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Frau allein im Wald. Kaum ist der Reißverschluss meines kleinen Zelts zu und ich eingemummelt in den Schlafsack, höre ich seltsame Geräusche. Ich halte die Luft an und lausche schockstarr mit weit aufgerissenen Augen. Was ist das da draußen? Das und warum ich am zweiten Tag mit dem Schimpfen gar nicht mehr aufhören kann – lest nach dem Video weiter …

hier meine Vorbereitung zu LnK

Premiere von Lakes ’n‘ Knödel:
730 km/ 15.200 Hm von Fuschl nach Bregenz graveln …
Durch den Wortlaut in der Ausschreibung habe ich das Ganze etwas unterschätzt … wahrscheinlich nicht nur ich …

Tag 1: Start – CP1 Blecksteinhaus:
233,11 km/ 3.302 m 
Bewegungszeit: 14:09:59

Pre-Start. So viele Leute, schauen alle so jung und professionell aus, es wird gefachsimpelt. So wie es aussieht werde ich da wohl im hinteren Drittel mitfahren werden. Besonders auch deshalb, weil meine Beine nicht ganz erholt sind nach den Strapazen des Panceltic-Ultra Race, das ich zwei Wochen zuvor gefinisht hatte; 2300 Kilometer der Küste Schottlands entlang mit unsäglich steilen Aufstiegen – das wird mir hier wohl erspart bleiben, DENKE ICH …

Ich freue mich auf ein paar Tage Radeln durch schöne Landschaften, Knödel essen, mit netten Leuten Erfahrungen austauschen, einfach eine feine Tour fahren, so wie es in der Ausschreibung irgendwie rüberkam. Wie ich mich da getäuscht habe …

Der erste Tag von Fuschl bis zu den ersten Bergen verspricht einfach zu werden. Ich fahre über 200 Kilometer, bis zur ersten Schlafpause. Naja, ganz so leicht ist es dann doch nicht. Ich erinnere mich an die Aussage Bastians beim Briefing: „Ihr werdet mich manchmal hassen …!!“  Immer wieder gibt es Abstecher ins Gelände und da wird es meist mega schlammig durch den Regen der vergangenen Tage und es gibt ein paar Schiebepassagen, mit 20 Kilo Rad & Gepäck ziemlich anstrengend.
Am Tag zuvor hatte ich ein Problem mit der Schaltung, die Clemens vom Hotel Jakob wohl durch Entfernen eines Kettengliedes behoben hatte, weiters war viel Luft aus meinem Hinterreifen entwichen und Finn von der Rezeption half mir Milch nachfüllen. Erst, als der Reifen richtig in die Felge sprang schien der Reifen dicht zu halten. Unterwegs merke ich jedoch, dass etwas Luft wieder raus war. Ich habe eine kleine Pumpe mit, feiner wäre halt eine ordentliche Standpumpe. Meine Nachfrage über einen Gartenzaun ist erfolglos. Ich frage noch, ob es einen Gartenschlauch gäbe, mit dem ich Rad und Taschen säubern könnte. Ja! Mit blitzblankem Rad fahre ich weiter, merke aber bald, dass das vergebliche Liebesmüh war, denn die Strecke führt fröhlich weiter durch Matsch. Eitelkeit ist hier wohl fehl am Platz.

Nach dem Chiemsee und Eis- und Kaffeepause radle ich weiter. Im Westen drohen dunkelgraue bleischwere Wolken. Ich habe Glück und fahre immer in die Richtung, in der es etwas heller ist. Dann aber eine riesige gelb-graue Wolkenwalze aus der es schon blitzt. Die Donner erschrecken mich, panisch suche ich einen Unterstand und finde ihn in einem Bushäuschen, bevor es voll anfängt zu schütten. Hier hocken schon zwei weitere Teilnehmer. Eine Stunde etwa müssen wir das Unwetter aussitzen.

Nun geht es etwas auf dem Inn-Damm weiter und in Raubling biege ich ab von der Strecke zu einer Tankstelle. Es gibt auf den nächsten etwa 100 Kilometern keine weitere Verpflegungsmöglichkeit. Eine fröhliche Runde trifft sich hier.

