italiano ….. english

Silk Road Mountain Race 2023 1892 km mit 29599 Höhenmetern durch Kirgisistan. Bericht von Christian Biehl

Schon seit der ersten Ausgabe im Jahr 2018 träumte ich davon, an dieser Veranstaltung teilzunehmen.


Fast ausschließlich über nicht asphaltierte Wege, durch abgelegene Gebiete, hohe unwegsame Gebirgspässe, Hochebenen, Geisterstädte, entlang großer Bergseen und der Grenze zu Kasachstan und China.

Temperaturunterschiede von -10° bis +40°. Lange Abschnitte ohne Verpflegungsmöglichkeit. Nur 50-60 % der Teilnehmer schaffen es in der Regel innerhalb der 14 Tage bis zur Finisherparty ins Ziel. Klingt nach einem verlockenden Abenteuer.

Meine Ausrüstung: Siehe hier

Akklimatisation: Ich war mit meiner Frau eine Woche vor dem Start in Karakol, einem Ort, der bei Trekkern sehr beliebt ist. Ich habe mich entschieden, zur Anpassung an die Höhe (schon an den beiden ersten Renntagen muss ein 3400 m und 3900 m Pass überquert werden) eine 3 Tages-Wanderung zum Gebirgssee Ala Kul zu machen. 2 Nächte auf 3000 m und eine Passüberquerung von 3900 m gehen ordentlich in die Knochen.
2 Tage vor dem Start sind wir wieder zurück, ich montiere mein Rad und treffe viele Mitstreiter. Die Anspannung ist förmlich greifbar. 144 Fahrer*innen aus 29 Ländern quer durch alle Altersgruppen. Es sind auch einige Fahrer 60+ dabei.

Tag 1: Die übliche Anfangshatz
Start 12. August 09:00 Die ersten 40 km neutralisiert. Danach entzerrt sich das Feld schnell. Wie immer viel zu schnell unterwegs, möglichst wenig Pausen. In einem Laden, in der letzten Siedlung für die nächsten 200 km, werden noch einmal Flaschen und Taschen gefüllt. Entlang der kasachischen Grenze geht es durch ein malerisches Tal zum ersten Pass (3400 m).  Hinter dem Pass über Single Trails in Richtung Enilchek, einer verlassenen Bergbaustadt im chinesischen Grenzgebiet. Gegen 20:15 in der einsetzenden Abenddämmerung beschließe ich kurz vor einer Flussüberquerung mein Nachtlager aufzuschlagen und nicht bis zum CP1 (noch 44 km) durchzufahren. Ich bin müde und hungrig und will nicht gleich am ersten Tag überzocken. 176 km mit 2300 hm



Tag 2: Erster Checkpoint und hoher Pass
Schon 04:20 sitze ich wieder auf dem Rad bzw. schiebe es barfuß durch einen Fluss. Durch eine spektakuläre Schlucht geht es zuerst 13 km über eine Naturstrasse bevor die Abzweigung in Richtung Enilchek kommt. Eine Asphaltstraße führt 300 hm hinab zum CP1. Einige Fahrer, die vor mir liegen kommen mir entgegen. CP1, in einer verlassenen Baracke erreiche ich gegen 07:00. Ich frühstücke Rührei und Porridge, trockne währenddessen mein Zelt, fülle meine Wasserblase auf und weiter geht es. Gegen 14:00 stehe ich nach 62 km Anstieg auf dem 3800 m hohen Pass. Die nachfolgende Abfahrt bis zum Yssykul See auf 1700 m Höhe ist gewaltig. Leider bläst im Tal der Wind von vorne.

