XTERRA – my first … but not my last … italiano
Zuerst mal, was auf mich zukommen wird:
Erfürchtig hatte ich schon seit Jahren auf XTERRA-Athleten geblickt. Das würde doch eine Nummer zu groß für mich sein … dachte ich mir. Als dann Italien mit Toscolano Maderno sein zweites XTERRA-Event neben Lago di Scanno bekam, rückte XTERRA näher, nicht nur geografisch. XTERRA – warum eigentlich nicht? Anmeldung. Triathlon kenn ich ja und irgendwie würde ich die olympische Distanz wohl überleben … und der Gedanken Letzte zu werden … na und?
Eine Woche vorher: Sollte ich nicht doch die Strecke mal abefahren im Vorfeld? Im Fb-Forum wurde heiß diskutiert, wie schwierig diese sei. Gesagt, getan.
Schock Nr.1 – Die Strecke war schwierig. Teilweise so schwierig, dass an Fahren (zumindest für mich) nicht zu denken ist. Also Schieben und Tragen angesagt. Auf der leeren Teststrecke ja kein Problem, aber wenn ich dann Hunderte von Athleten hinter mir habe und ich DAS Hindernis?
Und was, wenn ich bei dem steinigen Gelände einen Platten hätte? Gegen Dornen, die zuhauf rumlagen, war ich mit meinen tubeless Reifen ja gut abgesichert. Zum Glück. Aber ein Schnitt? Werkzeug und Reserve-Schlauch brauchte ich garnicht erst mitzunehmen, denn da bräuchte ich mindestens eine halbe Stunde … nicht drin für gerechneten über 5h Wettkampf (für mich). Die Laufstrecke? Zwei Steigungen, die eh so steil waren, dass ich mit Schnell-Gehen schneller war, wie mit langsam laufen. Allerdings sicher hart und ich komplett ohne Lauftraining aufgrund einer Fußverletzung. Aber über das Laufen machte ich mir mal gar keine Gedanken … das könnte ich mir machen, wenn ich den Bikesplit überlebt hatte …
Schock Nr. 2 – das Time-Cut-Off von 4,5h beim zweiten Wechsel. Machbar? Schock Nr. 3 – Die Startliste. Drei Startgruppen und in jeder Frauen und Männer gemischt. Hatte ich bisher gehofft in einem Frauenfeld und somit ganz zum Schluss zu starten, diese Hoffnung hatte sich nun zerschlagen. Die Männer würden mich als Technik-Niete auf dieser Strecke im wahrsten Sinne des Wortes überrollen. Überholen ist auf den schmalen Pfaden kaum möglich.
Der Wettkampftag:
Alles lief genau so ab, wie bei einem „normalen“ Triathlon. Das war schon mal beruhigend. Trotzdem, ich war ganz schön aufgeregt.
Swim:
Am Strand ein Zelt mit Hunden in Schwimmwesten und Griffgurten. Hä?? Aha, die waren dazu da, uns eventuell aus dem Wasser zu retten.
Ich brauchte das zum Glück nicht. Aber das Schwimmen im See war anders als am Tag zuvor. Es war schon eher wellig und die Strecke und Zeit zog sich endlos. Eine Runde, Landgang, Kopfsprung, Brille voll Wasser, schnell ausleeren, weiter. Ankommen. Beim Ausziehen leistete mein Neopren-Anzug wieder mal mächtig Widerstand. Die nächsten Handgriffe sitzen: Brille und Helm auf. Socken, Schuhe an. Die Startnummer nicht vergessen. Rad nehmen und zur Mount-Line rennen. Los!
