Frau + Karbon = Randonneur(in) - aber nicht nur ...

Kategorie: Rennrad (Seite 5 von 10)

Radfahren vom Feinsten: 6+6 Isole

Fast 60 Stunden im Sattel. 1200 Kilometer mit 14.000 Bergaufmetern.
Langsam komme ich von Wolke 7 herunter. Der Alltag hat mich wieder. Die Erinnerungen sind verschwommen und ich weiß eigentlich gar nicht, was ich schreiben soll …

Deshalb zuerst mein Video (9:30min)

 

Nur soviel …

Die Strecke: Etwa die Hälfte (617km) führt durch Sardinien, die andere ist eine große Runde (591km) auf Sizilien, je mit sehr wenig Schlaf. Dazwischen Fährenüberfahrt und hier wird ordentlich Schlaf nachgeholt bzw. „vorgeschlafen“ …

Landschaft: Ein Traum. Küsten mit azurblauem Meer, karge Täler, üppiges Grün, Blütenpracht, felsige Gipfel. Bunte Kleinstädte, mittelalterliche Dörfchen auf Hügeln. Vergessen möchte ich die Großstädte mit für mich horrendem Verkehr.

Menschen: Nette Helfer, denen oft das Erstaunen ins Gesicht geschrieben ist, wie man so weit fahren kann und das auch noch freiwillig.
Wiedersehen mit Radfreunden. Unterwegs quatschen. Ich höre immer wieder „Ciao, Gabi!“ Die Männer sind im Vorteil, es gibt wenige Frauen. Unsere Namen kann man sich leicht merken. Mein Gedächtnis ist löchrig, zumindest nach einigen Hundert Kilometern … Ich muss immer wieder nach den Namen fragen. Das wird langsam peinlich. Aber mit Helm und Brille und dann wieder ohne … verflixt … die Gesichter kenne ich, aber wie war gleich nochmal der Name? Vielmals um Entschuldigung, wenn ich nächstes Mal schon wieder frage …
Egal, wichtig ist, man hat Spaß miteinander. Man hilft sich gegenseitig. Das ist auch der Unterschied zum Radrennen, bei dem die Konkurrenten sich ausspielen. Hier unterstützt man sich gegenseitig. Hat jemand eine Krise, dann wird er/sie moralisch aufgebaut. Eine Panne? Man hilft sich mit Werkzeug und Fachwissen.

LA SARDEGNA:
Start um Mitternacht von Cagliari, genauer vom Stadtteil Quartu Sant Elena. Es geht die 0ersten 10 km mit Motorradbegleitung nach Norden. Dunkelheit. Es geht durch das Vallico Arcu e Tidu. Ich kann mir nichts vorstellen, habe das Gefühl ich fahre durch Wald hinauf. Dann geht kurvig rasant abwärts. Es ist noch dunkel, als wir die erste Kontrollstelle erreichen: Torre di Bari nach 124km. Hier überraschen uns die lokalen Köstlichkeiten zum Frühstück: Ricotta (ein süßer Quark) und verschiedene Honigsorten. Lecker. Wir fahren nun in den dämmernden Tag hinein. Es geht wieder aufwärts bis auf den Passo di Genna Silana. Immer wieder muss ich stehen bleiben und fotografieren … Landschaftlich geht es wunderschön durch Macchie und Felslandschaften. Dann sind wir in Dorgali. Von hier startet nun eine große Runde über Nuoro wieder zurück. Wenn alles gut geht, sollten wir um Mitternacht wieder hier sein. Es gibt Schlafstellen im Zelt, aber ein Zimmer ist schon gebucht, damit mein Schlaf gerettet ist.
Die Strecke führt duch landwirtschaftlich genutzte Gegenden. Aber nicht direkt nach Nuoro, nein die Strecke macht einen Schwenker nach Südwesten. Wir müssen hoch nach Orgosolo. Der Ort liegt im Zentrum des zerklüfteten Supramonte-Gebirges im Herzen 0ader Barbagia.  Wir bewundern die Murales, die Wandmalereien an den Häuserwänden. Die Werke spiegeln nationale, sozialkritische und historische Inhalte wider. Hier erwartet uns, die brav dem GPX-Track nachfahren, eine Überraschung: Im Dorf zweigt eine Gasse ab, der wir folgen sollen: Ich schaffe es nach kurzer Zeit nicht mehr mich im Sattel zu halten und lege eine Zu-Fuß-Passage ein. Ein argwöhnischer Blick auf meinen Tacho: 25% Steigung!!
Bis Nuoro geht es nun auf und ab. Einsam. Und kein Verkehr. Super. Die Kontrollstelle bei Kilometer 274 überrascht mit einem Spezilalitäten-Tisch, leckeren Pecorino & Co.  Mmmmhmmm!
Noch 140 km und dann Schlafen. Aber 140 km sind ganz schön lang. Anfangs ist die Gegend ein Traum. Große runde Steine eingebettet in Steineichenwälder. Überall ist es grün und blüht es. Schafe. Dann eine lange Abwärtspassage durch ein Tal. Dann steigt die Strecke wieder. Es ist sommerlich warm. Die Kilometer vor uns drücken auf mein Gemüt. So weit noch. Hunger. Durst. Das Dorf Bitti. Eine Bar ist unsere Rettung. Cola und 1Eis. So gestärkt gehen wir die nächsten 100 km an. Wir fahren in einer Gruppe, auch Aynur und Hajo sind mit dabei. Jemand erzählt mir vom Dorf Orgosolo, das wir Stunden zuvor passiert haben: Früher war das Dorf sehr arm. Es wird erzählt, dass  dort fremde Passanten ausgeraubt wurden. Na, gute Nacht, da haben wir ja noch mal Glück gehabt. Auch wenn ich in meinem Zu-Fuß-Anstieg bei +25% ein gutes Opfer abgegeben hätte. Aber wahrscheinlich war mein finster blickendes Gesicht (siehe Film) ein guter Abwehrmechanismus. Fakt ist, Wikipedia erzählt, dass in meinem fernen Geburtsjahr 1962 ein englisches Ehepaar dort ermordet wurde. Nun aber zu positiveren Gedanken. Heller Tag. Sonne. Einsamer Anstieg, ohne Autos, wunderbare Bergwelt. Dann Abfahrt und noch 60km flach. Wir lassen die Gruppe fahren. Es ist uns zu hektisch. Gemütlicher gondeln wir gegen Dorgali. Die letzten 10 Kilometer geht es nochmal hoch. Muss das sein? Im Dunkeln ziehen sich die Aufwärtsmeter zudem. Eine Qual. Aber das Bett wartet. Im Hotel dann die Nachricht, unser Zimmer ist ein Vierbettzimmer. Es gibt keine Diskussion. Und es kommt, wie es kommen muss. Ich bin gerade eingeschlafen, da kommt der dritte Mann. Er bewegt sich zwar vorbildlich leise, das höre ich sogar durch meine Ohrenstöpsel, aber mit meinem Schlaf ist es vorbei.
Schnelles Frühstück mit allerhand Köstlichkeiten und auf geht es. Die nächste Nacht lockt. Die Fährenüberfahrt mit ausreichend Schlaf – hoffentlich. Aber es gilt noch pünktlich um 16.00 in Cagliari anzukommen. Nicht auszudenken, die Fähre zu versäumen.
Ab Dorgali geht es dieselbe Strecke zurück und ich staune. Ganz anders als in meiner Vorstellung in der Finsternis der ersten Nacht. Zunächst müssen wir wieder auf den Passo di Genna Silana. Da wir einige Höhenmeter ja schon vor der Mini-Schlafpause erledigt haben, sind es nur noch an die 600 m. Hermann ist noch mit seiner Packtasche15 beschäftigt und so fahre ich schon mal voraus. Stockfinster. Die Steigung angenehm. Hätte mir nicht gedacht, dass es so leicht geht. Weiter oben beginnt Wind zu blasen. Und zwar ganz schön stark. Die Straße schlängelt sich nach oben. Je nach Fahrt-Richtung muss ich schauen, dass ich auf dem Bike bleibe. Die Hände krampfhaft am Lenker überlege ich nach dem ersten Fast-Abwurf schon, ob ich nicht zu Fuß gehen sollte. Dann bin ich oben. Hermann hat aufgeschlossen. Bei der Abfahrt fängt es an leicht zu regnen. Das hatte der Wetterbericht aber nicht vorausgesagt. Bis auf eine Regenjacke habe ich nichts mit. Es kommen zum Glück nur sporadisch ein paar Tropfen. In Torri di Bari gibt es wieder das leckere sardische Frühstück mit Obst, Käse, Ricotta, Artischockenaufstrich, Honig, Orangenmarmelade und nicht zu vergessen das „pane 3carasau“, ein hauchdünnes Fladenbrot. Ich bin begeistert von den Angeboten an den Kontrollstellen.
Hermann wird schon leicht nervös, als er meinen hoch beladenen Teller sieht. Wie lange wird denn diese Pause?
Weiter, die Zeit drängt. Noch 124 km und der lange Anstieg durch das Vallico Arcu e Tidu und zuvor noch irgendein Mugel, aber etwa 90 km Abfahrt und flach. Unser Weg ist gesäumt von Hunderten von Kaktussen. Hohe mit riesengroßen Ohren. Und großen spitzigen Stacheln. Ab und an liegt schon mal so ein abgebrochenes Ohr auf der Straße. Hoppala, wenn man da darüberführe, dann ist die Reifen-Panne wohl vorprogrammiert. Mein Rad schießt mit den grünen Riesen einen Pakt: Lasst ihr mich in Ruhe, dann lasse ich euch in Frieden. Sonst haue ich euch in Stücke oder sagen wir mal fahre ich euch ein Ohr ab. Ich bin ruhiger – ich fahre Tubeless.
Das Arcu e Tidu-Tal haut mich fast um. Die Straße schlängelt sich in angenehmer Steigung durch Felswände.
Dann die letzte Abfahrt und noch ein paar Kilometer flach, die mir reichlich auf die Nerven gehen.
Endlich da. Wir haben etwa eine Stunde Zeit, bevor wir zum Hafen aufbrechen müssen. Duschen verschiebe ich auf die Fähre und bepacke meinen Drahtesel mit dem Notwendigen für die nächsten 600 Kilometer.

SCHLAFPAUSE AUF DER TIRRENIA-FÄHRE ARIADNE:
Unsere Belegung der Viererkajüte sammelt sich um gemeinsam die 16 km zum Hafen zu fahren. Ich freue mich schon. Duschen, dann etwas chillen, dann Abendessen. Beim Briefing war erwähnt worden, dass wir auf dem Schiff vollständig einchecken müssen. Nein, stopp, unser dritter Mann fehlt. Irgend jemand weiß, dass dieser noch gemütlich 4duschen möchte und sich kurz aufs Ohr legen. Am Hafen dann die bittere Wahrheit: Die Klein-Gruppen dürfen wirklich nur vollständig an Bord. Ein großes Chaos bricht aus, denn die meisten wissen nicht mal, wer ihr Schlafpartner ist. Wir drei auf jeden Fall braten fast zwei Stunden in der Sonne und warten, warten, warten. Ich kann nur sehnsüchtig auf die Grüppchen blicken, die sich glücklich zum Check-In aufmachen können.
Irgendwann taucht dann unser Vierter gelassen auf, versteht unsere Aufregung nicht ganz. Nachdem wir unsere Drahtesel in den „Stall“ gebracht haben und angehalftert – die Räder werden mit Stricken an ein Geländer gebunden, dass es keinen „Umfall“ gibt bei gelegentlichem hohen Seegang.
Duschen. Frisch anziehen. Dann dränge ich meine Mitbewohner JETZT zum Abendessen zu gehen. Das geht recht relaxt vonstatten. Die Auswahl ist nicht übel. Dann Abmarsch ins Bett. Ich staune: vor dem Büfett eine fast kilometerlange Schlange. Mitradler erzählen am nächsten Tag, sie seien fast zwei Stunden angestanden. Puh! Glück gehabt! Um neun Uhr lagen wir alle vier nämlich schon in den Kojen. Ich glücklich mit neuen perfekt sitzenden Ohrenstöpseln versorgt – von unserem vierten Mann … das versöhnt mich und schenkt mir ganze neun Stunden Schlaf. Sizilien kann kommen.