Bei Dämmerung fragte ich in einem Berggasthof nochmal um eine Pumpe. Erfolg. Der Chef des Hauses verschwindet nebenan im Haus, kommt mit einer altertümlich anmutenden Pumpe zurück und macht sich, bevor ich einen Einwand machen kann, an meinem Hinterrad zu schaffen, haut mit Gewalt die Pumpe auf das Ventil, pumpt etwas und zieht das Ding wieder ab. Oh, Schreck, Das Absperrventil sitzt nun schräg, es ist stark verbogen. Wenn ich das nun vorsichtig zurückbiege, bricht es womöglich ab … Also lasse ich es so, wie es ist, bekomme aber die Ventilkappe fast nicht mehr aufgeschraubt.

Weiter fahre ich in die Dunkelheit. Ich hatte laut Plan eigentlich vor, vor dem nächsten Berg zu schlafen, aber ich bin früher dran als gedacht und überquere diesen noch. Vor Bayrischzell finde ich einen kleinen Spielplatz, wie geschaffen für mein Nachtlager. Mein Zeltchen stelle ich auf und merke erst, als ich mich darin einrichte, dass das Gelände nicht eben ist. Ich rutsche immer wieder von der Matte, die Nachtruhe ist dementsprechend unruhig.

Früh, gegen drei Uhr, packe ich. Viel zu lange brauche ich, um meine Siebensachen zu systemieren, wo ist bloß der zweite Socken und wo nur der Handschuh? Das Stirnband finde ich auch erst nach langem Kramen. Hier im Zelt ist anziehen sowieso eine Bauchmuskelübung, da es so nieder ist. Ich fahre weiter. Der Bäcker im nächsten Ort hat natürlich noch nicht auf.

Tag 2: CP1 – CP2 Plumsjoch-Hütte
145,57 km/ 4.303 m
Bewegungszeit: 14:10:29   
    

30 Kilometer sind es noch bis zum CP1 auf dem Blecksteinhaus nahe dem Spitzingsee.

Landschaftlich ein Traum, es geht über Almen, durch eine Schlucht bis ins Valepp. Hier war ich dieses Jahr bei der Watzmann-Arber-Rundfahrt (600km/ über 10.000Hm mit dem Rennrad) schon mal. Die schmale Straße führt in angenehmer Steigung durch ein Tälchen nach oben. Dachte ich, denn mein Track führt parallel dazu, immer in Sichtweite der Straße über groben Schotter. Immer wieder muss ich absteigen, denn es sind geröllgefüllte Gräben zu durchschiebe. Zu allem Überfluss fängt es nun auch noch an zu schütten. Regenzeug raus. Die Füße sind im Nu klatschnass. Durchnässt komme ich bei CP1 an. Es gibt einen leckeren Knödel auf Salatbeet.  Ein ungewöhnliches Frühstück, gibt aber Kraft für die Weiterfahrt. Und es gibt eine Luftpumpe!

Inzwischen hat es aufgehört zu regnen und ich breche wieder auf. Über den Spitzingsattel bis zum Schliersee natürlich nicht bequem über die Teerstraße, sondern im Gelände. War am Tag zuvor einiges auf Asphalt, so dreht sich das Verhältnis heute um, angenehmen Teer gibt es nur noch selten. Das Wetter ist durchwachsen. Immer wieder nieselt es

In Gmund am Tegernsee fülle ich meine Reserven auf für die nächsten einsamen 100 Kilometer etwa. Auf einem schmalen Fußgängerbrückchen kreuze ich einem Spaziergänger mit Hund: „Wer hotn sich dera Streckn ausgsuacht? De Radler  schindn sich olle wie di Verrucktn. Wo miaßtn es hin? Ja, des gang jo do untn viel leichter ibr di Stroßn!“ Ich frage: „Ist es verboten?“ – „Na, obr do isch jo kniehoach Sumpf!“

Heute wird es laut Plan mega „böse“, Einsamkeit, viele Berge, große Steigungen. Wo ich wohl am Abend landen werde? Das Karwendel darf man jedenfalls nur tagsüber befahren, Disqualifikation, wer sich zwischen 20 Uhr und 6 Uhr früh zwischen Pertisau am Achensee und Scharnitz aufhält.