Bike:
Einrollen durch Maderno, dann wird es gleich bitterernst. Eine Rampe von bis zu 24% lässt bei der prallen Sonne gleich den Schweiß fließen. Um mich herum eine Menge Biker. Das hatte ich mir schon gedacht. Im Aufstieg war ich kein Hindernis, im Gegenteil. Auf dem folgenden schlammigen Weg schmiss es immer wieder Fahrer von ihren Stahlrössern. Die Reifen durch, die pedalierenden Beine traten ins Leere und beim Absteigen stockte der gesamte Verkehr. Mist! Dann muss ich halt auch absteigen. Bringt ja nicht da jetzt zu stressen. Die erste technisch anspruchsvolle Abfahrt. Wir fahren schön aufgereiht wie eine Perlenkette. Und mein erster strategische Punkt naht und? Stau! Bin ich aber froh, so muss ich garnicht erst denken, dass ich zum Hindernis werde. Beim nächsten Anstieg entwirrt sich das Feld. Die Abfahrt kann ich ruhig angehen, denn hinter mir ist im Moment niemand, oh doch, also kurz zur Seite und vorbei lassen. Die paar Sekunden mach den Braten auch nicht fett. Vor einer Kurve ein freiwilliger Helfer, der ein Handzeichen gibt langsam zu fahren. Nanu? Hier ist es ja garnicht so schwierig. Schmal zwar und rechts geht es steil runter, aber der Weg ist gut fahrbar. Langsam rolle ich um die Kurve, das stehen zwei Quads, kleinere Modelle. Trotzdem, wie die wohl hierher gekommen sind. Dahinter ein paar Menschen und … eine Athletin mit Verbänden. Der Arm schaut nicht gut aus. Schock! Hinten fahren ein paar Biker auf. Alle pedalieren wir ganz zahm weiter. Der Schreck sitzt uns in den Gliedern. So schnell kann es gehen und das Rennen ist vorbei … Die zweite technische Abfahrt. Steil und gespickt mit großen und kleineren Steinbrocken. Ich schiebe durch das Geröll, denn die Fahrspuren sind immer wieder verlegt. Von Hinten immer wieder Geräusche wie von einer Steinlawine … nahende Fahrer. Ich springe mit meinem Rad zur Seite. Wieder mal so ein Irrer, schaut nicht sehr sicher aus, wie er da an mir vorbeirutscht, das Rad dreht sich quer und schon schlittert er weiter und ist hinter der nächsten Biegung verschwunden. Was ich nicht wusste: ich werde ihn gleich einholen, Rad und Mensch eingeholt von der Erdanziehung. Der Biker steht auf, gröber fehlt es anscheinend nicht, aber er ist vernünftig geworden und fügt sich ein in die Reihe der Schiebenden. Und es ist ja nicht so lang. Dann wieder fahren und nochmal absteigen, eine dicke Wurzel und dahinter geht es zwei Meter nach unten. Wieder einer, der das ausprobiert und eines Besseren belehrt wird. Bauz! Durch ein Wasser-Rinnsal durchpreschen. Das ist XTERRA, je schlammverspritzer man ausschaut, desto cooler. Jetzt kommt die Rampe. Habe ich bei der Testfahrt am Tag vorher schon probiert und habe Schrecksekunden erlebt. Errichtet, da die Lauf-und die Radstrecke sich hier kreuzen und die Läufer die Radstrecke unter besagter Rampe unterqueren. Dementsprechend hoch ist das Ding. Mit Schwung rauffahren. Auf dem höchsten Punkt der Schock, wenn es fast senkrecht vor dir in die Tiefe geht. Wer den Hintern hier nicht ganz fest nach hinten streckt und wer Vorlage hat, dem ist nicht mehr zu helfen. Davor