LA SICILIA:
Nach dem Schiffs-Frühstück und kurzer Rad-Anfahrt zum Hotel geht es nahtlos auf die Strecke. Aus Palermo raus ist für mich Chaos pur. Autos links und rechts mit Beulen in der Karosserie (Radfahrer?), schlechte Straße, Hektik pur. Nach etwa 10 km wird es 5ruhiger und bald geht es ins Landesinnere. Die ersten beiden Etappen mit 100 km und beide an die 2000 Höhenmeter haben mir schon im Vorfeld Angst gemacht. Aber die Landschaften sind so vielfältig und wunderschön, dass die Strapazen (fast) vergessen werden. Die Natur gibt alles. Blütenpracht rundherum in sattem Grün. Ich frage mich, wie es hier im Sommer sein wird. Wir passieren Dörfer, sich auf Hügel duckend und an Felswände geklebt. Mittelalterliche Reisende hatten sich dieselben Aussichten. Vor der ersten Kontrollstelle beginnt Wind, besser gesagt starke Windböen. Erwischen sie einen an der Breitseite, gibt es das Gefühl geschubst zu werden. Ich verlangsame und fahre teils in Schritt-Tempo. Zum Glück kommt der Wind meist von hinten. Nicht auszudenken, wenn der uns von Vorne ausbremsen würde. Kal5at ist er zudem auch noch. Ich wage nicht an den nächsten Tag an der Küste zu denken, wenn wir dem Lüftchen die Stirn bieten müssen.
In Castellana Sicula werden wir von Helfern in wunderschön bunter Tracht empfangen. Und es gibt leckere Nudeln. Allerdings keinen Nachschlag. Noch hungrig ziehen wir weiter. Vorbei geht es in stetem Auf und ab an spektakulär gelegenen Dörfern Petralia Soprana, Gangi, Sperlinga. In Nicosia gönnen wir uns eine Eis-Pause in einer pasticceria. Ausgehungert stürzen wir uns auf Pizza und das leckere traditionelle Gebäck, die Cannoli. Auf unserer Weiterfahrt taucht auf einmal wie aus dem Nichts vor uns der Ätna auf. In Sonnenuntergangsstimmung. Atemberaubend.
Wieder fahren wir in die Nacht hinein. Müdigkeit macht sich breit bei mir. Noch ein paar Kilometer durchhalten bis Cesaró. Hier gibt es eine Spezialität: Arancini. Eine Pilzfülle oder anderes wird mit Reis umhüllt und frittiert. Wir stürzen uns auf die 6hellbraunen faustgroßen Kegel. Sodbrennen bei mir vorprogrammiert. Dann werden wir wieder in die Nacht entlassen. Die Aussicht auf ein Lager lässt uns fest in die Pedale treten. Irgendwann gegen Mitternacht sind wir dann da – in Linguaglossa am Fuße des Ätna. Überraschung, wir sind in einem Kloster untergebracht, haben Zimmer mit Dusche. Noch schnell Essen am Büfett und dann unter die Dusche und in die Heia. Es ist allerdings bitterkalt in den Zimmern und mir reicht eine Wolldecke bei weitem nicht, um einzuschlafen. Bibbernd liege ich wach, der Wind rüttelt zudem an den Fensterläden, irgendjemand schnarcht. Die Ohrenstöpsel sind sicher in der Satteltasche meines Rades verstaut … Irgendwann muss ich doch weggedämmert sein. 6aWerde aber sofort wieder aus dem Schlaf gerissen. Jemand klopft an die Tür. Ist es schon Viertel nach drei? Nein, viertel vor … Ärger! (Daniel erzählt nachher, dass es sein Kollege war, warum auch immer). Offenbar ist Schlaf für mich wohl wieder mal Fehlanzeige, wie auf jeder Randonnée.
Die ersten 10 Kilometer Abfahrt eiere ich durch die Nacht. Ich zittere wie Espenlaub und das überträgt sich auf meinen Lenker. Temperatur knapp über dem Gefrierpunkt, 5°C. Etwa bei Taormina wird es wieder Tag und die Temperaturen steigen glücklicherweise. In den Tag hineinfahren hat immer was Magisches an sich. Die Sonne geht über dem 7Festland Italien auf. Bald wird die Straße schlechter und Verkehr setzt ein. Von Ampel zu Ampel bewegen wir uns in einer Kolonne von etwa 10 Stadt-Bussen. Da ist wohl gerade Dienstantritt. In Messina. Ich freue mich auf die Kontrolle. Frühstück angesagt. Aber es gibt leider nichts bzw. nichts Kostenloses, nur den Stempel. Kurz eine colazione alla italiana mit Cornetto alla crema und Latte Macchiato, dann weiter. Für mich sind die nächsten 50 Kilometer die Hölle pur: Ein Dorf reiht sich an das andere, viel Verkehr, übelste Straßenbeläge. Wenn ich hinter mir ein Auto ahne, erhöht sich sofort mein Puls um gefühlt 100 Schläge, mein ganzer Körper verkrampft sich und ich wähne mich schon 8unter den Rädern. Die Beulen an der Karosse jeden zweiten Autos sprechen Bände. Vor der nächsten Kontrolle ein saftiger Anstieg nach Tindari. Dieser ist überraschenderweise der angenehmste Teil dieser Etappe. Verkehrsberuhigt. In Marina di Patti gibt es wieder mal was umsonst: Couscus oder überbackene Nudeln mit Melanzane. Lecker, aber wieder mal abgezählt und viel zu wenig. Ein Problem, denn heute ist Sonntag und nachmittags sind keine Geschäfte offen. Hätten wir das gewusst, dass die Verpflegung sizilianischen Kontrollstellen entweder nicht vorhanden ist oder so mager ausfällt, hätten wir vorgesorgt, aber so bleibt der Hunger unser Begleiter, denn in Santo Stefano gibt es nur 9eine Flasche mit Wasser. Dafür entschädigt uns die Panorama-Strecke. Entlang der Küste mit traumhaften Blicken auf die Meeresbrandung und gegenüber begleitet uns die Aussicht auf die Eolie, die Äolischen Inseln mit Lipari, Vulcano und weiter entfernt Stromboli. Dieser hat ständig ein Wölkchen über seinem Gipfel, schaut aus wie eine Rauchwolke. Fakt ist aber, dass es am Kraterrand halbstündig kleine Eruptionen gibt. Da fliegen die Steinbrocken durch die Luft und bieten vor allem nachts ein feuerglühendes Spektakel. Uns angeschlossen hat sich ein ganzer Trupp und wir düsen die Küste entlang. Ich genieße die letzte Etappe. Zumindest bis Cefalu. Dort eine jähe Unterbrechung: Daniel steht am Straßenrand und deutet auf sein Schaltwerk. 11Schaltkabelriss. Was nun? Fabio nimmt sich der Sache an. Das Schaltwerk wird mit Kabelbindern fixiert und weiter geht es. Der arme Daniel hat nur noch den höchsten Gang zur Verfügung und es sind noch an die 900 Höhenmeter zu überwinden. Es wird nach einem traumhaften Sonnenuntergang wieder Nacht. Ob wir es in unserer Kleingruppe wohl schaffen bis Mitternacht? Der Verkehr nimmt stark zu. Das sind wohl die Heimkehrer nach einem Tag am Strand. Eine steile Serpentinenpassage in Termini Immerese legt Daniel kurz entschlossen barfuß zurück, im Laufschritt. Verrückt, der Kerl! Auf jeden Fall gewinnt er um Radlängen alle „Bergwertungen“. Die letzten Kilometer hinein nach 12Palermo stellte ich mir ruhig vor. Wer wird denn Sonntag-Abend noch unterwegs sein … Denkste! Der reine Horror. Vielleicht mache ich mir nicht mehr so viel draus, weil mein Körper nach über 1200 Kilometern nur noch auf Sparflamme funktioniert, da ist für Angst keine Energie mehr übrig. Ich bin dennoch erleichtert, als wir vier, Daniel, Fabio, Hermann und ich, gegen 23 Uhr die Ziellinie überqueren. Eine Traum-Reise ist einerseits glücklicherweise aber auch leider zu Ende.
Nachdem ich 2015 nach den 1200 km der Paris-Brest-Paris geschworen hatte „Nie, nie wieder!“ ist das seither schon die fünfte Langstrecke (1200 – 1600km). Und die nächsten schon in Planung. Wer hätte das gedacht? Der Flair aber, der von diesen Unternehmungen ausgeht ist einfach sagenhaft: kein Rennstress, gemeinsames Erleben (immer), gemeinsames Leiden (manchmal), gegenseitige Hilfsbereitschaft, sich in der freien Natur zu bewegen (meistens), einfach eine schöne Gelegenheit Gegenden kennen 14zu lernen (intensiver als mit dem Auto).
Danke an Daniel, der mich in der Nacht vor Cesaró abgelenkt und wach gehalten hat und an Fabio, der nach Daniels Panne uns nicht verlassen hat.
Danke an die Organisatoren und alle Helfer, dass ihr uns ein so einmaliges Erlebnis geschenkt habt.
Die 6+6 Isole gehört zum Viererkleeblatt L’ITALIA DEL GRAND TOUR mit 1001Miglia, Alpi4000 und 999Miglia. Hermann hat mit der 6+6 nun die Serie abgeschlossen, mir fehlt noch die 999miglia.17

Bis zum nächsten Mal!

 

 

Auf den Spuren der Veneto Gravel

Colli Berici – auf den Spuren der Veneto Gravel          italiano

Radfahren im April. Ausgangspunkt wieder mal das Bike Hotel Enjoy. Und es sollen an den beiden Tagen wieder mal etwas mehr Kilometer werden. Die beiden Tage stehen unter dem Motto „Hügel“.
Tag  1: Wir haben vor auf den Spuren der Veneto-Gravel zu wandeln, die eine Woche später stattfinden wird. Wir wollen zu den Colli Berici südlich von Vicenza. Und in Anbetracht der erwarteten Schotterpassagen wählten wir unsere Gravelbikes für die Tour – und taten gut daran.

Tourenlänge: 200km/ 1200 Hm
Ausgangspunkt: Peschiera
Wegbeschaffenheit: Straßen, Sekundärstraßen, Schotterpisten, landwirtschaftliche Wege

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colli berici

  • Von Peschiera übers Hinterland nach Verona. Sehr schön. Ab Sommacampagna allerdings wird der Verkehr etwas mehr. Weniger schön. Ab Verona fahren wir ein Stück auf dem geschotterten linken Etschdamm.
  • Durch verschiedene Ortschaften führt die Strecke auf meist sekundären Straßen: San Martino Buon Albergo, San Bonifacio, … Wenn es mal auf eine befahrenere Straße geht, ist dort ein schöner Seitensteifen, der das Fahren entstresst. Es ist weitgehend flach, 78 km bis hin an den Fuß der Colli Berici.
  • Bei Lonigo führen die letzten Kilometer, bis zum ersten ernsten Anstieg über einen hübschen Radweg entlang des Flusses Brendola Richtung Norden. Bisher nicht viel Gravel …
  • Und nun wird es ernst. Ein zunächst asfaltiertes Sträßchen führt in ein kleines Tal. Dann Schotter. Zum Glück nur kurz, dann wieder Asfalt. Und ringsum Kirschbäume. Schön.
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    Dann Schock … zu früh gefreut. Bei einem Bauernhof bellende Hunde und Schluss mit der Straße. Das Navi zeigt nicht ganz eindeutig, wohin der Weg führt. Es hatte erst geregnet und meine Reifen bleiben fast im Matsch stecken. Eine ganz üble Sorte Matsch. Der wickelt sich sofort um meine 35er Reifen, die etwas profiliert sind und schwupps habe ich 45er Breite. Zurück und den nächsten Weg nehmen. Richtig. Schieben ist angesagt und die nächste Fahrpassage ist untergrundmäßig auch nicht besser.IMG-20190407-WA0007
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  • Als ich nach nicht ganz 2 km wieder auf festen Untergrund komme ist das Fahren so wie beim Auto mit nicht ausgewuchteten Reifen. Mir bleibt nichts anderes übrig, ich muss Reifen und Schuhe mühsam mit einem Stöckchen von der gefühlt dezimeterdicken Erdschicht befreien.
  • Nun die wunderschöne Passage durch die Colli Berici. Auf und ab durch die Natur. Zum Glück nur noch Asfalt. Vorerst…
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  • Irgendwann haben wir den höchsten Punkt der Tour erreicht. Etwa Halbweg unserer Strecke. Und nun Abfahrt. Auf dem Navi kann man eine Straße mit vielen Serpentinen erkennen. Hermann meint, nun könnten wir unsere Durchschnittsgeschwindigkeit etwas aufbessern. Denkste, denn was uns jetzt erwartet, hätte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht erwartet: Ein Schotterfahrweg, teilweise mit Steinen bestückt. Künstlich oder natürlich? Keine Ahnung. Auf jedenfall eine Mountainbikestrecke. Es waren auch mehrere solche unterwegs, die erstaunt auf unsere Rennräder schauten. Geschwindigkeit? Nix da! Aber landschaftlich ein Traum!!
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  • Am Bergfuß bei Costozza haben wir nun den östlichen Rand der Colli Berici erreicht.

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  • Nun geht es zurück. Zunächst über Kilometer über einen Radweg immer Aug in Aug mit den Colli Euganei, den Euganeischen Hügeln gegenüber.
  • Dann wieder sekundäre Sträßchen. Den Rückweg hatte ich mit bikemap geplant und auch die Option Schotterwege und unbefestigte Wege zugelassen. Das sorgte einige Male zu interessanten Wegstücken über kaum erkennbare Wege. Zum Glück nicht größere Strecken, sonst wäre es wohl Nacht geworden vor unserer Rückkehr. Ansonsten ging es wieder von Dorf zu Dorf.
  • Die letzten gut zehn Kilometer vor Verona fahren wir auf dem südlichen Etschdamm – Schotterweg, aber für unsere Gravelbikes kein Problem.
  • Ab Verona entscheiden wir uns denselben Weg, wie bei der Hinfahrt zu nehmen. Wer mag könnte auch über Bussolengo und Sandá zurück.

Tag 2: Am Tag drauf eine Tour zum Regenerieren … 120 km durch die Colline Moreniche südlich des Gardasees und Poebene. Siehe hier.

Durch die Nacht kurven …

Randonnée dei fiumi e dei laghi                             italiano    GPX download      strava

Flüsse und Seen waren das Hauptthema dieser 300 km langen Radfahrt organisiert von Simonetta und Musseu.
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Startplatz sehr schön gelegen in der wunderschönen Sportanlage von Montorio, Villa Guerrina. Start mit 350 weiteren Verrückten um 11 Uhr in der Nacht in Montorio bei Verona.
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Nach einem chaotischen Intermezzo durch Verona … sehr sehr viele Fußgänger und Verkehr um diese Zeit, für mich Stress pur. Aber war schon Gänsehautfeeling nachts an geschichtsträchtigen Orten vorbei zu radeln: Arena di Verona, Ponte Scaligero, Castelvecchio, Piazza Arsenale, …

Dann ging es hinaus in die Nacht. Der Radweg nach Mantua lässt mich aufatmen. Allerdings ziehen sich die Kilometer in der Dunkelheit wie Kaugummi. Und es ist empfindlich kalt.
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Fast unheimlich, wenn im Dunkeln plötzlich die Seen rund um Mantua auftauchen und die beleuchteten Fassaden der historischen Gebäude.K640_20190324_021758

Im Zentrum von Mantua der erste Kontrollpunkt. Es gibt traumhaft gute süße Teilchen.