Die Strecke führt nun durch dichten Wald der bayrischen Voralpen. Sehr steile Steigungen zwingen mich zu ziemlich einigen langen Schiebepassagen. Wegen Holzschlägerungsarbeiten war die Strecke kurzfristig umgeleitet worden. Ich hatte den neuen Track auf meiner Garmin. Es ist inzwischen sehr heiß, im Wald angenehm. Nach einer steilen Abfahrt nach Bad Wiessee am gleichnamigen See lege ich eine Mittagspause auf einer Bank ein. Während ich mein Sandwich verspeise, schaue ich zufälligerweise mal auf der Trackerplattform nach. Komisch, da wo ich bin, ist kein Teilnehmer, alle sind etwas weiter oben im Wald.

Verwirrt rufe ich Bastian an, der kann sich das auch nicht erklären. Meine Garmin zeigt mir an, ich sei richtig, laut Livetracking bin ich aber abseits der Strecke. Zu allem Unglück blockiert meine Garmin und ich muss erst googeln, wie ich sie ganz ausschalten und neu starten kann. Das gelingt zum Glück. Bastian hat mir angesagt, ich müsste kurz zurück zur Strecke. Kurz, ja, aber die 20% Teerstraße in der prallen Sonne hochschieben, ist kein Vergnügen.

Im Wald dann fädle ich vermeintlich richtig ein.  Garmin scheint einverstanden zu sein. Ich schiebe ein überaus steiles Tal hoch, als ich bemerke, dass die Linie auf meinem Navi, der ich folgen muss, nicht dunkelviolett ist, sondern heller. Schreck! Das bedeutet, das Navi zeigt eine Ausweichstrecke. Was, wenn die mich nicht richtig leitet?  Es wird immer steiler, manchmal rutsche ich mit meinen Schuhen zurück. Wenn ich nun die ganzen Höhenmeter wieder runter muss? Das würde ich wohl nicht packen. Und was, wenn das zur Disqulifikation führen würde, weil ich ja offensichtlich falsch bin. Fast bin ich den Tränen nahe, da sehe ich vor mir einen anderen sein Rad schieben. Erleichterung! Dann bin ich wohl doch auf der korrekten Spur.

Weiter oben fädle ich in den dunkelvioletten Track ein. Gerettet! Bei einer Hütte treffe ich auf mehrere Leidensgenossen. Die sind alle das Tal hochgeschoben.

Es geht nun bergab. Bald auch hier eine Schiebestrecke. Einige mutige Gravelbike-Fahrer überholen mich halsbrecherisch. Etwas weiter aber hole ich sie wieder ein. „Ich habe grad meine Hose geschräddert!“, berichtet der eine.  Zum Glück ist nicht viel passiert, nach Desinfektion der Wunde am Oberschenkel fahren die beiden auch weiter. Mich bestärkt das darin, vorsichtig, wenn dadurch auch langsamer zu fahren.

An der Grenze zu Österreich ist es nach weiteren zermürbenden Schiebestrecken und gegenseitigem Leidklagen schon später Nachmittag. Ein Grüppchen begibt sich in die nächsten beiden Anstiege. Was da wohl auf mich noch zukommen würde? Ich beschließe ein paar Hundert Meter von der Strecke ab in einem Gasthof noch eine Suppe zu essen und mich dann an den Aufstieg zu machen.

Zehn Kilometer geht es nur auf eine Alm hinauf. Wider Erwarten ist (fast) alles fahrbar. Dann hinunter nach Steinberg am Rofan und wieder hoch, steiler nun. Nach einer Alm wird es noch steiler. Der Weg ist ausgewaschen und führt über faustgroße Steine. Am höchsten Punkt verliert sich der Weg auf einer Almwiese. Irgendwie bleibe ich auf der vom Navi vorgegebenen Spur und finde den Weg wieder. Schiebestrecke, dann ab einer Alm wieder fahrbar, in Richtung Achensee. In Österreich ist es strengstens verboten zu biwakieren, auch Notbiwaks sind nicht erlaubt.

Meine Idee, irgendwo am Ufer des Achensees zu schlafen, gebe ich auf. Ich finde aber auf der Almstraße kurz vor Achenkirch ein Plätzchen neben dem Almweg. Der Schlaf ist kurz, aber erholsam, ich stelle den Wecker noch zweimal um 10 Minuten weiter, ich habe ja keinen Stress, ob ich um 6 Uhr Richtung Plumsjoch starte oder etwas später, ist egal.