haben die auch beim Briefing gewarnt. Aber die Info hatte ich am Tag vorher ja noch nicht. Überlebt. Ohne Sturz. Und ich bin jetzt vorbereitet. Trotzdem komisches Gefühl im Magen. Und weiter. Es geht hinunter ins Valle delle cartiere. Nun ist vor einem Abgrund eine Schikane eingebaut, die die Biker davon abhält zu schnell um die Kurve zu fahren. Und jetzt wird es wieder technisch. Steil, Geröll, kleine Stufen. Aber auch für mich machbar. Der Weg ist etwas breiter und hier kann fast gefahrlos überholt werden und ich muss ich mir keinen Stress machen. Versorgungsstation in Hörweite. Coole Rockmusik schallt uns entgegen und begleitet uns weiter, denn jetzt geht es wieder steil hoch. Ein Anstieg von einigen hundert Höhenmetern. Schweißtreibend. Nicht alles fahrbar. Aber mal absteigen tut auch gut. Endlich auf dem höchsten Punkt. Nun folgen ein paar Kilometer spaßige Abfahrt, denn es sind immer wieder ein paar „lustige“ Passagen eingebaut. Stufen – zwar nur wenige, aber die sehr steil und eng. Also vernünftigerweise zu Fuß. In Gaino auf einem Dorfplatz eine Band. Hier sehe ich Herman. Das freut mich besonders. Es gibt einem wirklich einen Motiationsschub, wenn man immer wieder den Haupt-Fan an der Strecke sieht. Von Gaino eine lässige Abfahrt über eine gemähte Wiese. Da kann man so richtig die Sau rauslassen. Aber schon wieder wird es ernst: Ein Pfad, über schräg verlaufende versetzte Steinplatten. Da schieben fast alle. Und wieder unterhaltsam weiter. Nochmal durch Gaino. Eine Rampe mit Hasengitter versehen. Hoffentlich machen eventuelle Drahspitzen meinen Reifen nichts. Nach Toscolano runter folgt jetzt ein gepflasterter stufiger Weg. Aber der Zustand ist nicht gut. Abgebrochene Stufen, Löcher, … Ich schiebe lieber wieder mal, nein, ich trage. Denn am Tag vorher hat es mir hier die Kette runtergeschlagen. Dann kann ich am Fluss, dem torrente Tosclano entlangdüsen, vorbei an den Campingplätzen und ein Stück Strandpromenade entlang. Noch über eine Rampe. Keine Ahnung, welchen Zweck die erfüllen soll. Und schon bin ich da … Überlebt! Zumindest halb, denn ich muss gleich weiter auf die zweite Radrunde. Ich linse mal schnell auf meine Garmin. 1:20h! Wouw! Ich hatte mit einer halben Stunde mehr gerechnet.
Keine besonderen Vorkommnisse. Das Feld hat sich so ziemlich entwirrt. Ich treffe immer wieder dieselben Fahrer. Runter muss ich die Leute vorlassen. Auf den Anstiegen sammle ich alle wieder ein. Das ist wohl mein Schicksal heute. Der zweite Anstieg ist unterhaltsam. Ich quatsche mit Giovanni und er empfiehlt mir wärmstens den Brixia Stoneman und den Icon Livigno Xtreme Triathlon. Na, die Ziele gehen mir wohl noch eine Weile nicht aus. Irgendwo höre ich ein Grollen. Über den Bergen und über dem See. Da hatten sich in der Zwischenzeit ganz schön dicke Wolken zusammengebraut. Hilfe! Und ich habe noch das Laufen vor mir. Und fürchte mich schrecklich vor Gewittern.
Auf dem letzten Kilometer überhole ich Roland Osele, Extremsportler aus Meran und überall auf den ersten Rängen zu finden. Er ist allerdings schon auf den letzten Lauf-Metern ins Ziel.
