich jemand abgerissen und die Reste hängen verwurschtelt in den Büschen. Frohen Mutes, wie super schön ist Wandern. Wusste ich gar nicht mehr … Man ist ja mit so wenig zufrieden im Moment. Nur noch vorbei beim letzten Haus. Vor mir schon der Wald. Ich steige hurtig weiter, höre angestrengt auf die Stimmen in meinem Ohr, die Geschichte scheint spannend zu werden. Aber irgendein Störgeräusch drängt sich mir auf. Was war das? War da was? Ich drehe mich um und im selben Moment schwant mir Böses. Im Laufschritt eilt mir eine dunkle Gestalt nach. Ich ahne es schon. Ein leicht schlechtes Gewissen stellt sich ein. Ein Forstbeamter … „Wohin wollen Sie?“ – Oje, was sage ich dem guten Mann jetzt? Tausend Gedanken stürzen auf mich ein … Wahrheit? Ja, ich entschließe mich für die Wahrheit … Hätte ich das doch bloß nicht getan … „Ich hatte vorgehabt da vorne in den Wald einzutauchen und weglos hoch nach Karnol …“ „Sie wissen, dass das nicht erlaubt ist! Wo wohnen Sie?“ „Da unten bei den Häusern, ich bin grad mal 300 m hier hoch … Wissen Sie …“ Ich jammere ihm was vor und schildere ihm die ganze Geschichte von meiner momentanen Arbeitsbelastung und und und …und dass ich unbedingt mal raus muss, ich kann sonst nicht mehr … und welchen Sinn hat das, die Leute sich nur im Umkreis ihres Hauses bewegen zu lassen, da treffen sich dann alle auf engem Raum … und ich, die alleine in den Wald gehe, werde bestraft? Wenn das noch länger so geht, dann kann ich mich gleich an den nächsten Baum knüpfen, zu dem ich nicht mal hin darf, das ist doch kein Leben mehr und sowas von sinnlos diese Beschränkung“. Das Gesagte kommt nicht so gut an … Der Forst-Beamte zückt sein Handy … dann meint er „Doch nicht gleich so reden … da gibt es Beratung … psychische …“ Verstärkung naht nun, aha der Kollege. Ich bestätige, das letzte war sicher nicht ernst gemeint und lege ihnen nochmal ganz sachlich meine Meinung nahe. Und sie sind im Grunde auch meiner Meinung, aber leider sind sie an die Bestimmungen gebunden. Und wenn jeder so täte … Ich stelle mir das Szenario gut vor: Tausende durchpflügen den steilen Wald, Frauchen mit Stöckelschuhen, Kettenraucher, Männer schieben Bierbäuche vor sich her … Ich würde lauthals lachen, wenn die Geschichte nicht so ernst wäre. Zu einer Lösung kommen wir nicht … Ich gebe klein bei, um nicht alles noch schlimmer zu machen, sie hätten ja recht … Der eine wirft ein: „Ja wenn sie nicht gesagt hätten, sie wollten nach Karnol, sondern machten nur eine kleine Runde da oben rum und wieder hinunter … aber jetzt seien Sie bitte vernünftig und gehen wieder nach Hause!“ „Mache ich! Auf Wiedersehen!“ (Ogottogott – lieber nicht – was ist das bloß für eine blöde Abschiedsfloskel in diesem Kontext …). Ich mache kehrt und wandere geschlagen abwärts. In meinem Kopf arbeitet es. Was soll ich denn jetzt machen? Heimgehen? Nach 300 m Weges? Das hat jetzt nichts mit „Nicht-Klein-Beigeben-Wollen“ zu tun. Ich hatte einfach das Bedürfnis nach Luft und Bewegung. Nach den ersten Häusern bog ich also wieder nach Links ab, lief parallel zum Wanderweg die nächste Straße wieder aufwärts und am Waldrand über die Promenade wieder links Richtung des Hofes, die neuerliche Begegnung mit den Forstbeamten in Kauf nehmend … Von Weitem sehe ich schon zwei helle Punkte auf mich gerichtet, die Gesichter der beiden Forsteler … Meine Gedanken schlagen Purzelbäume. Was wird jetzt passieren? Aber hatten der eine Beamten nicht vorher gesagt, wenn ich hier unten eine Runde machen wollte … wäre das in Ordnung gewesen? Das hieße doch, dass das, was ich gerade machte OK sei … zwar in Gegenrichtung, aber OK? Ich laufe an den beiden vorbei, lächle und winke zaghaft. Keine Reaktion … Puh, vorbei. Nun gehe ich auf die nächste Runde. Als ich dann die Straße wieder hoch laufe, kommt mir das Auto der Forstwache entgegen, die beiden Insassen sind mir zugewendet … vorbei sind sie. Glück gehabt. Nett war das aber nicht …. sich hinter dem Trunthof „verstecken“ und harmlosen einzelnen „Wanderen“ auflauern … und zwar am Waldrand, wo sich Fuchs und Henne gute Nacht sagen … Gibt es in der Stadt nicht größere Probleme …?