Entlang des Sees ist es heiß und sehr staubig. Jedes passierende Auto hinterlässt eine Staubfahne. Mein Merino Buff ist hier Gold wert und wandert ständig hoch und runter. Um 20:00 erreiche ich einen Ort, wo es laut Google Maps eine Unterkunft geben soll. Leider sind diese in Kirgisistan nicht als solche zu erkennen. Gemeinsam mit Rob, einem 62-jährigen Professor aus NY, klopfen wir an dem vermuteten Haus. Tatsächlich können wir uns eine Jurte teilen. Eine Dusche gibt es auch und der Gastgeber lädt uns zu Gebäck, Salat und Tee ein. 216 km mit 2137 hm

Tag 3: Gewaltige Landschaft und Fahrradpanne
05:45 bin ich wieder auf dem Rad. 37 km, meist über eine viel befahrene Straße bis Saruu. Hier geht es in das Djuuku Tal. 60 km mit 2121 hm zeigt mein Tacho an. Das Tal ist eines der Schönsten des ganzen Rennens. Bis 7 km vor dem Arabel Plateau ist es meist fahrbar. Zahlreiche Flussdurchquerungen, die meisten, ohne abzusteigen. Zwischendurch koche ich mir ein Mittagsmahl (Tischlein deck Dich von Jentschura). Am Ende über 2 Stunden Schinderei, das Fahrrad über Geröll schiebend und tragend hinauf aufs Plateau auf 3700 m Höhe. Gegen 16:00 bin ich endlich oben. Strahlender Sonnenschein, aber ein kalter Wind bei nur noch 3° Lufttemperatur.


In meiner Euphorie passe ich kurz nicht auf und krache scheinbar mit meinem Schaltwerk auf einen Felsen, welches prompt bricht. Der Versuch, das Fahrrad auf Single-Speed umzubauen funktioniert nur leidlich. Zu allem Übel bleibe ich kurz danach mit meinem Vorderrad in einem Bach stecken und falle mit der linken Seite in den nassen Schlamm. Eine Stunde vor Sonnenuntergang auf dieser Höhe nicht wirklich lustig. Gerade als ich mein Zelt aufbauen will, entdecke ich einen blauen Container.

Die Tür steht auf und innen sind 2 Bunk beds. Den schickt der liebe Gott. Später stoßen noch ein russisches Pärchen und ein Kirgise dazu. Die Nacht ist eisig kalt. Morgens sind meine nassen Handschuhe und Schuhe steif gefroren.
100 km 2530 hm



Tag 4: Zwangspause

Mein Rad kann nur in Bishkek repariert werden, was ca. 7 Autostunden entfernt liegt. Dazu kommt, dass ich mich auf einem entlegenen Hochplateau befinde, wo es irgendwo eine kanadische Mine geben soll. Ins Tal sind es 40 km, wovon mindestens 17 km nicht fahrbar sind mit meinem defekten Schaltwerk.

Missmutig und verzweifelt begebe ich mich zur Straße. Ich bin gerade mal 5 Minuten unterwegs, da hält ein Jeep mit 3 Einheimischen. „What’s your problem?“  „My bike is broken“ „Shall we take you”
Es stellt sich heraus, dass es Arbeiter der Mine sind, die jetzt 2 Wochen Heimaturlaub haben und nach Bishkek fahren!!!!! Um 16:00 laden sie mich direkt am Fahrradladen ab. Das Schaltwerk und die Kette sind in 30 Minuten repariert. Heute direkt wieder zurückzufahren würde keinen Sinn machen. Erstens würde mich wahrscheinlich niemand in der Nacht dort hochfahren und zweitens wäre es auch grenzwertig, nach insgesamt 14h Fahrzeit dort bei Minus 10° um Mitternacht anzukommen. Ich nehme mir eine Unterkunft, wasche meine Klamotten, schlage mir den Magen voll und bestelle ein Taxi für 04:00 am nächsten Morgen.