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Weiter zum Glück auf dem Radweg. Vorbei an Valeggio sul Mincio. Ich kann die gewaltigen und düsteren Gemäuer der Visconti-Brücke nur  ahnen, als ich drunter durch fahre.  Peschiera am Gardasee. Als ich am frühen Morgen am Hotel Enjoy vorbei radle, K640_20190324_055946sehne ich mich nach einer Tüte Schlaf. Wie schön war es hier verwöhnt zu werden.  Aber wir müssen weiter. Am Ostufer des Gardasees entlang. Zum Glück gibt es so früh am Morgen noch kaum Verkehr.

Wunderschöner Sonnenaufgang und Morgenstimmung am See.

In Bardolino im legendären Becycle Bike Cafè melden wir uns zur zweiten Kontrolle. Ein toller Laden, allerdings waren die Angestellten maßlos überfordert bei den gleichzeitig eintrudelnden vielen Radlern. Oder wir sind einfach zu spät dran, denn es gibt nichts mehr zu essen bzw. wir hätten stundenlang warten müssen. Also hungrig weiter.

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Der See ist ziemlich aufgewühlt. Natürlich. Wir haben ja auch mächtigen Gegenwind. Aber die Aussicht dann vom Rückenwind nach Verona zurückgeschoben zu werden ist auch nicht schlecht.

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Von Torbole geht es wieder auf dem Radweg entlang des Flusses Sarca weiter. Vorbei an Arco, Dro …

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… und dann ein weiteres Highlight der Lago di Cavedine. Er liegt am Rande der Marocche, dem gewaltigen Bergsturzgebiet.

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Nun folgt leider ein Stück Straße, die Aussicht macht es wett, der nächste Stopp in Loppio beim Bicigrill „Duchi’s“ hat ziemliche Anziehungskraft und die Steigung an Nago vorbei zum Passo San Giovanni ist schnell gemeistert.

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Und wie immer gibt es bei „Duchi’s“ sagenhafte Köstlichkeiten. Gestärkt ziehen wir weiter. Nur noch 90 km bis zum Ziel.

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K640_20190324_113742Den Etschradweg kennen wir ja inzwischen schon in- und auswendig. Den Bicigrill ruotalibera in Avio passieren wir in voller Fahrt. Sehnsüchtig der Blick auf die vielen Radfahrer, die gemütlich in der Sonne sitzen. Es bleibt nur Zeit für ein Foto. Aber wir haben es ja so gewollt.

Hermann verhindert durch eine Vollbremsung einen Beinahe-Crash mit einem Hund. Fazit, Platten. Nach der Reparatur folgt ein wunderschöner Teil Radweg hin zur Veroneser Klause. Was für ein Spektakel: Die Etsch quetscht sich hier sozusagen in einigen Schlingen durch einen Fels-Engpass.

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Nun geht es durch die Ebene vor Verona. Landschaftlich meiner Meinung nach nicht so sehr erhebend. Aber es gibt doch einige schöne Augenblicke einzufangen.
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Die letzten Kilometer geht es entlang des Biffis-Kanal und der Etsch bis wir schließlich Verona erreichen. Nun geht es aber nicht bequem durch Verona durch, sondern Musseu hat sich was Besonderes einfallen lassen, ich finde es aber einen großen Segen, dass wir die verkehrsreichen Stadtstraßen meiden dürfen und nehme die zusätzliche Höhenmeter um den Parco delle Colombare zum Castel San Felice dankend in Kauf. Von dort kann man runter sausen bis fast zum Ziel.

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Etwa einen Kilometer vorher zischt aus Hermanns vollgebremstem Reifen wieder die ganze Luft raus. Aber es ist ja kein Wettkampf und so trudeln wir entspannt zu Fuß in Villa Guerrina ein, wo wir uns bei Bohneneintopf, Orangen, Getränken und Colomba (eine italienische Osterspezialität) stärken können.

Wer jetzt Lust auf mehr bekommen hat, es gibt in Kürze noch zwei weitere Brevets: eine über 400km und eine 600km
Informationen hier: I magnifici quattro
400 Valsugana
600 Dolomiti

Rad-Vorfrühling in Peschiera

Zuhause noch Eiseskälte und Schnee … es zieht uns in den sonnigen Süden, nach Peschiera, dem Rennradparadies.

Unsere Touren:

  1. Durch die lessinischen Hügel des Valpolicella: Von Peschiera rund um Negrar (90km/ 1350Hm)
  2. Von Peschiera in die Brescianer Berge (135km/ 1350Hm)
  3. Von Peschiera Richtung Monte Baldo: San Zeno + Spiazzi (83km/ 1400Hm)

Wir folgen den „suggerimenti“ von Manuel Jekel quartieren uns im Bike Hotel Enjoy, dessen Chefs auch begeisterte Rennradfahrer sind und ein umfangreiches Rad-Sport-Programm anbieten. Wir sind überrascht über die sehr schöne Anlage, das saubere sehr geräumige und komfortable Zimmer auf den Garten hinaus. Wir fühlten uns sehr wohl. Die Belegschaft ist sehr freundlich und zuvorkommend. Erwähnenswert unbedingt die Küche: Eine ansprechende Speisekarte und sehr lecker zubereitete Gerichte und nicht zu vergessen das Super-Frühstücksbuffet. Wir werden sicher nicht das letzte Mal hier gewesen sein. Von der Haustüre aus kann man in alle Richtungen schöne Touren fahren, je nach Lust und Laune abwechslungsreich durch Hügel oder Ebene, den Mincio-Radweg entlang oder nicht weit zu den steileren Anstiegen des Monte Baldo oder der Brescianer Berge.

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Vernunft. Wo bist du?

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Naja, vernünftig? Was ist das?
Plan: Das „Tuifele“ bewegen und von Brixen nach Glurns und zurück. Starker Nordwind angesagt. Mal gucken wie weit ich mit meinem Willen komme, wenn schon die Vernunft nichts zu sagen hat …

Start bei minus 6° durchs Eisacktal. Rückenwind, na klar. Ab Bozen wird es ernst, Gegenwind, aber wärmer. Gemütlich auf die Töll raufgezuckelt und dann wird es krass. Ein Gegenwind wie noch nie. Besser gesagt „Gegensturm“. Teilweise voll in die Pedale getreten und nicht mehr als 10 km/h im Flachen geschafft. Spaß ist was anderes. Zudem krachte es immer wieder im Gehölz neben dem Radweg. Von Ästen erschlagen werden? Nein, danke! Ein paarmal hat mich eine Sturmböe fast vom Rad gesäbelt. Der Gedanke reifte langsam, nur noch ein paar Kilometer durchhalten bis km 100 und dann zurück.glurns_teufelchen

Unterwegs treffen „Tuifele“ und ich noch zwei Teufelchen, große. Denen scheint der Sturm nichts auszumachen. Neugierig beäugen sie mein Tuifele. Weiter geht’s. Im Schritt-Tempo. Bei Kastelbell hat es einige große grüne Obstkisten aus ihrer Verankerung in luftiger Höhe gerissen und die Kisten hängen nun kreuz und quer in der Luft. So eine auf die Rübe bekommen ist wohl nicht lustig. Gedanke „Glurns“ adieu. Wirklich nur noch bis zu km 100. Naseputzen ist auch nicht mehr drin. Beide Hände müssen am Lenker bleiben. Radfahrer sind keine unterwegs. Warum wohl? Stimmt doch nicht … eine ist da. Ich.
Beim Gedenkstein in der Latschander drehe ich um. Kurzer Gedanke an die, die leider nicht mehr Rad fahren können, dann geht es zurück. Der Wahnsinn: An die 40km/h fast ohne Treten und einige getrocknete Blätter tanzen trotzdem noch lustig vor mir her. Das sagt eigentlich alles zu den Verhältnissen heute.glurns1

Hunger. Anstatt Hungerast lieber eine Hunger-Rast … Eine Bank … Netter Spruch: „Huck di her und redn mor“. Worüber denn? Über Vernunft??? Lieber Brot essen …
Ab Terlan wieder Gegenwind. Durchs Eisacktal sowieso. Gerade im Fernsehen gehört, es hatte Sturmböen über 100km/h!!!
Vor Klausen wird es dunkel. Und gerade jetzt: ein Platten. Hilfe, was mache ich denn jetzt? Tubeless Reifen. Ich versuche Luft einzupumpen, aber der Reifen ist total platt und Pumpen ist sinnlos(siehe unten). Lampe am Zaun montiert, Werkzeug und so ausgepackt. Felge raus, T

glurns_latschander

aschentuch gesucht, Milch aus dem Reifen rausgeputzt, gefühlt, ob irgendwo was Spitziges steckt, igitt. Schlauch rein. Reifen wieder in sein Bett. Ein Drittel ist drin. Dann geht nichts mehr. Ich schaffe es nicht. Immer wieder rutschen meine inzwischen gefühllosen Finger ab. Der Reifen sträubt sich. Die letzten Zentimeter gehen nicht über den Felgenrand. Mist. Was machen? Das gab es noch nie … Göttergatten anrufen. Taxidienst anfordern. Mist, jetzt fehlen 10 km auf die 200 …
Aber: Das kommt davon, wenn man am dritten Januar schlauer sein will als der Wetterbericht. Aber schön war es doch … Und was einen nicht umbringt, macht einen nur stärker …
Die nächsten Tage werde ich wohl daheim in der warmen Stube bleiben, wie es sich gehört … oder … müsste ich nicht … nach Bozen … zur UISP? Könnte ich da nicht mit dem Rad hin? Sind doch nur läppische 38 km … und zurück … (Stellt sich am Tag drauf heraus, dass zum Glück Büro geschlossen, so werde ich wohl gezwungen zuhause zu bleiben).

Zuhause richtet H. meinen Reifen. Schlauch raus. Milch rein. Aufpumpen. Und siehe da, am nächsten Tag ist noch alle Luft drin. Man sieht kein Loch. Nichts. Äußerst seltsam. Warum ist innerhalb eines Kilometers alle Luft draußen. Vor Klausen waren einige Kilometer mit jeder Menge Ästen auf dem Radweg, über die ich zum Teil drüber gebrettert bin. Klar, dass ich mit der „schwachen“ Pumpe nichts ausrichten konnte, der Reifen war sozusagen aus seinem Bett. Wer hat eine Idee, was da passiert sein könnte?

Beh, ragionevole? Che cos’è?

Questo era l’intenzione: Fare und giro con il mio piccolo “diavolo” da Bressanone a Glurnes in Val Venosta e indietro. Annunciato un forte vento da nord. Vediamo fino a che punto posso arrivare con la mia volontà, quando la ragione non ha nulla da dire ….

Si parte a -6° attraverso la Valle Isarco. Vento a favore, naturalmente. Da Bolzano si fa serio, vento contrario, ma è più caldo. Piccola salita sulla Tel e giá mi trovo nella Valle Venosta. Ora ho vento contrario come mai prima. Vento? Meglio orcano. Parzialmente pedalo con tutte le forze e non sono piú veloce di 10 km/h – in pianura. Divertimento è un’altra cosa. Inoltre, vicino a me negli alberi di tanto in tanto sento dei rumori … Rami cadenti? Essere picchiata dai rami? No, grazie! Un paio di volte raffie di vento mi hanno quasi bocciato dalla bici. Lentamente il pensiero matura, me ne vado ancora solo pochi chilometri e poi giro boa … fino a Laces … giro boa a chilometro 100, per raggiungere i 200.

Lungo la strada, „Tuifele“ (=diavoletto) ed io incontriamo altri due “diavoli”, quelli grandi a quattro zampe. A loro non sembra che la tempesta sia un problema. Curiosi guardano il mio “Tuifele”. Eccoci qua. Proseguiamo. A passo d’uomo. Vicino la ciclabile alla cooperativa agricola il vento ha buttato alcune delle grandi contenitori di mele vuoti e quelli ora pendono in alto. Non credo che sia divertente averne uno in testa. Glurnes, adieu! Adesso sono sicura. In realtà non posso neanche pulire il naso: Entrambe le mani devono rimanere sul manubrio. Non ci sono ciclisti lungo la strada. Adesso so anche il perché. Non è vero. Ce n’è una.

Al monumento dell’ incidente del treno anni fa mi giro. Un breve pensiero a queste dieci vittime che purtroppo non possono più andare in bicicletta … e mi giro verso est. La follia: Circa 40km/h quasi senza pedalare e alcune foglie secche sono ancora piú veloci di me. Che in realtà dice tutto sulle condizioni meteo di oggi.

Affamata. Una panchina …. Ce scritto in dialetto: „Huck di her und redn mor“.
Ci sediamo e chiacchieramo … Di che cosa? Sulla ragione? Mangio il mio panino.

Da Terlano in poi, di nuovo col vento contrario. Comunque, attraverso la Valle Isarco. Appena sentito in TV che ha avuto raffiche di vento oltre 100km/h!!

Fa buio a Chiusa. E in questo momento l’aria esce dalla ruota. Aiuto, cosa è da fare? Copertoni tubeless. Cerco di mettere l’ aria, ma il copertone è completamente piatto e il pompaggio è inutile. So che cosa mi aspetta. Metto una camera aria che meno male ho messo nella mia borsa. Ma non riesco dopo a mettere il copertone sul suo posto. Una mezz’oretta o di piú è passata … le mie mani sono giacciate. Non mi resta altro che fare una telefonata a mio marito e chiedere il servizio taxi … Mai fatto prima … e nemmeno completo le 200 … Pecato!

Ma questo è ciò che succede quando si vuole essere più intelligenti delle previsioni meteo del 3 di gennaio. Ma cio nonostante è stato un bel giro e una bella avventura ….. E in tedesco c’è un modo di dire: Ciò che non ti uccide, ti rende solo più forte ….