Packen, was diesmal schon schneller geht, fast jeder Handgriff sitzt. Bis ins Ziel werde ich wohl Profi.

Vorgangsweise am Abend: Platz finden, Zeltutensilien raus aus der Cyclite-Lenkerrolle, Unterlage ausbreiten, Zelt aufstellen, ordentlich spannen, Schlafsack raus, Matte aufblasen, Kopfkissen ebenso. Umziehen und alles in den Schlafsack stopfen, Schlaf-Shirt an, Jacke darüber und Primaloftjacke darüber, frische Socken an, dünne Hose an, Pflegecreme auf Allerwertesten, Regenhose auch an, Zähne putzen, in Schlafsack schlüpfen, Zelt zu, Licht aus.

Vorgangsweise am Morgen: Zeug aus Schlafsack rausfischen, in richtiger Reihenfolge neben mir hinlegen, im Zelt aufsitzen, Schlafzeug ausziehen, Radzeug an, Matte und Kopfkissen aufstöpseln, alles in die richtigen Hüllen stecken, Zelt aufreißverschlussen, in die Schuhe steigen, Schlafzeug in Beutel und in die richtige Tasche stecken. Zelt abbauen und mit Matte, Unterlage und Kopfkissen sowie mit dem Schlafsack in die Lenkerrolle packen. Schauen, ob alles aufgeräumt ist. Taschen richtig vertäuen, nochmal kontrollieren, ob alles festsitzt und losfahren.


Tag 3: CP2 – CP3 Vilsalpe
180,04 km/ 4.190 m  
Bewegungszeit: 16:51:19
                   

Am Achensee in die Morgendämmerung hineinzufahren ist sagenhaft schön. Am anderen Ufer kann ich auch Pertisau schon sehen, von wo es dann bitterböse werden sollte.

Tankstellenstopp mit Kaffee und Brioche. Noch ein paar Brote gekauft und los geht es.

Bald nach Pertisau geht es dann wirklich hoch. Bekannte hatten mich schon vorgewarnt, hier sei mit Fahren wirklich nichts mehr.

Am Fuß des Berges hält mir ein Bergsteiger ein Gatter auf. Zusammen machen wir uns an den Aufstieg. Mit etwas Quatschen vergehen die Zeit und die Strecke schneller. Mein Begleiter meint, solange ich reden könne, sei es auch nicht so anstrengend … Auf etwa Halbweg lasse ich meine Begleitung ziehen. Hinter mir kommen auch weitere Radschieber nach. Wir klagen uns etwas unser Leid, ich schiebe weiter. Richtig schwer fällt es mir eigentlich nicht, denn ich wusste ja, was auf mich zukommt. Trotzdem schlaucht die Strecke ganz schön: etwa 7 Kilometer mit gut 700 Höhenmetern. So steil teilweise, dass mich das Gewicht meines Rades mehrmals fast umwirft. Dann weiter oben einige Gestalten. Lakes ‚n‘ Knödel – Fotografen.  Schweiß von der Stirn wischen, gute Miene zum bösen Spiel machen und einen Schritt zulegen. Als sie wieder aus Sichtweite sind, schleppe ich mich weiter. Nun ist aber die Hütte, die zweite Kontrollstelle nicht mehr weit. Und Kaspress-Knödel in der Suppe gibt es und Kuchen. Karte gestempelt und schon bin ich wieder in der Abfahrt.

Wie immer muss man höllisch aufpassen. Erholsam sind die Abfahrten kaum mal: große Steine, ausgewaschene Rinnen, feine Steinhaufen, alles Fallen, die schnell zum Sturz führen, wenn man unkonzentriert ist und nicht aufpasst.

Im Talgrund angelangt geht es ein paar feine Teer-Kilometer der Riss entlang, bevor es wieder ernst wird. Nun gegen Mittag ist der steile Forstweg zum Kleinen Ahornboden schweißtreibend heiß. Dort angelangt gibt es Kühlung am Brunnen.

Gefürchtet hatte ich mich vor dem Weg zum Karwendelhaus. Diesen war ich zweimal abgefahren und hatte dabei meine Probleme. Wie sollte ich da hochkommen? Es waren noch 4 Kilometer und einige Höhenmeter zu überwinden. Ich schiebe auf dem gerölligen Weg los. Nach etwa 200 Metern merke ich, dass ich schiebenderweise, wohl am Abend noch nicht beim Karwendelhaus angelangt sein würde. Ich steige auf mein Bike und es geht etwas trickreich, aber im Sattel langsam bergauf.