Run:
Schnell gewechselt. Es ist unheimlich drückend. Im Moment höre ich mal kein Donnergrollen. Ich laufe mit Massimo los. Nach einem flachen Kilometer geht es steil bergan. Alle um mich rum gehen. Auch ich. Dann ein nettes Auf und Ab durch Buschwald. Die Vögel zwitschern. Wunderbar. Ich habe einige überholt und bin im Moment alleine. Ich brauche mich nicht zu beeilen, kann mein Tempo laufen. Ich bin die einzige in meiner Altersklasse, also kein Stress. Das Podium ist mir gewiss … Hier wäre eigentlich der geeignete Ort mal kurz … Also Body runter und … da kommt eine vierköpfige Männergruppe um die Kurve. Erschreckt rufe ich: „Bitte alle nach Rechts gucken!“ Und wie auf Kommando – schauen alle nach Links … zu mir … wie peinlich! Und schon sind sie vorbei. Der letzte ruft noch zurück „bellissima!“ Ich könnte vor Scham im Boden versinken. Hoffentlich treffe ich die Jungs nicht nochmal. Body wieder hochgerollt. Weiter geht es. Es wird stockfinster im Wald und geht über Geröll und Wurzen steil hinunter. Ich mit meiner Sonnenbrille bin ganz schön gehandicapt. Die Sonnenbrille hat Sehstärke. Ohne Brille sehe ich den Bodengrund auch nicht gut. So taste ich mich den Weg entlang. Und hoffe nicht umzuknicken. Ausrede genug nicht schneller zu laufen. Eine wunderschöne Passage auf Brücken durch die Schlucht und dann noch ein langer sehr steiler Anstieg. Geschafft. Die Hälfte der Strecke und auch die Höhenmeter. Aber an die verbleibende Strecke kann ich gar nicht mehr denken, denn der düstere Himmel über uns wird immer wieder von Blitzen erhellt. Hilfe! Ich beschleunige. Nur schnell weg hier. Und ich zähle nach jedem Blitz die Sekunden zum nächsten Donner. Noch ein steiler gerölliger Abstieg ins Valle del Cartiere. Stufen. Und auf einmal ein Schmerz in meinem linken Oberschenkel. Ein Krampf! Au, tut das weh! Ich bleibe kurz stehen und massiere den betreffenden Muskel. Laufe vorsichtig weiter. Noch ein paar Kilometer ins Ziel. Bei jeder Beschleunigung ziept der Quadriceps beleidigt. Ok, dann halt langsamer. Wird schon mein Nicht-Lauftraining Schuld dran sein. Noch die Fluss-Passage und dann fange ich an zu genießen: Die Strandpromenade im leichten Nieselregen und dann endlich das Ziel. Überlebt!!!!!
Der Bericht ist ein wenig länger geworden, aber ich war ja auch lang unterwegs.
Der Sieger legte die Distanz in einer unglaublichen Zeit von 2:46h zurück. Ich brauchte knapp zwei Stunden länger … Letzte war ich aber noch lange nicht.
In meiner Altersklasse bin ich alleine. Langsam verstehe ich auch warum … vielleicht werden die meisten in meinem Alter vernünftig …
Vernünftiger? Aber erst später … Zunächst habe ich mich als 1. meiner Altersklasse für die WM auf Hawaii/ Maui qualifiziert … Jetzt habe ich 2 Wochen Zeit mich zu entscheiden …
bzw. die Entscheidung liegt nicht allein an mir … muss noch einen großen Berg erklimmen: … wie überzeuge ich meine Vorgesetzte, dass ich mindestens 5 Tage brauche … (Die Hoffnung stirbt aber wie gesagt zuletzt … wir sind eine sportliche Schule … gilt auch für Lehrer …)
PS: am nächsten Tag Relax in der Sauna … Tiziana : „Gabi, wia schaugschn du aus? Olls blaue Fleckn und Kraler … bisch du eppa in a Schlogerei grotn?“
Übersetzung ins Hochdeutsche: „Gabi, wie schaust denn du aus? Voller blauer Flecken und Kratzer … bist du etwa in einer Schlägerei geraten?“
Supi, toll gemacht, Herzlichste Gratulation….Mut wird belohnt…
Dankeschön! Manchmal denke ich mir, ist das Mut oder einfach bloße Unvernunft?? hahahaaaaa
Tendenziell abwärts ging es beim XTERRA wohl nicht. Herzlichen Glückwunsch. Bist halt doch mein Vorbild.
🙂 🙂