A casa, H. vuole riparare il copertone. Mette di nuovo lattice. E l’aria non esce piú. Strano …

Madrid Gijon Madrid

nächst der Film – prima la Video – first the Video – primero mi video

Resoconto in italiano      strava   Artikel von Michael Andres in der Zett, 28.10.2018, S.20f

Wir haben es geschafft. 1250 Kilometer  durch die Gluthitze des sommerlichen Spaniendolomiten_26_09_seite_25s in knapp 86 Stunden. 10.000 Höhenmeter waren zu überwinden. Dabei war es auf den Bergen empfindlich kalt. Die Temperatur-Spanne reichte von 3° bis etwa 40°.
Bei einer Maximalzeit von 90 Stunden hieß das für uns Pedalieren, Pedalieren, Pedalieren und wenig schlafen. Spaniens Landschaften sind wunderbar. Die Straßenränder blitzblank. Die Autofahrer sehr radfahrerfreundlich gesinnt.

Torrelaguna, Sonntag, 20:00 Uhr20180819_185101
Kurz vor dem Start. Nochmal Luft einpumpen. Mein Hinterreifen gibt ein vorwurfsvolles Pfffffffft!!!!! von sich und drückt damit sein Unverständnis aus, dass ich auf eine so lange Reise mit einem defekten, d.h. gelöcherten Mantel starten will. War vielleicht nicht gerade eine weise Idee. Aber ich kann doch nicht bei jeder Ausfahrt einen neuen Reifen aufziehen, denn bei jedem neuen passierte bisher immer was. Mit Tubeless aber nicht das große Problem. Loch, etwas Dichtmilch entweicht und das war’s. Zum Glück hat mir für alle Fälle Rolf einen neuen Reifen geliehen, den ich, schicke ich mal voraus, die 1250 Kilometer durch Spanien schleppen werden. V20180819_195457or uns 1250 Kilometer und zehntausen Höhenmeter. In der zweiten Gruppe radeln wir los. Endlich, denn in der Warteschlange ist es um diese Zeit noch brütend heiß. Hab ich wohl alles? Aber bei den Dimensionen meines Gepäcks vorne und hinten kann gar nichts fehlen. Den ersten Kontrollpunkt nach 166km werden wir noch in der Nacht erreichen. Davor gibt es zum Glück eine Bar in Atienza, die extra für uns Randonneure die Nacht durchmacht, wie wir … Endlose Geraden durch Felder und ein traumhafter Sonnenuntergang.

Richtung Cogollugo, Kilometer 30
Die Sonne ist jetzt weg. Wunderschöne Stimmung. Ich habe schon Hunderte von Bildern geschossen. Im nächsten Kreisverkehr steht einer der Marshalls und deutet auf mein nicht eineschaltetes Licht. Au weh. Vor lauter Beschäftigung vergessen. Disqualifikation? Er ist milde und ich beleuchte mein Rad schnell. Schnell wird es zappenduster. Vor und hinter uns Radleuchten, sonst nichts. Einsamkeit. Da! Vor uns lautes Geplapper, azzurre Radshirts, wir fahren ein Stück mit der lustigen Italienergruppe um Pino, dann wieder Einsamkeit.

Atienza, Montag gegen 1 Uhr
Was hatte ich mich doch auf einen schönen café con leche gefreut. Die Bar habe ich jedenfalls nicht gefunden. Mist! Vorbei. Meine Garmin wollte wohl keine Pause.
Wieder Einsamkeit, keine Dörfer, nichts … Meine Scheinwerfer streifen immer wieder Bäume oder Sträucher (?). Ich stelle mir die Landschaft vor. Vermutlich fahren wir durch einen dichten Wald ähnlich wie zuhause. Wir pedalieren durch Kastilien-La Mancha im Herzen Spaniens, durch die Heimat von Don Quijote, dem traurigsten Ritter der Literatur.
Lange Steigungen. Zum Glück mäßig steil. Ich habe eine geniale Idee mir die Zeit zu vertreiben: ich nehme meine Eindrücke mit meinem Smartphon auf…

Mich holt langsam die Müdigkeit ein, es ist schon lange Schlafenszeit, aber ich habe noch eine Zauberwaffe: Gummibärchensaft … Mein erster Versuch mit Red Bull …, ein Schluck … ekelhaft, aber wirkt sogar. Steigung. Weiter einsam durch die Nacht. Einsam? Hunderte blinkende Lichter um mich herum.  Meine Radfahrerkollegen werden sich doch nicht alle verfahren haben? Gibt es hier so viele Straßen? Plötzlich steht ein Riese vor mir … Schreck! Er hat sein blinkendes rotes Auge auf mich gerichtet. Auf mich kleines Menschlein. Er seufzt und jammert mit flatternden Flügeln. In einem Anfall von Mut galoppiere ich mit meiner Rosinante auf ihn zu. Dem werde ich es zeigen! Oh, Mist, Lanze vergessen … Unsanft wache ich aus meinen Tagträumen auf, ähh aus meinen Nachtträumereien. Ich lasse Quijotes Windmühlen hinter mir, Tausende von Windturbinen. Aha, ich habe den höchsten Punkt erreicht. Nun stehen 20 Kilometer Abfahrt vor mir. Ein letzter Schluck Gummibärchen-Zaubertrank und ich stürze mich in die Tiefe. Halt da war doch noch was … Die Veranstalter hatten eine Gefahr vorhergesagt für diesen Streckenabschnitt. Ich verlangsame.  Die Veranstalter hatten nicht übertrieben mit ihrem „gefährliche Abfahrt“. Ein Asphalt-Flickenteppich übersäht mit zentimetertiefen Kratern erfordert vollste Aufmerksamkeit. Der Wegabschnitt wird wohl noch aus der Zeit des traurigen Ritters stammen … Die Zaubertrankwirkung lässt etwas nach. Ich erwische einige Löcher oder besser, die Löcher erwischen mich … Was bin ich um die Tubeless-Hufe meines Gaules froh. Wenn ich auch sorglos mit einem defekten Mantel losgefahren bin. Ich kann doch nicht nach jeder Ausfahrt einen neuen Reifen kaufen … Habe schätzungsweise schon x neue gekauft und hatte jedesmal bei der ersten Fahrt schon ein Löchlein, aus dem etwas Dichtmilch austrat und die Sache hatte sich. Hoffentlich war ich nicht zu blauäugig dieses Mal …

Ayllon, Kilometer 166, Montag, 4.16 Uhr
Erste Kontrollstelle. Durch den Gummibärchensaft bin ich ganz schön aufgekratzt. Es gibt café con leche und Hühnchensuppe, natürlich alles gegen Bares. Kurzer Aufenthalt und wir machen wir uns wieder auf den Weg.
Wir sausen durch die Nacht auf wunderschön  tendenziell abwärts laufender Straße mit nagelneuem Straßenbelag. Nach 20 km schon der nächste Anstieg. Ich vertreibe mir die Zeit meine Gedanken zu memorisieren und rede vor mich hin. Den verständnislosen Blick der mich überholenden Spanier kann ich förmlich auf mir spüren. Atemlos in der Nacht … Sehen kann ich leider nichts, so träume ich mich durch die Landschaft.
Nachtrag: Knoppers kauend lässt es sich nicht so leicht diktieren. Müde … Um nicht einzuschlafen lese ich aus Verzweiflung die Schilder, die am Wegesrand stehen: „alojamento rurale“ – hmmm, Ferien auf dem Bauernhof wären jetzt auch ganz schön. Dann könnte ich jetzt in angenehm weichem Federbett träumen und müsste nicht gelangweilt durch die Nacht radeln. Sehen tut man absolut nichts, nur wenn das Scheinwerferlicht einen Busch, Stein, … streift.

Richtung Tortoles de Esegueva, Km 198, Montag, 5.55 Uhr
Hermann habe ich wegen der Aufnahmetätigkeit vorausgeschickt. Ein Licht am Straßenrand. Hermann wartet auf mich? Mit einem liebevollen „Hoila!“ begrüße ich ihn. Oje, das waren die Spanier. Wieder verständnislose Blicke …

Km 200, Montag, 6.00 Uhr
Immer noch stockduster. Hoppala die Spanier kommen von hinten. Aber die drei haben sich wohl vervielfältigt und sind doppelt so viele. Wir bleiben dran. Aber der Haufen fährt etwas undiszipliniert, besser etwas Abstand halten. Bald wird es wohl hell werden. Ich bin trotz fehlendem Gummibärchensaft nicht mehr so müde.

Km 212, Montag, 6.30 Uhr
Vor mir ein sich bewegendes Leuchtstäbchen. Aha, einer der Motorradfahrer, der uns eine Kreuzung anzeigt. Die drei oder vier Fahrer leisten in den paar Tagen eine sehr wertvolle Arbeit. In der Dunkelheit – wird es denn heute garnicht hell? – kommt die Langeweile wieder mal über mich, Ich fange an zu rechnen. Wieviele Kilometer bis zur nächsten Kontrolle, Zeit bis dahin, wieviel noch vor uns. Für eine einfache Rechenaufgabe brauche ich manchmal an die 2 Kilometer lang. Hahaaaa! Gehirn auf Sparflamme. Noch etwa 30 Kilometer bis zum nächsten café con leche.

Km 222, Montag kurz nach halb sieben
Langsam wird es hell. Wir sind in der Nähe einer größeren Stadt. Aranda de Duero. Die Straße ist schrecklich. Ein Kreisverkehr nach dem anderen. Beginnener Berufsverkehr. Einige Autos mit nur einem Licht. Puhhh! Hoffentlich sehen uns alle. Angst.

Km 229, Montag gegen sieben Uhr morgens
Die Sonne lässt sich noch nicht blicken. Wolken am Horizont. Unendliche Reihen mit Weinreben wechseln sich mit Sonnenblumenfeldern ab. Zum Glück weniger Verkehr. Es geht ständig auf und ab. Ich kann den café con leche kaum mehr erwarten.

Tortoles de Esqueva, km 250, Montag, 8.42
Wir sind gerade aus der Kontrollstelle weg. Es ist kalt, 9°, obwohl die Sonne schon aufgegangen ist. Eine lustige Episode: Ich habe mir in der Bar das volle Programm gegönnt: Bocadillo (ein riesiges belegtes Brot mit Tortilla und Schinken, Café, Obst, Cola). Als ich das Lokal verlasse und dorfabwärts Wasser aus dem Dorfbrunnen in meine Trinkflaschen fülle, rennt mir die Wirtin nach. Sie gestikuliert aufgebracht und redet auf mich ein, logisch auf Spanisch. Ich verstehe nichts. Sie versucht es noch einmal, zählt Ess-Sachen und Getränke auf und sagt irgendwas von „pago“. Jetzt geht mir ein Licht auf. Ich gebe ihr zu verstehen, dass mein „marido“ gezahlt hat. Sie zieht zufrieden von dannen, ich ziehe ab, komme mir wie eine Verbrecherin vor. Geschäftstüchtig sind sie schon. Rolf wird zwei Tage später seine Rechnung doppelt zahlen. Die Einschreibegebühr für das Brevet war nicht wenig, aber fast überall muss für Speisen und Trank gezahlt werden.
Noch 73 km bis zur nächsten Kontrolle. Es geht gleich mit einer „giftigen“ Steigung los.
Drei kleine Berge. Dazwischen endlose Felder. Straßen die kerzengerade am Horizont verschwinden.

K800_20180822_132051Torquemada, Km 288, Montag, 10.15 Uhr
Wir fahren bei Torquemada über eine wunderschöne Brücke über den Fluss Pisuerga. Sie ist aus dem 16.Jh. und besteht aus 25 Bögen, die nicht gerade an das andere Ufer führen, sondern gekurvt.
Wir biegen nach rechts ab. Es trifft mich wie ein Hammerschlag. Gegenwind. Frontal. 12 km geradeaus. Sehnsuchtsvoll denke ich an meinen Triathlonlenkeraufsatz zuhause. Darf man aber nicht nutzen hier. Ich strample mich ab. Immer wieder schaue ich erwartungsvoll auf meine Garmin, wann die Straße wohl um ein paar Grad die Richtung ändert. Es wird immer heißer.

Astudillo, Km 300, Montag 11.00 Uhr
Scheinbar endlos empfundene Zeit und endlos verla20180822_100837ufende Straße. Nun ist es endlich soweit. Wir haben den Wind im Rücken. Die Kilometer bis zur nächsten Kontrolle sind eine Freude.

Fromista, Km 322, 11.42 Uhr
Wir sind im Pilgerstädtchen. Hier treffen wir auf den Camino de Santiago. In der Kontrolle gibt es Melone und Getränke, gratis. Wir entscheiden uns für einen Besucht des Supermarktes und verpflegen uns vorzüglich. BrK800_20180822_092335ot, Ziegenkäse, Tomaten, Trinkjoghurt, Cola, Radler – alkoholfrei natürlich, Haferkekse, Müsliriegel, die sich als Schokoriegel outen und dann später in der Hitze als Trinkschokolade dienen.
Nach fast einer übertrieben langen Pause -wo rennt nur die Zeit hin?- geht es weiter. Die nächste Etappe fürchte ich. Lang, 115 km und wie wird wohl der Wind sein? Am Ende liegt dann unser erstes Schlafquartier, schon gebucht im Hostel El Cruce.

Sahagún, Km 400, gegen 16.00 Uhr
Wir feiern den runden Kilometerstand mit einem Besuch in der Bar mit Eis und Cola. Der sehr nette Barmann füllt unsere Flaschen mit frischem Wasser und Eiswürfeln. Welcher Luxus.  Ab Frómista war unsere Straße kilometerlang neben dem Pilgerweg verlaufen. Die armen Pilger, die in der prallen Sonne durch die Gegend latschten, kilometerweit ohne auch nur den klitzekleinsten Schatten. Dann doch lieber etwas Gegenwind. Die Straßen verschwanden endlos in der Ferne. Stoppelfelder, Felder, Felder. Jeden Brunnen hatten wir dankend angenommen. Ganzkörperdusche. Die nasse Kleidung kühlte etwas im heißen Föhnwind. Noch etwa 40 Kilometer hügelig bis zum Schlafen.

