Sollte man bei einem Brevet Schwimmen können? Bei der diesjährigen Watzmann-Arber-Rundfahrt wäre diese Kompetenz schon gefragt gewesen. Die Antwort darauf weiter unten …
Watzmann-Arber-Rundfahrt der ARA München/ Oberbayern:
640 Kilometer mit 8000+ Höhenmetern, das versprach ganz schön hart zu werden. Es würde wohl ein gutes Training für das Panceltic Ultra Race werden. Und das Brevet hätte vieles gemein mit dem Lakes ’n‘ Knödel, die Gegend und die vielen Seen (Tegernsee, Spitzingsee, Walchsee, Weitsee, Wiestalstausee, Wallersee, Obertrumer See, Mattsee und viel Hügellandschaft).
Die verlangte Ziel-Zeit machte mir vorher etwas Sorgen. Das Ganze sollte in 40 Stunden abgefahren sein. Das bedeutet 1 Tag, 1 Nacht und 1 Tag. Mit Schlaf würde wohl nicht viel werden, mit gemütlicher Rast zwischendurch wohl auch nicht. Die vielen Höhenmeter sind hätten es zusätzlich in sich … nicht selten ging es im zweistelligen Prozentbereich bergauf, manchmal gar mit über 16%.
Das Wetter allerdings verspricht für die beiden Brevet-Tage nichts Gutes. Zwei Tage Regenwetter. Ich nehme das als Anlass für meine PanCeltic-Teilnahme die Regen-Ausrüstung ein letztes Mal zu testen und das so richtig. Die Möglichkeit in einen nächsten Zug zu steigen könnte ich immer noch.
Ob mein „Marschplan“ aufging … Lest selbst …
Wer mag, hier zunächst das Kurzvideo:
Beim Start schüttet es.
Bei den beiden zugleich startenden Brevets über 600 Kilometer (Allgäu- und der Watzmann-Arber-Rundfahrt) waren grad mal 1 ½ Handvoll Mutige am Röcklplatz in München. Wir, die eine große Runde um Salzburg und dann nach Norden durch den Bayrischen Wald fahren, sind zu siebt.
Regen bei der Ausfahrt aus München. Regen, Regen, Regen die 60 km bis zum Tegernsee. Der Westwind macht es auch nicht leichter. Ich freue mich auf den Moment, wo wir Richtung Osten abbiegen und der Wind uns schieben wird.
Ich fühle mich in meiner Regenkleidung angenehm trocken, auch die Füße sind noch nicht durchnässt, die Velotoze-Überschuhe sind klasse, aber sie überleben bei mir nicht mal das erste Anziehen, schon hat die dünne Silikon-Hülle einen Riss.
Beim Tegernsee wird es das erste Mal ernst. Steigung bis 15%. Aber noch sind die Beine frisch und die Fahrt ins Valepp ist trotz Wasser von oben sehr schön. Der Anstieg ist prozentmäßig gnädig, na also, ist doch nicht so schlimm … (wie ich in der Beschreibung der Watzmann-Arber-Rundfahrt gelesen hatte).
Der Spitzingsee ruft Erinnerungen hoch. Hier war damals die Laufstrecke des Schliersee-Triathlons. Ich werde aus den Erinnerungs-Träumen gerissen, denn am ersten Kontrollpunkt am Spitzingsattel entdecke ich, dass mein digitale Brevetkarte nicht funktioniert. Ich kann meine Koordinaten nicht hochladen und auch kein Beweisfoto. Wie das? Die App meldet: „Die Startzeit ist um mehr als eine Stunde überschritten.“ – Oh weh! Ich hatte in der Regenschlacht vergessen den Start als erste Position in die App einzugeben.