Tag 5: Wieder auf Strecke
Nach 7h Autofahrt bin ich nach 27h Auszeit um 11:15 wieder oben auf dem Plateau und kann überglücklich meine Fahrt fortsetzen. Laut Tracker bin ich etwa an 120. Stelle. und kurz vor der virtuellen Schnecke. 20 km kämpfe ich mich gegen den Wind über die Hochebene. Zuerst entlang der staubigen Straße, am Ende über Single Trails. Es hagelt zwischendurch und die Temperatur fällt auf 3°. Über steile Serpentinen geht es hinunter ins Jyluu Suu Valley. 100 km leicht bergab über saftige Wiesen, durch unzählige Bäche, flankiert von majestätischen Bergen. Traumhafte Kulisse. In 6 Stunden treffe ich nur eine Handvoll Menschen. Dafür hunderte Pferde, Schafe, Rinder, Yaks und Murmeltiere. Gegen Abend wird es wieder etwas hügeliger. So manches Mal muss ich das Rad schieben. Irgendwann verengt sich der Weg in einen Canyon. Erst gegen Mitternacht finde ich endlich eine Stelle, wo ich mein Zelt aufschlagen kann.
144 km 1474 hm

Tag 6: Naryn-Sandsturm
06:45 sitze ich wieder auf dem Rad. Gerade als ich losfahren will, fährt Katja Kircher vorbei. Ihr ist vor 80 km eine Sattelschraube gebrochen und sie fährt seitdem ohne. Ihre schwere Satteltasche hat sie an ihrem Rucksack festgebunden. Wahnsinn. Es sind noch 60 km bis zur Stadt Naryn. Ich freue mich auf Essen, Katja auf eine Reparatur. Naryn ist auch bekannt unter dem Namen „Scratch City“. Viele steigen hier aus dem Rennen aus. Ich pausiere ca. 2 Stunden, in denen ich eine Pizza, Kuchen und Eis esse und mich für die nächsten 2 Tage mit Verpflegung eindecke.  In der Mittagshitze bei mittlerweile 33° nehme ich den Anstieg aus der Stadt in Angriffe. 600 hm über eine gut ausgebaute Straße. Es liegt ein Gewitter in der Luft, die Luft ist staubgeschwängert. Fast wie in einem Sandsturm. Vor einem Magasin (so heißen hier die Läden) esse ich eine Dose Fisch mit Brot, bevor es in Richtung Kel Suu, dem CP2 geht. 19:30 erreiche ich eine große Wiese an einem Bach. Dort beginnt der Aufstieg zum Hochplateau an der chinesischen Grenze wo der CP2 liegt. In Anbetracht der Tatsache, dass der Weg dorthin noch mindestens 7 Stunden dauert und es auf 3400 m Höhe bestimmt eisig kalt wird, entschließe ich mich für eine frühe Rast.
134 km 1913 hm

Tag 7: Kel Suu-CP-Chinesische Grenze
Schon um 05:15 sitze ich wieder im Sattel und fahre 600 hm zum Hochplateau. Dort ist ein militärischer Checkpoint, wo ich meinen Pass vorzeigen muss. Wir haben eine Sondergenehmigung.
Das Wetter ist heute etwas durchwachsen. Immer wieder kurze Schauer. Regenkleidung an/aus im stündlichen Wechsel. 12:30 erreiche ich den CP2. Ein Jurtcamp in einem spektakulären Hochtal. Leider sind die Berge wolkenverhangen. Die Mitstreiter, welche am Vorabend entschieden haben weiterzufahren, scheinen eine harte Nacht hinter sich zu haben und sind ohne Schlaf erst kurz vor mir angekommen.

Durch den Regen waren die Wege wohl zu einer klebrigen Masse geworden. Das blieb mir erspart. Das Essen im Camp lässt keine Wünsche offen. Nach 1 Stunde Carboloading nehme ich die berüchtigte „Old Russian Road“ in Angriff. 320 hm auf 1,7 km. 1 Stunde Push-a-bike vom Feinsten. Danach eine traumhafte, recht technische Abfahrt über Single-Trails, gefolgt von einer 80 km schnurgeraden Gravel-Road. Mein Ziel, die Hälfte der Strecke (941 km), erreiche ich kurz vor Mitternacht. Im Dunkeln erkenne ich den Grenzzaun zu China. Lehne mein Fahrrad dran und baue in Windeseile mein Zelt auf. Die Temperatur ist bereits unter 0. Kein Wunder bei einer Höhe von fast 3600 m.
177 km 2224 hm