Cisternia, Km 437, Montag, 18.45 Uhr
Wir holen unseren Wechselbeutel und marschieren ab in unser gebuchtes Hotel. Ich hatte Marianna getroffen, die mit Tränen in den Augen mitteilt, dass sie wegen Magenproblemen entschlossen hat aufzuhören. Ich versuche sie noch zu überreden und vorzuschlagen erst mal richtig zu schlafen, aber es geht ihr anscheindend wirklich nicht gut und über die Hälfte der Strecke haben wir noch vor uns. Darunter am nächsten Tag sehr viel Aufstieg.

Cisternia, 2.45 Uhr morgens
Siebeneinhalb Stunden Stillstand. Hermann schimpft. Gut geschlafen habe ich auch nicht. Zwar schnell eingeschlafen, aber um Mitternacht werden wir aus dem Schlaf geklopft es an der Tür. Ein Mitarbeiter bringt Frühstück!!! Ich kann natürlich nicht wieder einschlafen. Hermann säuselt vor sich hin. Apropos Hotel. Es wird nur Spanisch gesprochen und wir auch nicht ansatzweise verstanden. Es vergeht über eine Stunde, bis wir den Besitzern „aufgedeutscht“ haben, dass wir ein Zimmer vorreserviert hatten und dass wir gerne wie besprochen ein kleines Frühstück hätten vor Abfahrt gegen 2 Uhr früh. Misstrauisch und sehr reserviert wurden wir in der Folge bedient.  Auf das Abendessen mussten wir verzichten, da wir um 21.00 gerne schon schlafen wollten.
Wir sind wieder auf dem Weg in Richtung Cangas de Onis. Der Wind weht schon ziemlich stark und es ist recht kühl. Wir haben das Zimmer für zwei Nächte gezahlt und hoffen, dass wir nicht zu spät, zurück sind und sich noch eine Mütze voll Schlaf im Hotel ausgehen,  denn vier Etappen liegen vor uns und über 3000 Höhenmeter. Und wahrscheinlich Gegenwind auf dem Rückweg.Spannung pur!

Km 457, Dienstag, 3.45 Uhr
Ein Licht kommt uns entgegen. Wenn sich da nicht einer verfahren hat, dann ist es der erste auf dem Rückweg. Wahnsinn. Der hat schon 800 Kilometer hinter sich und wir nicht mal 500 …

Km 480, Dienstag, 5.10 Uhr
Beim Start in Cistierna war die Kontrollstelle schon geschlossen für die Hinfahrt. Fünf Rennräder standen noch vor der Sporthalle. Das bedeutete, dass wir vermutlich nach unserer Luxuspause wohl so ziemlich unter den letzten Teilnehmern waren. Aber jetzt haben wir gerade einen Radfahrer überholt, wir rollen das Feld von hinten auf und sind nun an vor-, vor-, vor- usw. letzter Stelle. Wir überholen Giustina und Pamela. Sie werden uns später erzählen, dass sie in jeder Nacht nur eine Stunde geschlafen haben. Schreck! Was ist das? In der Ferne erhebt sich mitten auf der Straße ein riesiger Fellberg im Schein meiner Lampe. Ein Bär??? Nur nicht hingucken und vorbei. Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass es ein großer hellbrauner Hund ist. Ich krame aus den hintesten Schlingungen meiner Gehirnwindungen Verhaltensregeln. Nur nicht direkt anschauen. Krampfhaft schaue ich an den Straßenrand, der Hund zu mir herüber. Nächster Gedanke das Sprichwort: „Den letzten beißen die Hunde“. Hermann fährt hinter mir. Glück gehabt. Aber armer Hermann. Nichts. Nichtmal ein Knurrern. Gefahr gebannt.
Vor uns liegt nun eine 45 km lange Bergaufstrecke, dann Abfahrt nach Cangas.

Km 490, gegen 5.55 Uhr
Es geht rauf und runter bei knapp 7°, meine Finger frieren langsam ein. Unvorstellbar nach der Hitze gestern. Die nächsten beiden Entgegenkommenden, eine Stunde nach dem ersten. Ich bin froh um die Steigung. Es ist 6°kalt. Einige Kilometer sind wir nun an Ufern gefahren, wie mir die Map auf Garmin zeigt. Stimmt, wir waren anfangs in einigen Serpentinen den Berg hoch, dann über eine Staumauer gerollt. Inzwischen auch über zwei Brücken. Der Stausee muss ganz schon groß sein. Auf einer Halbinsel ein kleines Dorf mit mehreren Hotels. Der Picos de Europa, erinnere ich mich, ist ein Naturschutzgebiet und felsige Berge laden zum Wandern ein.

Km 506, 6.10 Uhr
Es hat nur noch 3°. Noch wenige Kilometer bis zum höchste Punkt. Juhu!  So verschieben sich die Prinzipien. War gestern bei fast 40° jeder Aufstiegsmeter eine Tortur, so bin ich jetzt froh um jeden Meter bergauf. Hätte ich jetzt gerne mein dünne Primaloft-Jacke bei mir, fand es jedoch beim Einpacken lächerlich, diese durch die Hitze Spaniens zu schleppen. Kalt ist mir. Ich habe inzwischen meine dünnen Handschuhe angezogen. So lässt sich zwar das Handy nicht mehr bedienen, aber mit Kinn und Zunge geht es verhältnismäßig gut. Not macht erfinderisch. Ich fürchte mich vor der Abfahrt.

Km 509, 6.20 Uhr
Gleich bin ich oben am Pico de Europa. Am Straßenrand Schneehöhen-Messstangen und ein Silo mit Streugut. Prima. Ich kann mir vorstellen es dauert nicht mehr lange bis zum ersten Schnee. Meine Füße sind Eisklötze. Ich müsste wieder mal was trinken, aber das eiskalte Wasser in der Flasche tut sicher meinem Magen nicht so gut. Wie sehr hätte ich am Nachmittag zuvor ein solches Wasser gewünscht. In Kürze ist es wohl soweit, die gefürchtete 40km-Abfahrt.

Cangas de Onis, Km 538, Dienstag, 6.37 Uhr
Die gefürchtete Abfahrt war nicht so schlimm. Ich habe alles Verfügbare angezogen. Mütze, zwei Shirts, Jacke.  Auf der anderen Seite des Kammes trafen uns in Abständen gefühlt warme Böen. Warm? Sie waren 7-8° waK800_20180821_080713rm. Dann wieder bittere Kälte. Im Tal dann kuschelige 10°. Im Stockfinsteren 40 km runter. Sehr viele Kurven. Die Strecke verläuft in der Schlucht des Rio Sella. Ich stelle mir im Dunkeln die Schönheit der Gegend vor, höre den Fluss rauschen, sehe enge Felsen am Rand. Irgendwann gehen meine Augen wieder mal über Kreuz. Ich habe gemischte Gefühle, denn die Strecke, die wir jetzt runter fahren müssen wir gegen Abend wieder hinauf. Wahrscheinlich werden wir von der schönen Gegend wieder nichts haben, weil es schon wieder dunkel sein wird. Kurz vor Cangas ist es hell geworden. In der Kontrollstelle sind sie sehr sehr nett. Wir stärken uns mit dem Üblichen.

Hoch über Gijon, Km 600, Dienstag, 11.01 Uhr
Über die vergangen Kilometer 65 Kilometer gibt es eigentlich nicht viel zu sagen, außer dass wir einer stark befahrenen Straße in endlosem Auf und Ab mit viel Gegenwind folgten. Zum Glück gab es eine Art Pannenstreifen, den wir Radfahrer nutzten. Bitter waren die vielen fröhlich grüßenden Radfahrer auf der gegenüberliegenden Seite. Aber je näher wir an den Wendepunkt kamen, desto süßer war das Gefühl bald auch zu den Zurückfahrenden zu gehören und mitleidig auf die Entgegenkommenden blicken zu können. Rund um Gijon trafen wir auf sehr viele Radfahrer. Das muss in der Gegend ein beliebtes Hobby sein. Eine Zeitlang fuhr ein Spanier aus Gijon mit uns, er wurde immer wieder mit „Olá babbo“  gegrüßt und erzählte, dass er schon 83 Jahre alt sei. Im nächsten Anstieg überholte er und zog davon. Fit der Mann! Und jetzt stehen wir vor der Abfahrt ans Meer hinunter nach Gijon und haben einen ersten Traumblick auf die Stadt am Atlantik.K800_20180821_125005

Gijon, Km 625, 11.58 Uhr
Wir sind da! Die letzten 5 Kilometer waren allerdings nervtötend gewesen. An die 20 Ampeln. Und jede dritte war rot, wenn wir sie als Radfahrer erreicht hatten. Also jedenfalls keine „grüne Welle“ für Radler. Aber der Empfang durch diK800_IMG_0370e Crew ist super. Wir werden verwöhnt, jeder Wunsch wird uns von den Augen abgelesen. Es gibt sogar Obst und Eis. Und alles ist gratis! Ich mache mir schon Sorgen mit meinem übervollen Bauch wieder die 14 Kilometer rauf fahren zu müssen in der sich anbahnenden Hitze. Noch ein paar Fotos schießen und wir brechen auf.

Hoch über Gijon, Km 639, Dienstag, 14.10 Uhr
Pamela und Giustina kommen uns entgegen. Werden sie es noch innerhalb 15.00 zum Wendepunkt schaffen? Die Steigung war weniger schlimm wK800_20180821_124540ie befürchtet. Ich war übermütig und bin ziemlich schnell den Berg rauf. Dabei überhole ich einige ungläubig staunende Radfahrer überholt. Ich mache noch schnell ein Foto von Barbara und ihrem Partner, die wir immer wieder treffen.

Cangas, Km 702, Dienstag, 16.40 Uhr
Wir sitzen hier bei der letzten Stärkung vor dem gefürchteten 45km-Anstieg auf den Picos de Europa. Die Rückfahrt von Gijon war easy. Etwas Gegenwind, aber der Gedanke, jetzt auf dem Rückweg zu sein beflügelte.

Cistierna, Km 803, Dienstag, 23.45 Uhr
Im Hostel El Cruce ist noch eine Menge los. Sehr viele Radfahrer fragen um einen Schlafplatz. Die Besitzer scheinen nun besser zu verstehen, was hier los ist und begrüßen uns freundlich. Wir bekommen sogar noch ein Eis. Auch das Frühstück steht schon im Zimmer. Einigen Stündchen Schlaf kann so nichts mehr imK800_20180821_203709 Wege stehen.
Die Fahrt auf den Pico de Europa stellte sich überraschenderweise leicht heraus. Ins Tal ging es ganz leicht aufwärts, nur die letzten 5 Kilometer waren ernsthafter Anstieg. Unterwegs gab es sogar noch ein offenes kleines Geschäft. Eispause. Schätzte ich bei Dunkelheit auf dem höchsten Punkt zu sein, ging gerade erst die Sonne unter. Unterwegs plauderte ich etws mit Jovan, einem Liegeradfahrer aus Bosnien. Die Schlucht des Rio Sella war traumhaft schön. Bei Nacht hatte ich sie mir ganz andeK800_20180821_214720rs vorgestellt. Auf dem Picos war es auch nicht so unsäglich kalt wie am frühen Morgen. Wir rollten abwärts und erreichten sogar den See noch bei Helligkeit. Wunderschön.
Dann nur noch leicht abwärts zurückrollen.
Noch schnell duschen. Wecker auf 5.00 Uhr gestellt. Nun kann der Schlaf kommen. Und er kommt.

Cisternia, immer noch Km 803, Mittwoch, 4.00 Uhr.
Ich werde von einem Wecker geweckt. Häh? Es ist doch erst 4 Uhr! Es ist der Wecker aus dem Nebenzimmer. Und der Schlafende wird anscheinend nicht geweckt. Mindestens nicht in den folgenden 10 Minuten. Dann rundherum Chaos pur. Unser Nebenbewohner geht oder besser stampft mindestens 50 Mal mit seinen Radschuhen hin und her. Was der wohl so treibt? Auf dem Flur wird es ebenso laut. Rufen, Radschuh-Geklapper, an Schlaf ist nicht mehr zu denken. Also schon die zweite „versaute“ Nacht. So ziehen wir auch los und fahren in die Finsternis.

Km 823, 5.20 Uhr
Zwei kleine Berge haben wir schon überwunden. Um uns ist verhältnismäßig viel Radverkehr. Woher kommen denn die alle. Wir sind schon lange nicht mehr unter den letzten. Wir fahren gerade durch ein Dörfchen, da hält ein entgegenkK800_20180822_172517ommendes Auto, der Fahrer spricht gestikulierend auf mich ein. Ich halte und gebe zu verstehen, dass ich eben nichts verstehe. Er versucht es in rudimentärem Englisch und ich antworte in ebenso rudimentären Englisch. Der Vorteil, man versteht sich. Er wollte wissen, was um diese nachtschlafende Zeit so viele Radfahrer machen. Von der MGM hatte er noch nie gehört, war aber stark beeindruckt und erzählte, dass er seit zehn Jahren ebenso Radfahrer ist. Er wünscht mir noch „good luck“ und ich muss weiter. Es ist immer noch dunkel. Ich möchte in keiner Gruppe mitfahren, das stresst mich. Die Zeit und die Kilometer ziehen sich zäh.

Mittwoch, 6:40 Uhr
Es ist zwanzig vor sieben. Ein leichter heller Streifen erscheint am Himmel. Immer K800_IMG_0406wieder muss ich stehen bleiben und Fotos machen. Kein Wunder, dass ich so langsam bin.