Was nun tun? Die Mail an Jörg, den Veranstalter, geht nicht sofort raus. Zwei Teilnehmer fahren an mir vorbei, ich schließe mich an. Inzwischen habe ich unter der Regenjacke meine dünne Primaloft-Jacke angezogen, die in den paar Sekunden im Regen schon ordentlich durchweicht wurde. Nicht gut! Jetzt habe ich nichts Trockenes für die Nacht …
Die Abfahrt Richtung Schliersee ist nass und kalt, aber kurz, ich treffe unten auf die Straße, die ich bei der 400er drei Wochen zuvor auch entlang gefahren bin. Bei der Abzweigung Richtung Bayrischzell hatte ich letztes Mal einen Imbisswagen gesehen. Dort kehre ich kurz zu: lecker Streuselkuchen und Laugenbrezel und das (Vor-)dach über dem Kopf.
Der nächste Aufstieg auf die Passhöhe. Im Regen, aber mäßig steil.
Vorsichtig fahre ich ab ins Inntal. Überquere den Inn, der ganz schön viel Wasser führt. Und nun wird es böse und das gleich schon zu Beginn der Steigung auf den „Niederndorfer Berg“. Zweistellige Prozentzahlen zeigt mein Tacho. Immer zwischen 15 und 18% steil (na, also!), ein ganz schönes Stück schiebe ich mein Rad. Im Regen.
In Kössen Kuchen und Latte-Macchiato (wie immer mit 2 Zucker) und Hurra! Es hat aufgehört zu regnen und die Sonne kommt kurz durch. Rasch hänge ich rund um meinen Tisch meine nassen Sachen auf. Schaut hier wohl wie bei einer Obdachlosen aus …
Die Kalorien der Schokotorte werden umgehend umgesetzt. Der Aufstieg zum nächsten Kontrollpunkt, der Kornbichl Kapelle, ist „giftig“, über 15% zeigt mein Tacho an.
Bei der Weiterfahrt durch das schöne Chiemgau, vorbei am touristischen Ort Reit im Winkl, kommt mir einer von uns Teilnehmern entgegen. Ist das der Nächste, der aufgibt?
Das Gelände ist fein zu fahren, etwas auf und ab. Ich lege eine kleine Radpflege-Pause ein, meine Kette glänzt nämlich wunderschön silbrig, nicht gut, ich krame mein Schmieröl raus und fette mal nach. Weiter dann.
Wenig später der Schock. Die Straße, die ich nehmen sollte, ist gesperrt. Umleitung? Wie weit wäre der Umweg. Etwas verloren stehe ich an der Straßensperre. Ein Auto hält, die kennen sich allerdings nicht aus. Da kommt ein Auto aus der Richtung der Sperre mit Kennzeichen TS, der dürfte ortskundig sein. Ich gebe ihm ein Handzeichen, dass er halten soll. Das macht er. Ich könnte ohne Bedenken weiter fahren. Zum Glück!
Es sollte spätestens nach Hallein keine Versorgungsmöglichkeiten mehr geben und so beschließe ich in Bad Reichenhall in einen Supermarkt „einzufallen“ und meine Vorräte aufzustocken. Höchste Zeit, die Verkäufer*innen räumen schon langsam weg. Kefir, Salz-Nüsse und in Vorbereitung auf Schottland ein Päckchen leckeres „Shortbread“, süßes Mürbteiggebäck mit viel Zucker und Butter. Und ein Snickers als Seelentröster in der Nacht.
Ich hatte beim Weiterfahren Zeit zu rechnen. Das geht erfahrungsmäßig nur noch im Schneckentempo. Ich bin grad mal auf Kilometer 200, der Tag ist schon fast um … und ich hab grad mal ein Drittel der Strecke hintere mir und noch über die Hälfte der Höhenmeter vor mir. Wenn ich in dem Tempo weiter fahre, wird aus den berechneten 22:00 am nächsten Tag wohl nichts. Auch wenn ich auf Schlaf verzichte.
Nach Maria Gerne hoch, einem kleinen Wallfahrtsort, ist es wieder mal mega steil. Und ich muss dieselbe Strecke wieder runter. Ich treffe bei der Abfahrt einen Teilnehmer, denjenigen, der mir vorher entgegen gekommen war. Er erzählt mir, dass er den letzten Kontrollpunkt übersehen hatte und einige Kilometer und Höhenmeter zurück musste, der Arme!
