Brevet Carlo Galetti der Ciclisti Corsichesi resoconto in italiano
390 km/ 2900Hm
Die Fahrt war für uns ein willkommenes Schlupfloch dar, den Covid-19-Reisebeschränkungen zu entfliehen – also auf nach Mailand. Hier der Track auf Strava.
Mein Mini-Video:
Die Randonnée hatten wir schon vor einigen Jahren einmal gemacht, allerdings könnte von Interesse sein, dass wir dieses Mal am Morgen starten, während wir damals kurz vor der Abenddämmerung losgeradelt waren. Um 6 Uhr morgen steigen wir auf unser Bike nach Frühstück im Café Christian im Örtchen Zibido San Giacomo. Der Veranstalter Luciano ist vor Ort und schickt uns auf die Strecke. Auch andere Radfahrer sind schon vor Ort, mit Minimalausrüstung. Mein Bike hingegen ist bepackt, als würde ich heute schon zum Nordkap aufbrechen.
Die Po-Ebene durchqueren wir auf einem schön angelegten Radweg entlang von Kanälen und auf Nebenstraßen. Es geht flach dahin, voraussichtlich für etwa 100 Kilometer. Ich schaue, dass mein Puls nieder bleibt, dass ich zumindest im Flachen den Maximalpuls von 155 nicht überschreite. Aber leicht fällt mir das nicht, immer wieder äuge ich misstrauisch auf meine Garmin. Warum das schlechte Gewissen nagt, ist hier nachzulesen. Nach der ersten Kontrollstelle bei Bereguardo, neu ist die Verwendung der App Icron, mit der die Kontrolldurchgänge via QR-Code belegt werden, tauchen wir ein in den Naturpark des Ticino. Der Fluss wird hier auf einem Ponte delle Barche überquert, auf einer Pontonbrücke. Mit der GoPro in der einen Hand und mit nur einer am Lenker sind die wackeligen Planken eine Herausforderung, lose Bretter, Löcher, ein kantiges Metallband.
Zwei, drei Schreckensausrufe … sollte für mich schon hier -nach etwa 80 Kilometern – die Fahrt zu Ende sein? „Gabi, du spinnst wohl!“, raunt mir eine Stimme zu und dasselbe lese ich aus den Blicken Hermanns, als ich auf der anderen Seite ankomme – heil … Weiter durch die Felder der Po-Ebene und über ebendiesen Fluss. Bald wird es hügelig und der Anstieg nach Carpeneto, dem zweiten Kontrollpunkt, bringt knackige 12% auf den Tacho. Nach einer rasanten Abfahrt und dann geht es dann entlang des Flusstales des Torrente Erre. Die Steigung ist meist moderat. Italienische Ciclisti nennen das einen falso piano, eine falsche Ebene. Die Gegend wird immer rauer, von saftigem Laubwald gelangen wir durch Buschwald bis zu felsigem Gelände beim Übergang nach Ligurien. Angelangt bei einigen Festungsanlagen, erinnere ich mich, dass wir hier letztes Mal noch im Dunkeln waren. Ich freue mich schon, bei der Abfahrt das erste mal einen Blick auf das Meer zu erhaschen, zu lange waren wir durch Covid-19 verhindert die „Welt“ mit ihren Schönheiten zu sehen.
Als ich in der Ferne ein riesiges Frachschiff erspähen kann, läuft mir ein Prickeln über den Rücken. Und endlich sind wir dann unten. Ach, wie schön ist das tiefe Azur des Meeres. Von fast Einsamkeit der letzten Stunden tauchen wir ein in einen bunten Rummel. An den Stränden ist ganz schön was los. Und auch der Autoverkehr ist äußerst lebhaft. Das liebe ich weniger. Aber die 30 Kilometer bis Genua werde ich wohl überleben. Ablenkung bietet die Schönheit der Küste und die Ausblicke auf kleine Buchten wechselnd mit bevölkerten Stränden und immer das wunderbare Blau.
Unterwegs gönnen wir uns eine kurze Pause. Ich bewache die Räder, Hermann besorgt fabelhafte Focaccia. Hatte ich bei einer der vergangenen Fahrten seine Einkäufe mal bemängelt mit „viel zu viel, wer soll das denn essen?“, so stand ich hier fast hungrig wieder aufs Rad. Selber schuld … Auch Wasser hatten wir dringend gebraucht. Der Wassereinkauf sorgt für Beinduschen durch Sprühregen in regelmäßigen Abständen – sehr angenehm … Ja, ja, wenn Männer zum Einkaufen geschickt werde … aber wir Frauen dürfen mit Kritik hinterm Berg halten, wir sollten eigentlich froh sein … bekomme ich durch die Blume mitgeteilt. Kritik nagt am Selbstvertrauen 😊. Klammer auf – ich hätte statt acqua minerale frizzante besser stilles gekauft – Klammer zu.