Frómista, Mittwoch, Km 918, 10.55 Uhr
Auf dem Rückweg schaut vieles so anders aus. Gleich blieb aber der Eindruck von den unendlich langen Geraden durch die abgeernteten Getreidefelder. Kaum einmal ein Strauch unterbricht zwischendurch die Unendlichkeit der Felder. Den Weg teilen wir uns nun wieder mit den Pilgerern, die uns entgegen kommen auf parallel verlaufendem Weg. In einer PilgerherbergK800_20180822_083343e am Weg frühstücken wir mit Giannino, Ivano und Christiano.
Hier in Frómista erfahren wir, dass es nachts einige Unfälle gegeben hatte. Ein schwerer Verletzter und Giuseppe, der von Sekundenschlaf niedergestreckt zwar mehr oder weniger unverletzt blK800_20180820_134745ieb, aber durch einen Radschaden aufgeben musste. Ich werde also wieder in meiner Einstellung bestärkt, dass es vernünftiger ist zwar nur einige wenige Stunden, aber dafür gut und in Ruhe zu schlafen, sprich Hotel. Wieder Einkehr im selben Geschäft. Und wir machen uns auf die Strecke, die ich unangenehm im Kopf hatte durch den starken Gegenwind.

Nach Torquemada, Km 1060, etwa 14.00 Uhr K800_20180822_131723
Die langen Geraden sind zum Glück ohne Wind leicht von der Hand gegangen. Es ist brütend heiß ohne den Wind. Vor der Brücke von Torquemada gab es zum Glück einen Brunnen. Die „Dusche“ kommt zurecht vor dem ersten der drei Hügel. Den ersten derK800_IMG_0435 „Berge“, ein Kamm mit zig Windturbinen, haben wir schon erklommen. Ich hatte mich schon auf die kurze Abfahrt gefreut, aber die war, wie wenn man einen heißen Ofen aufmacht und einem die glühende Luft entgegenbläst. Keinerlei Abkühlung. Die Schleimhäute trocknen aus und auch dauerndes Trinken nützt wenig. Der Schweiß trocknet gefühlsmäßig, bevor er durch die Poren tritt. Jeder Brunnen wird dankbar angenommen. Nun folgen noch etwa 20 Kilometer schnurgerade über eine kahle Hochfläche.
Tortoles de Esegueva, Km 1008, Mittwoch, 15.30
In Tortoles gibt es einen tosenden Applaus für die Ankommenden. Ich schwelge im K800_IMG_0429Gemüsebuffet. Ich glaube ich stamme nicht von Jägern, sondern von Sammlern ab. Und man merkt das auch unterwegs, ich konnte wieder meiner Sammelleidenschaft frönen. Gefunden habe ich bisher ein rotes Rücklicht, das sogar blinkt, jetzt habe ich endlich auch ein solches. Es entspricht zwar nicht der deutschen Straßenordnung, aber egal es blinkt so lustig. Verschiedene Handschuhe und Befestigungsbänder, die ich aber alle liegen gelassen habe. Auch ganz interessant schätzungsweise zwei Meter Kabelschutz, neu, war mir dann aber doch zu sperrig zum Mitnehmen.
Ärgerlich: Nach Tortoles blockiert meine Garmin. Ich muss sie ausschalten und habe halt nicht einen schönen kompletten Track. Mist! Muss ich halt Hermanns nutzen.
Vor uns liegt noch die unangenehme Stadtstraße von Aranda de Duero.

Fuentelcésped, Km 1047, Mittwoch gegen 18.00 Uhr
Die Stadt liegt glücklicherweise hinter uns. Vor dem Dorf hier überholte mich in vollem Speed eine Radfahrertruppe – ich muss betonen – keine MGM-Fahrer und wer hängt hinten dran? Hermann! K800_20180822_184808
Und weg ist er. Im Dorf entdecke ich eine Bar und hole mir ein Eis. Hermann kommt aus einer völlig anderen Richtung den Berg runter. Er erzählt, er habe sich der Gruppe angehängt, die ihm einen Brunnen zeigen wollte. Er hat sogar ein Gel geschenkt bekommen. Muss wohl völlig fertig gewirkt K800_20180822_185730haben auf die Radfahrer. Hahahaaaa! Nach dem Dorf wieder einmal unendliche Weiten. So stelle ich mir Straßen in den Staaten vor. Schnurgerade, einige Wellen.

Maderuelo, Km 1053, 19.50
Die vergangenen Kilometer führten wunderschön durch das Naturschutzgebiet „Hoces del Río Riaza“. Dass wir schon fast 1100 Kilometer in den Beinen hatten, vergaßen wir.  In einem Stausee spiegelte sich traumhaft das mittelalterliche Dorf Maderuelo. Über uns sind hohe Felsen und darauf … nanu, was war denn das? Zig riesen große Vögel mit dunklem Gefieder und weißem Hals. Gänsegeier. Tolles Erlebnis.

Ayllon, Km 1073, Mittwoch, 20.55 Uhr
In Ayllon machten wir noch eine Runde durch die Altstadt, K800_20180822_195715wie uns Luigi C. ans Herz gelegt hatte. In der Kontrollstelle dann großes Hallo. Ich sei die erste Frau, die hier durchkommt. Das kann ich nicht glauben. Stimmt aber. Kurz nach mir trudeln dann aber auch Barbara aus Italien und Elena aus Russland ein. Dann Essen und die Suche nach einem Schlafplatz. Eine nette Mädchengruppe zeigt uns einen Platz in der Turnhalle, der dann ärgerlicherweise aber besetzt ist, als ich vom Zähneputzen komme. Die versprochenen Duschen Fehlanzeige. Als ich dann endlich K800_20180822_203401einen Schlafplatz hatte, konnte ich kein Auge zutun. Es war sehr laut in der Halle. Schuhgeklapper, lautes Reden, … Ich muss garnicht geweckt werden als um Mitternacht jemand an meiner Schulter zupft, ausversehen sowieso eine Stunde früher wie ausgemacht, ist jetzt aber auch egal … Ich wecke Hermann. Ich will weiter. Die zwei Stunden ruhen haben aber doch gut getan.

Atienza, Km 1136, gegen 3 Uhr
Enttäuschung. War auf dem Hinweg hier die offene Bar, die ich nicht gefunden hatte, so hatte ich von Ayllon bis hier durchgehalten trotz Müdigkeit und mich auf einen café con leche gefreut. Auch Oskar und seine Kollegen irren auf der Suche durch die Nacht. Fehlanzeige, die Bar galt nur auf dem Hinweg. Nun müssen wir noch 43 Kilometer weiter. „Schlaflos in Seatle“ … Quatsch „Schlaflos im Sattel“ … Guten Mutes fahre ich, aber schon nach wenigen Kilometern die erste ernstere Müdigkeitsattacke. Ich beschließe mich kurz hinzulegen. Rad an die Leitplanken gelehnt und ich richte es mir auf dem harten Asphalt mit der Jacke drunter gemütlich ein. Hermann schicke ich weiter. Ich liege und schließe die Augen. Stille. Irgendwie unheimlich. Ich gucke in den Sternenhimmel. Gigantisch. Augen wieder zu. Gibt es hier in der Einsamkeit, kilometerweit  findet man keine Häuser, gibt es hier eigentlich irgendwelche wilden Tiere? Außer einem totgefahrenen Reh und einem Wildschwein hatte ich keine Tiere gesehen. Wildschwein? Und wenn dann eins hier in der Nähe ist? Oder wie ist es mit Wölfen und Bären? Irgendwie bin ich wieder hellwach. Also weiter. Einige Kilometer liegt Hermann in einem Bushäuschen. Mein Freilauf hatte ihn wieder geweckt. Zusammen fahren wir weiter. Bis zum nächsten Bushäuschen. Dort muss ich wieder Pause machen. Aber sobald ich liege, kommt kein Schlaf mehr und ich folge Hermann wieder. Ich beschließe die Geschwindigkeit zu erhöhen und siehe da das macht mich wieder munter. Ich schließe auf Hermann auf

Cogolludo, Km 1179, Donnerstag, 6.46 Uhr
Hier halten wir uns nicht lange auf, der junge Mann ist mit Stempeln und Café und Brote machen etwas überfordert und wir haben keine Lust lange zu warten. Auch Elena ist schon hier. Die Frau erstaunt mich. Sie ist immer alleine unterwegs, fährt etwas langsamer als wir, macht aber anscheinend kaum Pausen. K800_20180822_185730Wir überholen sie auf der letzten 66 Kilometern. Nach ein paar Hügeln, spärlich mit Büschen bewachsen – ich hatte mir die Gegend nachts waldig vorgestellt-  noch etwa 30 Kilometer Ebene durch die weiten Felder, dann Abfahrt und kurzer Aufstieg nach Torrelaguna. Auf der langen plattebenen Strecke wechseln wir uns jeden Kilometer ab und sausen mit einem Affenzahn dahin. Hätte mir vorher nicht vorstellen können, dass das noch geht gegen Ende. Hatte mir eher vorgestellt, dass wir die letzten Meter ganz gemütlich dahingondeln, Zeit genug hatten wir ja noch. Auf den letzten 5 Kilometern bei mir dann ein kleiner Einbruch. Die leichte Steigung fühlt sich viel steiler an und scheint nicht enden zu wollen.

Torrelaguna, Km 1250, Donnerstag 9.45 UhrK800_20180823_091037
Dann sind wir da! Unspektakulär. Kein Zielbogen, nichts. Schade! Stempel in die Karte, Foto davon, da die in Spanien bleibt und es gibt eine Kleinigkeit zu essen. Ende.
Und kurze Zeit später ist auch Elena da. Wie sie das gemacht hat. Alleine. Ohne Windschatten.
Duschen, etwas aufräumen und dann der ersehnte Schlaf. Und dann sitzen wir noch im ZielbereK800_20180823_145037ich rum und erwarten die letzten Fahrer. In letzter Minute kommen Pamela und Giustina. Der Veranstalter kommt und drückt uns drei Frauen Pokale in die Hand. Fotos werden geschossen. Aus.
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Ayllon, Montag gegen 4 Uhr

Alpi4000 – „a“ wie am Limit???

Geschafft!!                                                               italiano            Strava

Zuerst ein kleiner Vorgeschmack: mein Video

Zugegeben, das Stilfser Joch nach knapp 1500 Kilometern in den Beinen ist nicht ganz easy, aber die im Vorhinein mir vorschwebenden Wander-Kilometer über die 48 Kehren hinauf blieben auch aus …
Aber beginnen wir 132 Stunden vorher …

Alpi4000 … in den vorausgehenden Wochen mit gemischten Gefühlen entgegengefiebert, K800_20180722_070102stehe ich nun mit knapp 500 Rennradfahrern ausgerüstet für 140 Stunden, sprich 5 Tage und 20 Stunden, in Bormio an der Startlinie und warte, bis wir dran sind. Vor uns eine große Acht durch Norditalien, Schweiz und Frankreich, über 1500 Kilometer und an die 20.000 Höhenmeter. Krass!

TAG 1 (247 km/ 3600 Hm)

Etappe 1: Bormio-Bernina Pass (57 km/2051 Hm)
Hinter Bormio wird es gleich ernst, es geht hinauf zum Passo Foscagno, dann über den Passo Eira auf den Bernina Pass. Noch leichtbeinig überwinden wir die Höhenmeter undK800_20180722_102616a überqueren die Grenze zur Schweiz. Die erste Versorgungsstation lässt mein Herz höher schlagen: u.a. Aprikosen, Erdbeeren und Pizza.

Etappe 2: Bernina Pass – Chiavenna (72 km/ 316 Hm)
Nun geht es lange tendenziell abwärts durch das Engadin.
Inmitten der traumhaften Berglandschaft schlängelt sich ein roter Zug dahin, der Bernina-Express, ein Unesco Weltkulturerbe, schaut aus wie eine Modelleisenbahn. Die Schranke schließt sich vor uns. Ulrich meint, da können wir noch durch. Er schon … ich nicht … Vor mir sind beide Schranken zu, hinter mir pfeift der Zug … Auf allen Vieren krabble ich drunter durch. Noch mal gut gegangen. Obwohl ich sonst eine eher vorsichtige Fahrerin bin, düse ich schnell bergab, damit der Lokführer mich nicht erwischt und tadelt. Vorbei geht es nun an Nobelorten wie Pontresina und St.Moritz. An vier Seen vorbei ist der Maloja-Pass auf einem wie die K800_20180722_123918Italiener sagen „falsopiano“ schnell erreicht. Und die nun folgende Abfahrt ins Val Chiavenna ist spektakulär. Die Kontrolle hier ist gut ausgestattet, es gibt wieder Pizza und Wassermelone, köstlich!

Etappe 3: Chiavenna – Laveno (118 km/ 1263 Hm)
Obwohl die kommende Etappe als „agevole“ – also locker angekündigt ist, laugen mich die kleinen Anstiege in der Nachmittagshitze aus. Die ersten Kilometer legen wir zum Glück auf Radwegen zurück, entlang an den Ufern des Lago Mezzola. Dann geht es auf recht verkehrsreichen Straßen weiter. Wir erreichen den Comosee, dann den Lugano-See. Wie herrlich wäre hier ein „tuffo“ in das kühle K800_20180722_151319Nass. Es zehrt an der Psyche das quirlige Treiben der vielen Badenen an den Stränden zu beobachten. Gedanken kommen auf, ob wir da wohl die richtige Art des Urlaubs gewählt haben. Wäre es nicht viel schöner nun gemütlich am Strand im Liegestuhl zu lesen? Dann sich im Hotel verwöhnen zu lassen? Schnell beiseite gefegt diese demotivierenden Überlegungen. Ich bin jetzt hier. Ich habe es so gewollt. Und wie langweilig wäre die Alternative auf die Dauer. Wir gönnen uns irgendwo zwischendurch eine Eispause. Ein weiterer See, der Lago Muzzano und dann sind wir schon an den Ufern des Lago Maggiore. Hier wollte mein Bruder als „tifoso“ mit seiner Familie stehen. Drei Stunden hatten die Drei in der sengenden Hitze am Straßenrand ausgeharrt – nur für eine kurze verschwitzte Umarmung. Tomaten und Wasser wechseln den Besitzer, welche Wohltat. Hilfe von K800_20180722_200138Außen … Disqualifikation?? Dann müssen wir leider weiter nach Laveno. Essen und dann mit der Fähre über den Lago übersetzen. Am gegenüberliegenden Ufer habe wir ein Hotel gebucht. Ist zwar noch relativ früh, aber der Schlaf sollte gut tun, zumindest Hermann, ich wieder mal schlaflos, wie gewöhnlich …  gegen vier Uhr morgens rollt es sich trotzdem frisch weiter.