In Berchtesgaden hätte man einen spektakulären Blick auf den Watzmann. Hätte … Ich mache ein Bild ohne …
Jetzt gibt es wieder einen Anstieg mit Wanderpassage. 18%!
Vorbei an Hallein und nun wird es einsam und dämmert nun stark. Und bei der Kontrolle Neuhäusel ist es richtig dunkel. In der Ferne allerdings ein heller diffuser Schein am Horizont. Das muss die „Lichtverschmutzung“ von Salzburg sein. Es fängt wieder an zu tröpfeln. Noch geht es ohne Regenhose.
Aber nach Mitternacht wird der Regen stärker. Ich beschließe mir nun einen Schlafplatz zu suchen. Zuhause hatte ich einen Spielplatz in Seekirchen notiert. Ich drehe zwei Runden über den Platz, es scheint keine überdachte Stelle zu geben. Doch da! Ein kleines Holzgestell mit Dach, an der eine Seilschaukel hängt, darunter eine Kuhle ausgefüllt mit Rindenmulch, schön trocken. Gerade mal Platz für mich und mein Bike. Ich ziehe mich trocken an, rolle Biwacksack und Schlafsack aus und mache es mir bequem. Und das ist es wirklich, ich drehe und wende mich in der weichen Unterlage und finde schnell eine passable Schlafhaltung.
Kaum bin ich „untergetaucht“ in meinem Schlafsack höre ich ein paar piepsende Stimmen, Gelächter. Es müssen drei Personen sein, die von Gerät zu Gerät spazieren und dabei anscheinend viel Spaß haben. Dann kommen sie näher. Es muss eine Mutter mit ihren beiden Kindern sein, sie sprechen in einer mir unbekannten Sprache. Was machen die denn um diese Zeit hier, Mitternacht ist schon weit vorüber und zudem regnet es leicht.
Ich ärgere mich, denn bei dem Lärm kann ich natürlich nicht schlafen. Dann wird noch eine Weile neben mir Trampolin gesprungen. Und erst jetzt scheinen sie mich zu entdecken. Sie sind nun ganz nah und stehen anscheinend sprachlos da. Leise Diskussion. Sie reden wohl über mich. Ich bewege mich, da ziehen sie glücklicherweise ab.
Der Schlaf will nun aber nicht mehr kommen, ich döse etwas, lausche dem immer stärker werdenden, auf das Dach trommelnden Regen. Um halb vier packe ich meine Sachen.
Vom Profil her ist die Strecke fein, wenn nur der strömende Regen nicht wäre. Bei einem kleinen Halt sehe ich, dass weitere zwei Teilnehmer anscheinend in Vilshofen das „Handtuch geschmissen“ haben. Bin vielleicht nur noch ich die einzige Verrückte, die sich das antut?
Ich träume vor mich hin, ein trockenes Plätzchen und ein Lattemacchiato und Frühstück tauchen vor meinem inneren Auge auf. Mit wie wenig könnte man mich jetzt glücklich machen.
Irgendwer muss ein Einsehen mit mir haben, im nächsten Dörfchen, Kößlarn, sehe ich aus den Augenwinkeln etwas abseits der Strecke ein Schild „Café Brummer – Bäckerei & Konditorei“ – hoffnungsvoll nähere ich mich dem Laden. Öffnungszeiten … Samstags ab 6:00; ich schaue auf meine Uhr, die ich mühsam zwischen nassem Jackenärmel und Neopren-Regenhandschuhen freilege: 5 vor Sechs. Welch ein Glück!! Ich bin selig, es gibt die leckersten Bäckereien, Laugenbrezel mit Butter, Lattemacchiato (mit 2x Zucker!), im Toilettenbereich kann ich mich etwas „frisch“ machen.
Nur ungern verlasse ich diesen sehr gemütlichen Gastraum und hinterlasse auf der stoffbezogenen Sitzfläche einen großen nassen Fleck. Sorry!! Aber das trocknet ja wieder, während ich in die nasse Kälte raus muss. Graus!