Die Hütte klebt wie ein Adlerhorst ausgesetzt auf einer Felsnase. Sagenhafter Platz. Nach einer Linsensuppe nach Omas Art mache ich mich an die Abfahrt nach Scharnitz. Die 18 Kilometer könnten rasante Abfahrt sein, aber man darf sich nicht verleiten lassen zu unbedachter Schnelligkeit. Der Forstweg birgt Gefahren, wie Rinnen, lose Steine, … Am Tag danach sollte der Hubschrauber zu mehreren Einsätzen in das Tal fliegen müssen. Unterwegs holt mich die Müdigkeit ein. Ich gönne mir 10 Minuten Powernap. Dann weiter. Kurz vor Scharnitz habe ich einen kleinen „Umfall“. Nach Fotopause will ich aufsteigen, der rechte Fuß steckt schon in den Klickpedalen. Ich bekomme das Übergewicht, kippe nach rechts und das gesamte Gewicht meines Körpers, des Rades und des Gepäcks landet auf meinem Knie. Auaa!!!! Die Kniescheibe scheint seltsam eingedellt. Ist die immer so? Es schwillt auch gleich etwas an und schmerzt in Folge bei jeder Kurbelumdrehung und besonders auch beim Laufen kann ich das Knie nicht ganz durchstrecken.

Nach dem unvermeidlichen Tankstellenstopp, hier gibt es aber nichts Gescheites, geht es in der Hitze weiter. Etwas kupiertes Gelände. Ich entdecke, dass sowohl Smartphone- als auch Garmin-Akku fast leer sind. Auch die Powerbank gibt keine Power mehr her. Da ich nirgends schnell fahren kann, geht das Laden unendlich langsam bis gar nicht. Oje, was wenn ich plötzlich ohne Navi dastehe und ohne Möglichkeit zu kommunizieren. Ich stecke den Ladekabel immer wieder um und beobachte argwöhnisch das Laden. Wasser habe ich auch fast keines mehr.

Ein Lichtblick. Bei Lermoos am Anfang des sehr schönen Aufstieges der Leutascher Ache entlang gibt es ein WC-Häuschen – und frisches Wasser. Kurz etwas Körperpflege und Vorräte in Trinkrucksack ergänzt und eingefädelt in das Tal. Die Steigung ist angenehm und meine Geräte bekommen etwas mehr Strom und ich Motivation auch dadurch, dass ich erkenne, hier schon mal gewesen zu sein. In umgekehrter Richtung bei der Schottergaudi.

Irgendwann bin ich dann an der Abzweigung zum „Gegenverkehrsbereich“ Richtung Seebensee. 4 Kilometer musste man hoch, dann wieder runter. Am Anfang treffe ich auf ein Paar, das da wohl schon oben war. Haben die es gut. Warum mussten wir überhaupt da hoch?

Als ich ankomme, weiß ich warum … Der See, der gegenüber der Zugspitze in die Felsen eingebettet ist, ist eines der schönsten Plätze der Tour. Hier treffe ich wieder auf einige Leidensgenossen, die sich grad anziehen. Gute Idee! Ein Bad. Schnell aus den Kleidern geschält und in die kühlen Fluten. Traumhaft. Und nachts musste ich nicht so schmutzig-klebrig in den Schlafsack klettern. Das Beweisfoto habe ich dann doch wieder aus meinem Video entfernt … nackig im See …

Abfahrt nach Ehrwald. Sehr steil. Und da war ich schonmal hochgefahren …

In Ehrwald geselle ich mich zu einem lustigen Grüppchen bei einer Pizzeria al Taglio und verspeise eine Margherita, bevor ich in die Dämmerung starte. Flott geht es durch die Dunkelheit zum Heiterwanger See. Dort wird es spannend. Am Ufer entlang führt zunächst einsam ein Forstweg. Nach Überquerung des Sees und Änderung des Namens in Plansee, warum auf immer, denn das Gewässer hängt zusammen, führt ein schmaler Wanderweg weiter am Ufer entlang. Rechts kann man das Wasser nicht erkennen, nur dass es steil nach unten geht. Vorsichtig „eiere“ ich weiter. Hier allein ein Fahrfehler und niemand würde mich finden, wenn ich den Abhang runter stürzte und/ oder gar ins Wasser fiele.