TAG 2 (280 km/ 3900 Hm)

Etappe 4: Laveno-Biella (92 km/ 1170 Hm)
Durch die kühle verkehrsberuhigte Nacht fahren ist eine Wohltat. Ab dem Lago d’Orta geht es etwas kupiert weiter. Bei den Abfahrten ist es in der Dämmerung ziemlich kühl. Ich habe kleine Müdigkeitsattacken. Nach der Cappuccino-Pause treffen wir Carla, Carmine und Aniceto. Die drei sind flott unterwegs. Kurze Pausen und via! Bis Biella wenig Aufregendes, leider hatten wir in der Dunkelheit auch keinen Panorama-Blick auf den Lago d’Orta.

Etappe 5: Biella – Venaria Reale (88 km/ 700 Hm)
Ein Blick auf die Schlafgelegenheit und sanitäre Anlagen und ich bin mir sowas von sicher, dass ich bei dieser Rando auf eine solche Übernachtung verzichten möchte. Wie können zivilisierte Menschen eine Örtlichkeit nur in solcher Weise hinterlassen? Essenfassen: Es gibt dasselbe wie an den letzten Kontrollen: Kalten Reissalat, Nudeln K800_20180723_094314a1oder Aufschnitt, Waffeln und Cioccolato fondente, eine leckere Bitterschokolade. Sehr schön führt die Strecke nun leicht über ein paar vom Gletscher geschaffene Morenen- Hügelchen zu Füßen der Gran Paradiso-Gruppe. Die letzten Kilometer fahren wir entlang einer endlosen Mauer. Mit 35 km umfasst sie den Parco La Mandria von der Dynastie der Savoyer errichtet und heute Naturpark und Weltkulturerbe. Die Kontrollstelle befindet sich im Innenhof der Reggia di Venaria, eine der prächtigsten savoyischen Residenzen. Mehr als Kontrolle gibt es allerdings nicht … Vielleicht sind wir so unter den letzten und außer Wasser und Waffeln und Schokolade alles schon ausgegangen? Essen, auf’s WC, noch was trinken, ach ja, einkremen könnte ich auch noch mal. Hermann: „Hmmhmm … jetzt haben wir schon wieder so lange still gestanden …!“, das soll heißen: „Gabi, jetzt mach mal weiter!!!“  Aber mir fällt noch ein, dass ich mein Garmin-Gerät wieder mal an mein USB-Kraftwerk hängen muss.

Etappe 6: Venaria Reale – Lanlesbourgh (100 km/ 2100 Hm)
War alles bis hierhin nur ein Vorgeplänkel, so wird es nun wird es so richtig ernst. Das Grüppchen mit Carla holt uns ein und wir radeln zusammen auf den ersten 50 Kilometern ins Susa-Tal hinein. Ebenso wie auf vielen Teilstücken der Rando durchläuft dieses Tal auch die antike und heutige Via Francigena. In burgartiger Bauweise thront das Kloster Sacra di San Michele hoch oben über uns auf einer Bergkuppe. Es soll Umberto Eco zu seinem Roman „Im Namen der Rose“ inspiriert haben. Ich kann die K800_20180723_193904cUmgebung garnicht so genießen, es ist nämlich brütend heiß, kein Lüftchen regt sich.
Endlich im Talgrund in Susa füllen wir unsere leeren Tanks erst mal mit Cola, Trinkyogurt, Kefir und Pfirsichen. Lecker nach fast obstlosen Tagen. Was? Schon Tage? Es kommt mir so lange vor, obwohl es doch erst der zweite ist …
Nun müssen wir hoch auf den Alpenpass Mont Cenis. In Novalesa entgeht mir die Abtei, die einst Karl den Großen beherbergt hatte. Ich bin nämlich in Gedanken schon bei den nächsten unendlich schwierigen Kilometern. Die Veranstalter haben sich hier was ganz Besonderes ausgedacht: Anstatt gemütlich auf der Hauptstraße führt der erste Teil über die alte Straße über das Dörfchen Moncenisio, zwar verkehrsarm, aber die mehreren K800_20180723_203123Passagen über 15% Steigung tun unseren müden Beinen schon sehr weh. Milder geht es dann auf der Staatsstraße weiter. Ich sehe von Weitem eine Staumauer. Ah, dann sind wir ja bald mal oben. Denkste! Bis auf den Pass schlängelt sich die Straße noch gefühlt endlos. Aber der Blick auf den Mont-Cenis-See und die umliegende Bergwelt lässt alle Mühen vergessen. Immer wieder habe ich die Ausrede für’s Fotografieren stehen zu bleiben. Hermann ist schon weiter gefahren. Ungeduldig? Bei Dämmerung erreichen wir das französische Lansleburgh. Hier hatte ich von Unterwegs für uns und Carla, Aniceto und Carmine schon ein Hotel gebucht für ein paar Stündchen ruhigen Schlaf.

TAG 3 (251 km/4750 Hm)

Etappe 7: Lanlesbourgh-La Thuile (101 km/ 2850 Hm)
Diese Strecke ist durch ihre beiden Pässe zwar äußerst anstrengend, aber traumhaft K800_20180724_050304bezüglich der Landschaft. Fast ausgeschlafen, morgens gegen vier Uhr, machten wir uns auf den Weg. Aus der Dunkelheit in die Dämmerung fahren hat einen ganz eigenen Reiz. Recht gemütlich lässt sich die Fahrt am Fluss Arc entlang an. Richtig aufgewacht bin ich, als plötzlich lautes Dauer-Hupen erklang und ein Auto mit weit über hundert km/h talauswärts raste. Vorsichtshalber fahre ich einen Meter in die Wiese. So ein Spinner! Bonneval sur Arc, ein hübsches Alpendörfchen, von hier geht es bergauf zum Col d’Iseran. Auf den ersten Metern nach oben sehe ich im Talgrund wieder das halsbrecherisch daherrasende Auto. Mike wird mir später erzählen, dass er sich nur durch einen Sprung in den Straßengraben in der letzten Sekunde aus der Schusslinie begeben hat… 15 Kehren mit spektakulärem Ausblick und der Sonnenaufgang auf den umliegenden Bergen lassen die K800_20180724_074822bstrapaziösen Steigungen auf den Pass fast vergessen. Bei der Abfahrt nach Val d’Isère bin ich froh um meine leichte Daunenjacke und die Windstopper-Handschuhe. Von Val d’Isère folgt nun eine Abfahrt durch viele dunkle Gallerien und Tunnel. Sehr schlechter Bodenbelag, sprich tiefe Löcher, zieren kilometerweit die Straße. mehrere Autos hinter mir zwingen mich möglichst weit rechts zu fahren. Ich verlangsame. Plötzlich sehe ich im Schein meiner Lampe einen Sandhaufen. Ich bremse ab, mein Vorderrad bohrt sich hinein und ich verliere die Kontrolle über mein Rad. In Sekundenschnelle muss die Entscheidung fallen: Entweder nach Links umfallen und unter einem Auto enden oder nach Rechts. Ich entscheide mich dafür und knalle gegen die Tunnelwand. Zum Glück kam ich mit nur einer zerschrammte Hand und einem riesen Schreck davon – und zitternden Knien. Hermann wartet weiter unten schon mit tadelndem Blick – wo ich denn bliebe? Weiter. Als Hermann losfährt rufe ich ihm noch hinterher, dass von seinem Beutel was runter hängt. Er hört nichts. Etwas weiter talauswärts sehe ich was Schwarzes auf der Straße. Was ist denn das? Ich bremse, steige ab und wandere zurück, zum Glück kommt kein Auto. Es ist das Stirnband meines Mannes. Beim nächsten tadelnden Blick kann ich triumphierend das Band in die Höhe halten. Die Horrorfahrt durch das Val d’Isère ist irgendwann vorbei, vorbei fahre ich auch an der Abzweigung und muss einen halben Kilometer bergauf zurück. Man gönnt sich ja sonst nichts. Schon sind wir in der K800_20180724_103015anächsten Steigung, nämlich auf den Kleinen Sankt Bernhard-Pass. Die anfänglichen steileren Passagen vertreibe ich mir mit einem Hörbuch. Hermann habe ich hinten gelassen, damit er nicht wieder nörgeln muss. Etwas stört mich schon, dass mich viele Radfahrer und nicht nur E-Biker überholen. Die haben aber alle keine Startnummer und kein Gepäck und somit wahrscheinlich frische Beine. Dann: Was ist denn das? Ein kleines weißes Kirchlein mit großen rosa Punkten? Witzig. Etwas weiter oben hat die Straße etwa 100 Meter rosaroten Belag. Drauf geschrieben: La Rosière. AhK800_20180724_104317a! Vor Kurzem kam hier die Tour de France vorbei. Ich mache eine kleine Kaffeepause. Hermann zieht vorbei, ihm ist nicht nach Kaffee und Cola. Noch ein paar Kilometer angenehme Steigung und ich bin oben auf dem Kleinen Bernhard. Hermann wartet schon, diesmal nicht mit tadelndem Blick. Die Abfahrt nach La Thuile auf wunderbar neuem Straßenbelag ist eine Freude. Immer wieder erhasche ich einen Blick auf das Mont Blanc Massiv. Erinnerungen werde wach an den UTMB, dem Ultra Trail Montblanc. Das waren nochK800_20180724_120159 Zeiten, ganz ohne „Rollstuhl“.

Etappe 8: La Thuile-Biella (150 km/1900 Hm)
La Thuile liegt in einem Seitental des Aostatales, so sind die ersten Kilometer rasante Abfahrt. Dann wird es trotz leichtem Gefälle etwas mühsam, da zu der Hitze auch noch ein recht heftiger Gegenwind kommt. Die Strecke folgt der ciclabile Francigena bis zum Castello Bard am Talschluss. Einmal weiche ich von der Strecke ab, da ich eine Bar entdeckt habe, Hermann bekommt das nicht mit und fährt weiter. Das erste Mal verloren … Ich esse schnell ein Eis und quatsche etwas mit Radfahrerkollegen, dann folge ich meinem Mann, wie es sich für eine brave Gattin gehört. Bald habe ich ihn wieder im Blick, überhole und hätte gerne, dass er in meinem Windschatten bleibt. Aber immer wieder fällt er zurück. Die tadelnden Blicke nun meinerseits. Bald kehren wir in einem Conad ein: Eis, Cola, Kefir, Trinkjogurt und zwei Pfirsiche. Ich leide unter Obstentzug. Geizig stecke ich die beiden Pfirsiche zu der halben Banane aus der Kontrollstelle in die Papiertüte auf der Packtasche. Hermann lästert, was ich wieder mal mit mir rumschleppe… Kurz vor Biella nun wieder eine Überraschung: Anstatt auf schnellstem Weg zur Kontrollstelle geht es steil hinauf. Ich lasse Hermann ziehen undK800_20180724_214032 halte bei einem Brunnen. Trinkflaschen füllen und vor allem mich von unten bis oben nassspritzen, nur so ist die Hitze erträglich. Dann fällt mir noch ein, die Dame des B&B Toscana in Biella anzurufen. Ein Zimmer ist noch frei, aber ich kann nicht versprechen, dass wir vor elf Uhr in Biella sind. Tadelnde Blicke von Hermann, als ich ihn wieder erreiche, so in etwa meinend: „In deinem Tempo kommen wir nie nach Biella …“. Das lasse ich nicht auf mir sitzen. Ich mobilisiere alle Kräfte und lasse ihn stehen. Ich treffe auf Andrea F. Mit Quatschen geht die Zeit schneller um. ER möchte in Biella in einem Hotel übernachten und wird für uns eine telefonata machen, ob noch Platz ist. Leider Fehlanzeige. Alles ausgebucht. Irgendwann zweigen wir auf eine etwa drei Kilometer lange Schotterstraße ab. Mountainbiketerrain. Wir werden kräftig durchgeschüttelt auf der steinigen Passage. Ich fahre langsamer und Hermann überholt wieder. Als ich aufschließe, mache ich den Vorschlag eine kleine Pause zu machen. Ich möchte meinen Pfirisch essen und Hermann großzügig den anderen schenken. Aber wo sind meine Pfirsiche und die halbe Banane? Eingeklemmt in die Gummizüge steckt nur noch die leere Papiertüte, ein großes Loch am unteren Ende … das kommt vom Geiz …
Es dämmert langsam, wir haben die Höhe fast erreicht und noch einige Kilometer auf halber Höhe den Hang entlang zurückzulegen. Meine mehrfachen Berechnungen ergeben immer klarer, dass wir die Nacht wohl in der gefürchteten Kontrollstelle inrücker.JPG Biella verbringen müssen, denn nach Elf traue ich mich das B&B nicht mehr anzurufen. Wir erreichen den Monte Oropa, das wichtigste Marienheiligtum in den Alpen und auch Weltkulturerbe. Wir machen anscheinend eine Kultur-Radeltour. Oropa ist auch sehr bekannt als Zielort des Giro d’Italia. Also sind wir auch auf den Spuren der großen Radrennen. Von oben spreche ich noch mit der Frau vom B&B, dass wir gleich unten seien. Etwas übertrieben. In halsbrecherischer Geschwindigkeit sausen wir Richtung Biella. Zum Glück ist die Straße in recht gutem Zustand. Geschafft! Noch schnell den Wechselbeutel in der Kontrollstelle geholt. Nun werden die warmen Sachen weggepackt. Und dann gute Nacht!
Nachtrag: Das mit den Pfirsichen erzählte ich tags drauf Carla; sie lachte und sagte, die habe sie auf der Schotterstraße liegen sehen zusammen mit einer halben Banane.