Hinter dem Regenschleier stelle ich mir vor, wie die Landschaft bei Schönwetter wäre. Ich glaube das hier ist schon Bayrischer Wald. Bei der Kontrolle Vilshofen muss ich über die Donau, einige Leute stehen am Geländer und staunen über den hohen Wasserstand. Fast angsterregend.
Ich tauche nun vollends in den Bayrischen Wald ein. Sehr schön. Etwas auf und ab bis vor den Anstieg nach Solla. Auf dem ersten Kilometer werde ich wieder mal aus dem Sattel gezwungen. Auch das Schieben ist bei dieser Steigung recht mühsam. Aber auf jeden Anstieg folgt wieder eine Abfahrt. Der Regen ist weniger geworden und kurz blitzt die Sonne raus.
Es ist kurz nach Mittag, ich fange plötzlich an an einer Tour zu gähnen. Ich beschließe dem Schlafbedürfnis nachzugeben, als ein Bushäuschen wie gemacht für einen Powernap am Weg steht. Wecker auf 10 Minuten gestellt, Helm als Kopfkissen und ich schaffe es sogar kurz einzuschlafen. Ich fühle mich frisch für den folgenden Anstieg. Dann eine superschnelle Abfahrt durch den Wald und ich rolle in Frauenau ein. Ein italienisches Restaurant mit Südtiroler Chefleuten. Ich gönne mir einen Teller Spaghetti alla Bolognese. Ich muss schon sehr verhungert ausgesehen haben, denn die Portion, die mir aufgetischt wird, kann doch wohl kein normaler Mensch schaffen …
Gestärkt kann ich nun den Bretterschachten, einen Anstieg von fast 1200 Höhenmetern in Angriff nehmen. Das ist der längste zusammenhängende Berg und das nach 400 Kilometern in den Beinen. Aber bis auf ein kurzes Stück ist die Steigung menschlich.
Kurz vor dem höchsten Punkt, es hat „endlich“ wieder angefangen zu regnen, steige ich kurz vom Rad, um etwas zu trinken. Die schmale Straße ist hier im Schatten im Wald bewachsen mit Moos oder Flechten. Als ich wieder aufsteigen will, rutscht mein linker Fuß aus, ich kippe langsam nach rechts und es gelingt mir nicht mehr mit dem schon im Pedal arretierten rechten Fuß auszuklicken. In Zeitlupentempo nähere ich mich dem Boden. Dann liege ich halb unter meinem Rad. Mein Fuß hängt immer noch fest, ich schaffe es nicht, ihn aus dem Pedal zu befreien. Das bepackte Rad drückt mich gegen den Boden. Wie soll ich da bloß wieder loskommen? Von außen gesehen gebe ich wohl einen Anblick wie ein Käfer, der auf den Rücken gefallen ist. Irgendwann bin ich wieder frei. Später werde ich sehen, dass meinen oberen Oberschenkel ein großer blauer Fleck ziert.
Bretterschachten ist erreicht und damit auch der nördlichste Punkt meiner Reise. Von hier dürfte man normalerweisen einen Blick auf den Großen Arber werfen können. Heute leider nicht. Es nieselt immer noch.
Neben dem wieder einsetzenden Starkregen begegnet mir nun ein weiteres Problem. Meine Garmin zeigt plötzlich nur noch eine genordete Karte an anstatt der in Fahrtrichtung. Das irritiert. Fahre ich Richtung Norden ist das problemlos. Richtung Süden auch, denn da kommt mir der Richtungspfeil auf der Karte einfach entgegen. Kompliziert wird es beim Abbiegen nach Westen, das ist auf der Karte nach Links, ich muss allerdings nach Rechts. Da wird auf den letzten 150 Kilometern ordentlich Denkleistung von mir gefordert. Angestrengt schaue ich bei der Abfahrt auf den Bildschirm und merke nicht, dass ich auf der Gegenfahrbahn lande. Zum Glück kommt grad kein Auto. Gabi, pass auf!