Irgendwann treffe ich wieder auf ein paar Kollegen, es geht an deinem Campingplatz vorbei. Was nun? Dort einchecken ist nicht mehr möglich. Die Gruppe will noch bis Reutte fahren, das hatte ich eigentlich auch vor. Aber es war schon fast Mitternacht und es ging noch über zwei Berge. Ich ließ die Gruppe ziehen.

In feiner Steigung führte der geschotterte Radweg durch den Wald. Da! Ein ebener Platz neben dem Weg. Der Boden ist jedoch angepresst und steinig, ob ich da wohl meine zelt-Heringe reinbekäme. Ich nehme einen aus der Rolle. Nichts zu machen. Mit dem Hering in der Hand fahre ich weiter. Immer wieder steige ich ab und kontrolliere den Boden. Bis ich einen passenden Platz gefunden hatte, etwas abseits vom Weg war der Boden nicht so verdichtet.

Frau allein im Wald. Kaum ist der Reißverschluss meines kleinen Zeltes zu und ich eingemummelt in den Schlafsack, höre ich seltsame Geräusche. Ich halte die Luft an und lausche schockstarr mit weit aufgerissenen Augen. Was ist das da draußen? Immer wieder diese komischen Geräusche. Mucksmäuschenstill lausche ich weiter … da, wieder! Auf einmal muss ich lachen … ich komme nämlich drauf, was das für Töne sind: mein Magen grummelt vor sich hin; er ist wohl noch mit der Pizza Margherita beschäftigt … Erleichterung. Jetzt kann ich beruhigt einschlafen und das mache ich.

Tag 4 & 5: CP3 – Finish in Bregenz
173,08 km/ 3.415 m  
Bewegungszeit: 13:29:50  
     

Kurz vor der Morgendämmerung bin ich wieder im Sattel. In Reutte wartet Frühstück. Ein Bäcker hat schon ab 5:15 Uhr auf. Ich bin froh, in der Nacht nicht mehr weiter gefahren zu sein, denn eine tiefe Schlucht musste durchquert werden. Runter schieben und aufpassen, dass man nicht links den Abgrund runter kippt, über eine kleine Brücke und auf der anderen Seite über unregelmäßige Stufen das Rad nach oben hieven. Eine fast unmenschliche Anstrengung bei DEM Gewicht.

Aber geschafft und auf dem Weiterweg ins Tal schieße ich noch ein Biwak-Foto zweier Radler.

Es ist fast 8 Uhr, als ich Reutte erreiche. Der Bäcker hat eine sagenhafte Auswahl, ich schlemme und lasse mir einiges einpacken, denn auch jetzt folgt eine lange Strecke durch die Einsamkeit. An den Weiterweg kann ich mich kaum erinnern. Meine Schaltung, die in den letzten Tagen wieder Probleme zeigte, hängt immer wieder. Ich habe den leichtesten Gang zur Verfügung – zum Glück. Aber die nächsten drei sind ausgefallen. Erst die höheren Gänge kann ich wieder schalten. Wenn das nur gut geht. Hoffentlich ist das nicht Anzeichen, dass mit dem Schaltkabel etwas nicht in Ordnung ist, dass dieser irgendwann bricht.

Einige Höhenmeter sind zu erledigen, bis zum CP3 am Vilsalp-See.

Dort gibt es wieder Knödel und in der Mittagshitze gönne ich mir ein Bad. Beim Wegfahren, oh Schreck! Ist kaum mehr Luft im Hinterreifen. Ich krame die Luftpumpe raus. Nach der schnellen Abfahrt nach Tannheim pumpe ich nochmal nach. Auf dem Weiterweg scheint die Luft zu bleiben. Schlauch einlegen wäre keine Option, denn ich würde es nicht schaffen, den Reifen von der Felge zu bekommen, der war völlig festgeklebt, das hatte ich am Tag vor dem Rennen gemerkt. Blödes Gefühl so hilflos im Falle einer Panne zu sein. In der Gegend gab es seltsamerweise nicht mal einen Radverleih.