Tag 8: Von der Kälte in die Hitze
Im Morgengrauen wache ich auf. Das Zelt ist mit Eis bedeckt. 06:45 drehen die Räder in Richtung Torugart, einem Grenzübergang nach China, der wegen Corona für fast 2 Jahre geschlossen war. Endlose Lastwagenkolonnen prägen das Bild. In einem alten Bahnwaggon bietet eine Kirgisin den Truckern, und nun auch Radfahrern, Essen und heiße Getränke an. Ihr Sohn begrüßt dank MapProgress-Tracker die Fahrer mit Vornamen. Moderne Zeiten. Es folgt eine der wenigen asphaltierten Abschnitte der Tour. Schnurgerade fällt die Straße um 600 hm hinab in Richtung Naryn. Kurz nach Mittag wieder Gravel. Anstieg 10 km, 500 hm bei 30° in der Mittagshitze. Ätzend. Ein weiterer Pass mit einigen Schiebepassagen. Hinter dem letzten Anstieg eine veränderte Landschaft. Trockene, ausgewaschene Canyons, rote Erdtöne. Das Auge kann sich kaum satt sehen. Nach einer 35 km Abfahrt erreiche ich um 19:00 die Stadt Baetov. Ein Hotel aus der Sowjetzeit das seine besten Zeiten hinter sich hat ist jetzt von den Silk Road Fahrer*innen belagert. Es gibt ein leckeres Abendessen, Waschmaschine und einen nahe gelegenen Supermarkt. Das Leben kann so schön sein. 173 km 1546 hm

Tag 9: Hitzeschlacht
Nach einem üppigen Frühstück bin ich um 05:50 wieder auf der Strecke. Der heutige Tag fordert mir einiges ab und ich bin kurz vor einem Hitzschlag. Zuerst 80 km über eine übelste Waschbrettpiste, gefolgt von einem langen Anstieg über einen 2900 m hohen Pass bei bis zu 37°. Zum Glück finde ich ab und zu einen Bach, um mich abzukühlen. Hinter dem Pass folgt ein wenig auf und ab, bevor eine fast 50 km lange Abfahrt über feinsten Asphalt hinunter nach Kazarman folgt. Es fühlt sich an, als ob einem ein heißer Fön ins Gesicht gehalten würde. Um 19:00 erreiche ich fix und fertig das kleine Städtchen. Der erste Laden wird gestürmt. Kefir, Fanta, Eis…. Ich finde eine tolle Herberge. Nagelneue Villa, klimatisiert mit großer Küche. Zimmer mit Gemeinschaftsbad satte 5 Euro. Peter, ein junger Amerikaner ist auch dort untergekommen. Er will bereits um 02:00 weiterfahren, um der Hitze zu entgehen. Es ist Sonntag und alle Restaurants sind geschlossen. Also wieder Supermarkt Essen.
164 km 2187 hm

Tag 10: Königsetappe – Kletterparty-CP3
04:50 starte ich in den Tag. 3 Pässe erwarten mich und als Krönung – der lange Anstieg zum Son-Kul See, dem großen Bergsee auf 3000 m Höhe wo CP3 liegt. Im ersten Licht erreiche ich den ersten Anstieg. Trotz des gestrigen, sehr anstrengenden Tages merke ich, dass die Beine in Kletterlaune sind. Um 13:50 erreiche ich den 3. Pass, Kara Koo Ashuu (2800 m), wo eine irre Serpentinen Abfahrt hinunter nach Jangy Alap führt. Der Ort liegt als grüne Oase mitten in einer wüstenartigen Landschaft. Das Thermometer zeigt mittlerweile 40°. Am Ortseingang zwei kleine Läden.