In Plattling bei der letzten Kontrolle ist es nun schon halb acht Uhr. Ab diesem Ort, vielleicht nomen est omen, sollte es keine großen Steigungen mehr geben. Die letzten 110 Kilometer dürften ohne große Anstrengungen zu radeln sein. Vermutlich würde ich nach maximal 4,5 – 5 Stunden in Erding sein. Ab 1 Uhr wollte mich Uli dort abholen, da um diese Zeit keine Öffis mehr führen und er selbst als erfahrener Randonneur Nachtfahrten gewohnt und es also kein Problem sei, sich die Nacht um die Ohren zu schlagen … Für mich ist es nun schon die zweite Nacht. Ich fühle mich wie fast schon im Ziel …
ABER erstens kommt es anders und zweitens als man denkt … Meine Annahmen sollten ein typischer Fall von „Denkste!“ sein.
Erstens: Der Wind, der schon seit zwei Tagen stramm pustete, hatte seine Richtung nicht gewechselt und so wirkt sich der anfangs wünschenswerte Rückenwind nun für mich zu einem garstigen Gegenwind oder unguten Seitenwind aus. Meinen nicht mehr ganz frischen Beinen gefällt das gar nicht.
Und „platt“ ist die Strecke auch nicht. Alle paar Kilometer geht es Hunderte von Meter steil runter und dann sehr steil wieder hoch.
Als nächstes Problem entpuppt sich mein Garmin. Die genordete Karte bedeutet im Dunkeln noch mehr Denkleistung. Mein Gehirn ist dazu wohl nicht mehr ganz in der Lage. X-Mal verfranze ich mich, einmal fahre ich ganze 3-mal um einen Kreisverkehr, bis ich die richtige Ausfahrt finde. Ich schimpfe innerlich auf die Meinung Ulis, der mir erklärt hatte, er fahre immer mit einer genordeten Karte, das ist doch sooo leicht. Mich irritiert es sehr, wenn der Richtungs-Pfeil sich nicht in Fahrtrichtung bewegt.
Es ist nun wieder mal Regenpause, ich kann meine Überzugshose ausziehen, welch eine Wohltat.
Es gibt im Moment auch keine nennenswerten Steigungen und so düse ich mit Speed durch die Nacht.
Ohhhhhhhh! Ein Wasserschwall schwappt mir bis über die Oberschenkel. Mein Vorderrad schneidet sich durch eine dunkle gefühlt zähflüssige Masse. In Sekundenschnelle fange ich wie wild an zu pedalieren. Bis über die Knie geht mir das Wasser. Mit letzter Kraft strample ich ans „andere Ufer“. Was war das? Eine Senke des Feldweges war wohl im Dauerregen geflutet. Mit zitternden Knien fahre ich weiter. Die Gedankenspirale fängt an zu kreisen: Was wäre passiert, wenn ich mitten im „See“ stehen geblieben wäre? Oder noch schlimmer, umgefallen wäre? Oder nicht auszudenken, wenn ich wie auf dem Bretterschachten dann nicht aus den Klickpedalen gekommen wäre … Ertrinken auf einem Radweg? Ich stelle mir die Frage, ob als verpflichtende Fertigkeit bei einem Brevet Schwimmen sein sollte … Und muss trotz allem kichern.
Die Regenhose muss ich nun aber doch wieder anziehen, denn ich bin wie gesagt bis über das Knie pitschnass.
Vermutlich bemerkt das auch Petrus und öffnet wenig später auch wieder weit die Himmelsschleusen.
Noch ein paar Mal wiederholt sich das Spiel für mich und mein „Amphibienfahrzeug“, aber die Pfützen sind nicht mehr so tief und so lang und zudem bin ich nun ja vorgewarnt.