Die folgenden Kilometer sind sehr schnell auf einem geschotterten Radweg. Fast 30 Kilometer, bis auf meinem Planungsprofil ein steiler Aufstieg ins Auge stach. Und wie steil der sein sollte. 5 Kilometer mit 500 Höhenmetern reine Schiebestrecke in der sengenden Sonne. Ich schimpfe wieder mal über die Streckenführung. Denn es geht hoch zur Kappeler Alm, nur um auf der anderen Seite steil wieder runterzufahren.

In Oy Supermarktstopp. Endlich komme ich zu meinem geliebten Kefir und etwas Obst. Herrlich. Dann weiter. Der Rottachsee lädt wieder zu einem kühlen Bad ein. Dann nochmal eine Schiebestrecke.

Wegen eines Erdrusches gibt es nun eine Umleitung bis fast Sonthofen. Viele Kilometer rasante Abfahrt auf Asphalt. Hatte ich mir vorgestellt in Sonthofen gemütlich was essen zu gehen, so werde ich enttäuscht. Ich finde nahe der Strecke nur eine Imbissbude. Dort allerdings gibt es einen riesigen Salatteller und die Welt ist wieder in Ordnung.

Etwas auf und ab geht es nun durch Allgäuer Dörfer. Ich möchte mir nun langsam einen Schlafplatz suchen. Aber nichts Geeignetes in Sicht. Irgendwann beginnt eine für den normalen Autoverkehr gesperrte Mautstraße. Links und rechts der Straße nur dichtes Kraut. Oje und ich bin müde. Unerwartet eine kurze Stichstraße nach links. Sie führt hinter einen Baum und sichtgeschützt kann ich hier mein Zelt aufbauen. Neben mir Flussrauschen. Ich schlafe gut, bin aber auch heute am letzten Tag wieder früh auf.

Es sollten nur noch knapp 80 Kilometer zum Ziel sein. Die führten erst über eine Hochfläche, dann vorbei an ein paar Weilern. Frühstück keines in Sicht. Und als ich wieder in die komplette Einsamkeit abtauche, bin ich etwas unmotiviert, denn immer wieder muss ich schieben. Wie langsam die Kilometer herumgehen. Grenze zu Österreich, Vorarlberg, die Gegend heißt Sibratsgfäll. Nach der Abfahrt ein Lichtblick, ein Spargeschäft in Großdorf, das ich auf meiner Planung nicht auf dem Schirm hatte. Dann eine schöne Fahrt der Bregenzer Ach entlang, bis der vorletzte Berg vor mir liegt.

Aber alles nicht so schlimm, man kann wider Erwarten alles fahren. Vor der Abfahrt verfranze ich mich im Blaubeerwald. Viele kleine Wege und keiner scheint der richtige zu sein. Ich schiebe zurück auf die Straße, falsch, also doch durch den Wald. Zu allem Übel fängt es auch an zu regnen. Ich fädle wieder in die richtige Spur ein, fahre talwärts. Ein Donnergrollen. Jetzt erst sehe ich die schwarzen Wolken. Der Regen wird stärker. Sturmböen. Weiter vor sehe ich glücklicherweise eine Ortschaft und rette mich unter ein schützendes Dach.

Als das Schlimmste vorüber ist, fahre ich weiter. Ein Anruf Bastians. Ich solle Straße weiterfahren und nicht ins Gelände. Die Straße solle ich aber noch „genießen“. Bei der Weiterfahrt merke ich, was er damit meinte: über 18% Steigung, lange. Der Ehrgeiz lässt mich aber nicht absteigen, bald sei ja alles vorbei.

Dann die letzte Abfahrt. Unter mir liegt der Bodensee und Bregenz. Am Ufer noch ein obligatorisches Bild, dann muss ich durch die Fußgängerzone schieben. Auch das noch. Die Strecke verlief parallel zur Uferpromenade.

Mittwoch Mittag. Nicht mehr viele Meter und ich bin da. Eine Reise gemischter Gefühle ist zu Ende. Wie immer ganz plötzlich und ich stehe etwas verloren da … Erleichtert, die Strapazen hinter mir zu haben und irgendwie traurig, dass alles schon vorbei ist …


Ich bin super zufrieden:
4 Tage/ 3 Stunden/ 46 Minuten
Platz 5 Damen
Platz 40 overall (111 Solo-Starter*innen)

Bis zum nächsten Abenteuer!!!