Ich laufe noch weitere drei Runden. Abzweigen und im Wald verschwinden? – Nein, das kommt nicht in Frage. Auf der einen Seite fühle ich mich im Recht und gleichzeitig redet doch das Gewissen auf mich ein: Wenn alle so täten … Also werde ich wohl in den nächsten Wochen schön brav daheim bleiben? Keine geheimen Ausflüge mehr? Nein, wäre mir doch zu peinlich noch einmal „erwischt“ zu werden …
Ich bin aber dankbar, dass ich zumindest im engen Umkreis laufen darf. Auf das Hörbuch kann ich mich aber nicht mehr konzentrieren. Dafür rechne ich vor ich hin: Entfernung zum Haus 300 Meter.. das heißt ein Radius von 300 Metern … Kreisumfang – Zwei mal Radius mal π – das wären dann … ja, das wären dann 1800 Meter pro Runde … bei fünf Runden dann 9 Kilometer… Jede Runde knapp 100 Höhenmeter macht an die 500 Höhenmeter … Kann sich sehen lassen … Man ist ja mit wenig zufrieden in diesen Zeiten …
Beim nochmaligen Lesen meiner Geschichte … Täglich höre und sehe ich in den Medien so viele schlimme Nachrichten, Geschichten von Menschen, denen es viel schlechter geht, die um ihr Leben und das Leben ihrer Familie bangen müssen, die wochenlang zusammengepfercht mit vielen Mitbewohnern ohne Garten und Balkon leben müssen, sich nicht mehr das Lebensnotwendige leisten können UND ICH BIN SO WAS VON EGOISTISCH … Für die kommenden Wochen werde ich mir vornehmen: ICH BLEIBE ZUHAUSE. Und nachdem eine Bekannte mir von ihren Erfahrungen bei 10-tägigem Aufenthalt im KH erzählt hat … und was die Ärzte und Schwestern leisten … ein verstauchter Knöchel gehört da im Moment wirklich nicht hin.
Das habe ich jetzt über eine Woche durchgehalten … erst heute wieder meine Ausgangssperren-Runde gelaufen.
Eine bedenkliche Entwicklung finde ich aber ist … die Watch Your Neighbor-Welle … Ein Kollege wurde von den Carabinieri-Beamten besucht, weil (wahrscheinlich) die lieben Anwohner beobachten und anschwärzen …
Hallo Gabi! Schon eine schlimme Zeit für Sportler wie du eine bist. Ich beweg mich auch nur auf meinen Wiesen, also in Hofnähe. Wenn man im Zentrum einer Stadt wohnen würde, dann wäre das echt schlimm. Ich schau alle Tage in die Mittagsscharte, in der Hoffnung ab Ostern doch noch auf Tour zu gehen! Alles Gute und gesund bleiben! Liebe Grüße! Konrad.
Danke! Dir auch alles Gute, Konrad und dass der Spuk bald vorbei ist …