Irgendwann ist es weit nach Mitternacht, die Strecke zieht sich wie Kaugummi. Ich sage immer, man darf sich nicht die gesamte Strecke vor Augen führen, sondern immer nur bis zur nächsten Ecke. Da ich im Dunkeln keine erkennen kann, muss ich mir eine andere Motivations-Strategie ausdenken. Ich radle immer im 2 ½ -Kilometer-Rhythmus. Dann nochmal 2 ½ sind schon fünf Kilometer. Nochmal 2 ½ und nochmal, dann hab ich wieder 10 voll. Und das nacheinander eben 11-mal …
Auf jeden Fall bin ich nun kurz nach zwei Uhr fast da. Fast … Der Radweg führt über eine kleine Brücke. Ich sehe, dass das Wasser kaum unter der Brücke durchkommt. Im Schein meiner Frontlampe sehe ich sonst nicht viel, unheilvolle Geräusche treffen jedoch auf meine Ohren. Ein Gurgeln und Strömen. Ein paar Meter geht es von der Brücke bergab, mein Scheinwerfer streift über eine spiegelnde Wasserfläche. Ich bremse abrupt. Die Lampe geht aus. Meine Helmlampe, die ich in solchen Fällen zuschalte funktioniert nicht. Da ist wohl Wasser eingedrungen und es ist zu einem Kurzschluss gekommen. Ich schiebe wieder hoch, beim erneuten Hinunterfahren sehe ich nicht mehr wie vorher. Ich weiß nur, der Wasserlauf ist hier über die Ufer getreten. Wie lang der Radweg unter Wasser ist – keine Ahnung. Ich steige ins Wasser, meine Schuhe sind eh schon nass von vorher, bis zum Knie steht es hier am Rande. Ich stehe im Stockfinsteren. Meine Handylampe leuchtet auch nicht weiter. Wieder zurück!
Ich rufe Uli an, der 2 Kilometer weiter wartet. „Uli, ich traue mich hier nicht weiter. Was tun?“ Uli reagiert pragmatisch. „Ich komme und leuchte!“ Erleichterung meinerseits. Es ist so unheimlich im Dunkeln mit diesen unheilvollen Wassergeräuschen.
Da sich das überflutete Gelände ziemlich groß erwies, fährt Uli kurz entschlossen auf mich zu, hoffend, dass sich darunter der Weg befindet. Bis an den oberen Rand der Reifen versinkt es im schwarzen Nass. Nein, da würde ich mich nicht durchtrauen. So gönne ich mir eine „Fährüberfahrt“ von schätzungsweise 100 Metern.
Kurze Zeit später rolle ich in Erding ein. Eine lange abenteuerliche Fahrt ist zu Ende.
Mein Garmin-Navi hat kurz vorher auch den Geist aufgegeben, entweder ist Wasser eingedrungen oder ich habe den Bildschirm bei meinen Wasser-Manövern aus Versehen berührt und ausgeschaltet. Höchste Zeit, dass wir alle ins Bett kommen …
Der Kommentar von Peter S. regt mich jetzt im Nachhinein zum Schmunzeln an: „Da hast Du ja nochmal richtig Glück gehabt, es hat nämlich nur ein einziges Mal geregnet“
Jörg schreibt am Tag danach:
„Ich bin nach wie vor beeindruckt von Eurer Leistung, wobei es auch etwas leichtsinnig war, bei DEN Wettervorhersagen. Ist nicht unbedingt nachahmenswert. Auf jeden Fall habe ich mit Euch mitgezittert und bin heilfroh, dass alle – auch die Abbrecher – wieder heil nach Hause gekommen sind.„
(Anmerkung: Bei der Watzmann-Arber-Rundfahrt sind wir zu 3 im Ziel angekommen, bei der parallel laufenden Allgäu-Rundfahrt 2 Teilnehmer. Unter uns 2 Frauen!)
Ich, Lumacagabi, möchte nochmal betonen, dass ich sicher nicht gestartet wäre, wenn sich die Hochwasser-Katastrophe abgezeichnet hätte am Start am Freitagmorgen. Dieses Wochenende wird im Bayrischen Raum in die Geschichte eingehen. Wo Leute um ihr Hab und Gut kämpfen, finde ich es nicht richtig eine Art Katastrophen-Tourismus auf dem Rad durchzuführen. Unterwegs hatte ich aber nie das Gefühl mich in Gefahr zu begeben, abgesehen von den paar Begegnungen mit Wässern.
Und: Die Strecke ist fabelhaft!
Eindrücke:
Meine Planung:
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