Leider weder Kefir noch Eis im Angebot. Hier treffe ich Rob wieder, mit dem ich die 2. Nacht in der Jurte verbracht habe.
Auf dem Spielplatz eines Kindergartens finde ich etwas Schatten und pausiere mit Fanta, Keksen und Wasser, um mich für den Schlussanstieg zu wappnen. Immerhin liegen noch über 60 km mit 1600 hm vor mir. Kurz vor Beginn des Anstiegs ein letzter Laden. Nochmal ein Eis, Brot und Dosenfisch. Bei einsetzender Dunkelheit nehme ich den Pass in Angriff. Soll einer der schönsten im Lande sein. Schade, dass ich ihn nicht sehen kann. Ich möchte aber unbedingt CP3 erreichen, was realistisch erscheint. Kurz nach Mitternacht bin ich auf dem Hochplateau und erreiche das Camp kurz vor 01:00 morgens. Suppe, Kartoffelbrei, Fisch aus dem See und eine Flasche Bier krönen den Tag. Ich teile mir eine Jurte mit 2 anderen Fahrern. Ein richtiges Bett mit Bettzeug. Luxus pur!!
180 km 4211 hm

Tag 11: Zäher Kampf und Gewitterstürme
Nach einem Frühstück mit einigen anderen Fahrern in der Jurte bin ich um 06:30 wieder unterwegs. Die Beine sind nach dem Monstertag gestern nicht die Frischesten. Single und Double-Tracks führen entlang des Son Kul Sees. Die ersten 2 ½ Stunden in ständig leichtem Auf und Ab. Es folgt eine kurze Schiebepassage, gefolgt von einer längeren Abfahrt. Der nächste Anstieg ist so steil, dass ca. 2 Stunden schieben angesagt ist, immer wieder unglaublich steil. Heute ist es eine elende Quälerei.

Die folgende Abfahrt entschädigt für alle Mühen. Zuerst über tolle Wiesen Tracks, dann über Asphalt ins Tal. Heute noch den Kegeti Pass in Angriff zu nehmen, scheint aussichtslos, zudem wäre dieser durch Erdrutsche in der Dunkelheit schwer zu bewältigen. Im Tal wieder eine schwüle Hitze, gefolgt von einem Gewittersturm mit unglaublichem Wind von vorne. Ich überbrücke die Zeit mit einem Nickerchen hinter einem Busch. Zum Glück regnet es nicht. Chris, ein südafrikanischer Fahrer schließt zu mir auf und wir radeln gemeinsam in das Tal, das zum Kegeti Pass führt. Laut Chris soll es kurz vor dem steilen Part einen schönen Zeltplatz am Fluss geben. 18:30 erreichen wir diesen und schaffen es gerade noch unsere Zelte aufzubauen, bevor ein schweres Gewitter über uns hereinbricht. 121 km 1984 hm

Tag 12: Tag des Schiebens und der Hitze
In der Dunkelheit um 03:50 mache ich mich auf den Weg zum Kegeti Pass. Leider habe ich am Vortag meine Stirnlampe im CP3 vergessen. Der Dynamo liefert beim langsamen Schieben kaum Licht.
Für die 7,5 km, 1000 hm Anstieg benötige ich 3 ½ Stunden. Der obere Teil des Passes ist durch Erdrutsche großflächig zerstört. Klettern über steiles Geröll mit einem 26 kg schweren Fahrrad ist nicht wirklich lustig. Um 07:30 bin ich endlich oben auf 3750 m Höhe. Eine 40 km Abfahrt auf eine Höhe von 1250 m folgt. Auch Abfahrten können anstrengend sein. Etwa auf halber Strecke übertreibe ich es anscheinend etwas. In einem Geröllfeld reiße ich mir den Hinterreifen aus. Der 3 cm lange Cut ist nicht zu flicken, sodass ich mich von Tubeless verabschieden muss. (Die erste und einzige Reifenpanne).
In Kegeti finde ich einen Laden mit allem, was das Herz begehrt. Kefir, Nudeln, Sandwiches, Eis etc.