Bei Genua wird der Verkehr immer dichter, ich bin froh, dass wir nun wieder gegen Norden abbiegen können. Eine Gänsehaut überläuft mich, als vor uns eine hohe schlanke weiße Brücke erscheint: Ponte San-Giorgio, anstelle der 2018 eingestürzten Morandi-Autobahnbrücke. Eine Weile berührt mich die Erinnerung und lenkt mich von den finde ich wenig schönen Industrievororten Genuas ab. Bald ist Pontedecimo erreicht, der dritte Kontrollpunkt, hier laben wir uns mit Eis und frisch gepresstem Orangensaft. Und nun steht die nächste Steigung an: der Passo Giovo. Langsam gurke ich in der nun nachmittäglichen Hitze die Serpentinenstraße aufwärts. Irgendwann schließt Salvatore auf und mit Quatschen ist der Kulminationspunkt bald erreicht. Nun geht es nur noch abwärts, tendenziell, wie ich feststellen muss.
Vor der Dämmerung stärken wir uns nochmal mit Tost. Dann fahren wir in die Nacht hinein. Hatte ich die vergangene Nacht wieder mal grottenschlecht geschlafen, so sorgte ich mich schon auf die anstehenden 100 finalen Kilometer. Ich hatte zwar meinen Biwacksack mit, aber es wird schon recht kühl und es sind ja nur noch so wenige Kilometer. Ich rechne mir das durch, bis halb zwei sollten wir zurück sein. Schlusszeit wäre 27 Stunden insgesamt, also eine mehrstündige Schlafpause wäre schon drin … Nur noch flach dahin fahren und nichts Ablenkendes zu sehen ist hart, besonders, wenn frau schon 15 – 16 Stunden in den Beinen hat. Gegen Mitternacht übereilt mich die Müdigkeit. Kurz vor Pavia, biege ich scharf ein und steuere einen kleinen Park mit Bänken an. Ich sage Hermann, mir würden fast die Augen zufallen, ich bräuchte eine kurze Pause. Obwohl ich alles anziehe, friere ich innerhalb Minuten fürchterlich, verstärkt durch die kalte Steinbank und so geht es weiter durch die Nacht. Mein Blick heftet sich alle paar Minuten auf das Navi. Die Kilometer scheinen sich kaugummiartig in die Länge zu ziehen. Mein Puls überschreitet zum Glück kaum die Grenze zu „moderat“ – dafür ist die Geschwindigkeit gar nicht so schlecht. Ich rechne und rechne und überliste mein Gehirn der Müdigkeit nachzugeben.
Und irgendwann sind nur noch 10 Kilometer übrig. Und jetzt bin ich wieder richtig wach … super – nur noch die paar Meter. Und dann sind wir endlich da. Kein Mensch weit und breit. Schnell den QR-Code gescannt und ab in die Federn. Ich bin stolz es wieder geschafft zu haben, denn 19h fast nonstop auf dem Rad und kein Schlaf ist nicht so meins, aber auf einer so „kurzen“ Randonnée eine Schlafpause machen ist halt auch unüblich. Da kommen mir die 600 km eher entgegen, da dort für mich eine Schlafpause drin sein muss. Aber die nächste 400er wartet schon – die Edelweiß von Sport Verona.
Hi Gaby
Wenn man alles liest schau sehr anstrengend aber auf den andere Seite sehr geile Tour.
Gruß aus München.
P.S: ich habe mir vor kurze Zeit ein Gravel Bike gekauft und hoffe mal auch ein Tagestour oder mehrere Tage mal ausprobieren, am bestens als Bikepacking. Irgendwo übernachten könnte ich mich sehr schön auch vorstellen.
@Rodolfo: Gravel ist auch mein Favorit … durch die Natur düsen und nicht auf Straßen angewiesen zu sein wie zum Beispiel bei der Verona Gravel vor zwei Wochen – siehe Bericht.
Danke dir für den Kommentar! LG
Ja, aber mit dem Gravel ist es cooler … da wäre das Verona Gravel idealer … Mit Übernachten ist zwar cool, habe das letzten Montag ALLEIN ausprobiert .. und kaum geschlafen … so muss ich meine Plan für die Northcape4000 etwas umdenken, denn da ist regelmäßiges Schlafen sehr wichtig … werde wohl nur eine Notfall-Schlaf-Ausrüstung mitnehmen … LG