Hier auf 1200 m Höhe ist es wieder unerträglich heiß. Mühsam quäle ich mich weiter. In einer Bushaltestelle lege ich mich für ein Nickerchen in den Schatten. Nachmittags wird es wieder etwas kühler und ich erreiche den nächsten Pass. Leider so steil, dass wieder fast 3 Stunden schieben angesagt ist. Eigentlich wollte ich auch die nächsten beiden Anstiege heute noch bewältigen, aber Zeitpläne funktionieren bei solchen Fahrten leider meistens nicht. Kurz vor dem Dunkelwerden baue ich an einer schönen Wiese nahe einem Bach mein Zelt auf. 117 km 3049 hm

Tag 13/14: Mörderischer Gegenwind und letzter Scharfrichter
Um 06:05 fahre ich im ersten Licht los und passiere zwei Amerikaner, mit denen ich mich gestern Abend den letzten Pass hochgequält habe. Auch diese haben in der Nähe gezeltet. Kurz vor 09:00 erreiche ich gemeinsam mit einem der beiden die große Raststätte (Oasis) an der Straße von Bishkek zum Yssikul See.

Wir frühstücken Lakhman (Nudelgericht) mit frisch gebackenem Fladenbrot und füllen unsere Vorräte auf. Von hier sind es 90 km bis zum Einstieg in den letzten Pass und 155 km ins Ziel. Könnte in einem Rutsch zu schaffen sein. Hinter der Raststätte biegt der Weg das 116 km lange Chon Kemin Tal in Richtung  Kok Ayrik Pass ab, dem letzten Hindernis vor dem Ziel. Die Hitze (36°) und der immer stärkere Gegenwind machen mir schwer zu schaffen. Mehr als 8 Stundenkilometer Durchschnittsgeschwindigkeit sind einfach nicht drin. Frustriert raste ich nachmittags windgeschützt hinter einem Busch. Irgendwann raffe ich mich wieder auf.

Ein kanadisches Paar passiert mich und weckt wieder meine Lebensgeister. Auch sie überlegen die Nacht durchfahren. Gemeinsam fahren wir eine Weile durch das wunderschöne Tal. Es wird dunkel und immer wieder sind von den Aussiedlerhöfen bellende Hunde zu hören. Zum Glück sind hier die Hunde meistens friedlich oder eingesperrt. Kurz vor dem Beginn des steilen Anstiegs zum Kok Ayrik, kurz vor Mitternacht, ein knietiefer Fluss. Müde und frustriert quere ich ihn. Erneut vermisse ich meine Stirnlampe. Eine Hand am Fahrrad, in der anderen eine Handy Taschenlampe. Die Lichter der Kanadier kann ich in der Ferne hinter mir sehen. Hinter dem Fluss bergauf über eine steile Wiese. Ohne Licht und erkennbaren Trail; Type 2 fun. An einem Bauernhaus lehnt ein Fahrrad.

Ich steige noch weitere 30 min über einen mittlerweile erkennbaren Weg auf und falle kurz vor 01:00 müde in meinen Schlafsack. Das Zelt spare ich mir. Kurz nach 04:00 bin ich wieder wach und setze den Aufstieg fort. Für die verbleibenden 12 km benötige ich satte 5 Stunden. Viele Erdrutsche, grobes Geröll, tote Kühe und Ziegen (offensichtlich durch Steinschlag). Irgendwann sehe ich in der Ferne weit oben das Tor das den Pass markiert.


Um 10:00 bin ich endlich oben. Für die letzten 137 km habe ich 22:07 Stunden gebraucht. Die folgende 30 km lange Abfahrt ist extrem ruppig. Jetzt bloß keinen Platten mehr. Überglücklich erreiche ich endlich die Asphaltstraße, die die letzten 20 km ins Ziel führt. Nach 13 Tagen und 4 Stunden erreiche ich als 61. Teilnehmer, 35 Stunden vor Zielschluss glücklich das Ziel.  Insgesamt erreichen 88 Fahrer das Ziel, 81 von ihnen (gesamt 144 Starter) im Zeitlimit.