Tag 4 (301 km/500 Hm)

Etappe 9: Biella-Pavia (127 km/229 Hm)
Am frühen Morgen, es ist noch dunkel, bringen wir die Wechselbeutel zurück, ich stecke mir noch ein Brötchen in die Lenkertasche und los geht raus aus Biella und rein in die Poebene, die wir den ganzen Tag nach Osten durchqueren werden. Carla und Co erreichen uns, wir fahren ein Stück zusammen. Dann fallK800_20180725_061322e ich immer wieder zurück, um zu fotografieren. Reisfeld an Reisfeld. Nahe Vercelli wartet Hermann, Kaffeepäuschen. Ich möchte auch mein Brot essen. Ist weg. Hermann erinnert sich, dass er das schon im ersten Kreisverkehr liegen sehen hat. Schinken und Käse auf dem Asphalt verteilt. Mist!
Weiter durch die Felder. Dann auf einem Radweg den Ticino entlang. Den Fluss überqueren wir in Pavia auf dem antiken ponte coperto, der überdachten Brücke mit zwei Portalen und einer Kappelle in der Mitte. In der Kontrollstelle siK800_20180725_062500nd sie leicht überfordert. Es gibt kaum mehr was. Waffeln und Schokolade. Ach doch irgendwann ein paar Nudeln. Wir sind schon wieder viel zu lange ohne Bewegung.

Etappe 10: Pavia-Piadena (111 km/ 216 Hm)
Immer wieder sehe ich Schilder, die auf die Via Francigena hinweisen. Dieser antike Weg verband Nordeuropa mit Rom. Diese Strecke möchte ich aber am liebsten schnell wieder vergessen. Abgesehen von der Hitze, zum Glück gibt es eine klitzekleine Kühlfunktion des leichten Gegenwindes, habe ich im Nachhinein das Gefühl unzählige Male der Gefahr entgangen zu sein von einem Lastwagen oder Sattelschlepper überrollt zu werden. Der Verkehr rund um Cremona schrecklich. Der Hitze zu entgehen flüchten wir uns in einen Supermarkt. Eiskalte Klimaluft schlägt uns entgegen. Jogurt, Kefir, das Übliche. Wir wollen uns draußen stärken. Die Tür öffnet sich und es fühlt sich so an, als ob jemand die Ofentür geöffnet hätte. Schnell wieder hinein in den Supermarkt. Die Kassierin guckt misstrauisch. Aber besser als draußen verbrennen. Nun geht es nett durch die Felder auf verkehrsberuhigten landwirtschaftlichen Sträßchen und Radelwegen am Straßenrand. Hermann fällt immer wieder aus dem Windschatten und ich blicke tadelnd zurück. Ich schließe auf Carla, Aniceto und Carmine auf. Wir wechseln uns in der Führung ab und kommen flott weiter. Hermann ist selber schuld, wenn er sich nicht dran hält. Unterweg treffen wir auf einen Fahrer mit einer riesigen K800_20180725_165000Packtasche. Es ist Paolo. Er ist erst 19 Jahre alt. Piadena ist erreicht. Nur Bruchteile später kommt auch Hermann an. Wie hat er das denn gemacht? So schnell? Und ohne die Vorzüge von Windschatten? Alle Achtung! Die Kontrollstelle ist in einem kühlen Innenhof untergebracht. Großes Hallo. Hier treffe ich auf Giovanna. Wir werden von einer sympathischen motivierten Gruppe Jugendlicher verwöhnt. Bald ist wieder Zeit aufzubrechen, damit wir noch vor Einbruch der Dunkelheit nach Pieve di Coriano kommen. Die Unterkünfte dort alle ausgebucht. Wird das die erste Nacht im dormitorio?

Etappe 11: Piadena-Pieve di Coriano (80 km/ 133 Hm)K800_20180725_180645
Die Etappe ist sehr schön. Zunächst fahren wir am Ufer des Flusses Oglio entlang. Wir überqueren den Oglio kurz vor seiner Mündung in den Po auf einem ponte delle barche, auf einer Brücke, die auf Booten aufliegt, von denen es nur noch sehr wenige gibt. Nun geht es auf dem Po-Radweg weiter. Als wir am Ort San Benedetto Po vorbeikommen, entdecke ich ein Hinweisschild auf ein B&B. Wir fahren in den Ort und fragen uns durch. Eine wunderschöne Villa beherbergt die Frühstückspension „A casa dell‘ antiquario“. K800_20180725_195246_001eInzwischen ist es jedoch schon dunkel, ob wir da noch jemanden erreichen? Ein Telefonat und die Besitzer sind so nett uns doch noch Quartier zu geben. Die Villa ist stilvoll eingerichtet, sind doch die Chefleute gleichzeitig Galeriebesitzer und sie hat einen wunderschönen Innenhof zum Relaxen. Wir fühlen uns sehr wohl. Leider müssen wir wieder früh weg, mit nur kleinem Frühstück. Die verbleibenden Kilometer sind schnell runtergespult.

TAG 5 (270 km/ 2600 Hm)

Etappe 12: Pieve di Coriano-Monte Borghetto (86 km/ 330 Hm)
Am Po und Mincio entlang radeln wir sehr schön nach Mantua. Vorbei an K800_20180726_105227aden Seen und auf den Mincioradweg durch den Mincionaturpark. Ab hier kenne ich eigentlich fast jede Kurve, so oft bin ich die Strecke schon gefahren. Ist natürlich ein wenig übertrieben. Man müsste hier mehr Zeit haben die schönen mittelalterlichen Dörfer Valeggio und Borghetto sul Mincio und Sehenswürdigkeiten wie den Ponte Visconteo zu besuchen. Den Die Kontrollstelle bei Valeggio sul Mincio ist wunderbar.

Etappe 13: Valeggio sul Mincio- Tremosine (86 km/1300 Hm)
Von hier geht es nicht entlang des Mincio-Radweges sondern übers Land nach Desenzano. Die Strecke nach Salò ist anfangs ziemlich verkehrsreich. Wie wird es dann wohl auf der Gardesana bei den Tunneln werden. Ich habe schon ziemlichK800_20180726_110847b Bammel. Dann umfährt man aber die Halbinsel vor Saló und hier ist es ruhiger. Ab Saló hat man traumhafte Panoramen auf den See und auch die Städchen an der Strecke mit ihren schönen Villen lenken von der Müdigkeit und der Hitze etwas ab. Eisstopp in Toscolano-Maderno: Sagenhaftes Eis in der Gelateria Azzurra in Richtung Fährhafen. Und kurz darauf noch mal eine Supermarkt-Pause, man gönnt sich ja sonst nichts: Yogurt, Kefir und … zwei Pfirsiche. Geiz wieder vorprogrammiert: Die beiden wurden besser gesichert als ihre Brüder und reisten … über das Stilfser Joch zum Frühstück nach Bormio (hahaaaaaaha). Dann kommen die gefürchteten Tunnels. Dort werden die Autos an Ampeln eine Zeitlang zurückgehalten und ich kann nahezu angstfrei fahren. Zudem ist es angenehm kühl. Dafür schlägt die Hitze bei der Abzweigung hinauf nach Tremosine voll zu. Und das Verkehrschaos ist ideal für uns Radfahrer: Autos aus beiden Richtungen verkeilen sich nahezu auf der engen Straße beim Versuch aneinander vorbei zu kommen. Bis sich das Kuddelmuddel auflöst sind wir schon weit oben. Atemberaubende Blicke und dann tauchen wir ab in die Kühle der tief eingeschnittenen Schlucht des torrente Brasa. In Pieve ist ein Pflichtstop um auf der terrazza del „brivido“  eine K800_20180726_151420Unterschrift auf der Tafel „we where here …“ zu machen. Brivido bedeutet Gänsehaut. Mehrere Hundert Meter senkrecht unter der Terrasse ist der See. Wirklich Gänsehautfeeling. Noch ein paar Kilometer wenig ernsthafte Steigung bis nach Vesio, das hatte ich mir viel anstrengender erwartet, hoffentlich verschätzte ich mich auch bezüglich Stilfser Joch …, denn das liegt immer noch drohend vor uns. Naja, wir werden es so in etwa um diese Zeit am nächsten Tag wissen.

Etappe 14: Vesio-Spormaggiore (81 km/ 2032 Hm)
Ich bin heilfroh, dass ich die Abfahrt nach Limone nicht im Aufstieg machen muss. Die Gefälle scheinen mir mehr als 15%-ig zu sein. Nach LiK800_20180727_060102amone dürfen wir auf dem kürzlich neu eröffneten Radweg fahren, der an die Felswände geklebt scheint. Spektakuläre Konstruktion. Der Radweg nach Sarche beschert uns wieder was zu Lachen. Allerdings erst im Nachhinein. Hermann und ich sind dafür bekannt, dass wir uns immer wieder verlieren beim Radeln, manchmal sogar schon wenige Meter ab der Haustüre. In Arco bleibe ich wieder mal hinten, um in meinen Taschen zu kramen. Hermann beschließt weiterzufahren. Der Radweg führt leicht ansteigend dem Fluss Sarca  entlang bis Sarche. Kein Problem. Ich werde ihm schon nachkommen. Unterwegs lockt noch ein Brunnen. Am Ende des Radweges kein Hermann in sicht. Ich bin schon etwas „angefressen“, er hätte hier doch wohl warten können. So radle ich die Straße hinauf, um schnell auf den Sarca-Schlucht-Radweg zu kommen. Ich treffe hier zwar Radfahrer, aber nicht Hermann. Nun kommt mir das wohl etwas komisch vor. Handy herausgezogen. Aha, eine WhatsApp-Meldung: „Bin auf dem Radweg, hat keinen Sinn wieder zurück zu fahren, ich radle weiter“. Nanu? Ich bin auch auf dem Radweg. Ein Telefonat bringt die Lösung: Hermann ist noch auf dem Talradweg. Das hätte ich mir nicht im TrauK800_20180726_170839(0)m ausdenken können. Er hat irgendwo ganze 40 Minuten auf mich gewartet und ich war schon vorbei an ihm. Das kann auch nur uns passieren. Ich warte also auf ihn. Meine Zwangspause hat aber auch was Gutes: Inzwischen suche ich eine Unterkunft, denn es ist schon halb acht. Bis neun sollten wir spätestens in San Lorenzo kurz vor dem Molvenosee sein. Stress pur. Ob wir die paar Aufstiegskilometer wohl in der kurzen Zeit schaffen? Auch Jürgen schließt sich uns an. Er will seinem kaputten Ar… eine kleine Auszeit gönnen. Alle Kräfte mobilisiert und wir schaffen es. Die Chefleute des Hotel San Lorenzo sind sehr nett und zuvorkommend, dass sie uns zu so später Stunde sogar noch das Abendessen servieren und nach einem Limoncello sinken wir selig ins Bett für eine kurze Nachtruhe. Nach einem kleinen Frühstück sitzen wir gegen halb fünf Uhr wieder im Sattel. Sehr schön bei Dämmerung um den Molvenosee zu fahren und Spormaggiore ist bald erreicht.

TAG 6 – letzter Tag? (170 km/ 3980 Hm)

Etappe 15: Spormaggiore-Fischteich SchlanderK800_20180727_050534s
Zunächst folgt eine Abfahrt ins Nonstal. Was dann folgt, gefällt mir weniger. Verkehrsreich geht es aufwärts bis Fondo. Ab hier kenne ich nun wirklich jeden Stein bis zum Ziel. Unterwegs treffe ich auf einige Radfahrer, die es sich am Straßenrand für ein Schläfchen bequem gemacht haben. Ein Kollege war nicht so umsichtig: Er gurkt vor uns in Schlangenlinien dahin, fährt plötzlich nach recK800_20180727_074900hts in den Schotter am Straßenrand, kippt auf die Straße, rappelt sich auf und weiter. Dem täte wohl ein wenig Schlaf gut. Der Gampen-Pass ist auch schnell erreicht, dann kann man sich auf der Abfahrt Richtung Meran gut erholen. Nach dem kurzen Aufstieg von Algund  in der pralle Vormittagssonne sind die Kilometer bis zum Fischteich unerwartet leicht: Wir haben Rückenwind. Ich quatsche unterwegs mit Werner, was die Zeit nochmal gefühlt verkürzt. K800_20180727_140155Bei Theresia am Fischteich „Brugg“ werden wir wie gewohnt herzlich empfangen, obwohl es Theresia nicht so richtig zum Lachen ist: Sie hat glaube ich in den letzten beiden Nächten noch weniger geschlafen wie wir … Die Nudeln sind wie üblich sagenhaft. Die besten auf der gesamten Strecke!!

Etappe 16: Schlanders-Stilfser Joch-Bormio (58 km/ 1975 Hm)
Prad ist ruckzuck da und nun wird es bitterernst. Kurz nach Prad habe ich noch eine lustige Begegnung: Ein Garten voll mit bemalten Steinen und allerhand sonstigem „Geraffl“ lockt meinen Fotografiertrieb. Ich bremse, zücke mein Handy. Da baut sich auf der anderen Zaunseite eine Gestalt mit Schürze und Filzhut auf und hält mir die Hand vor die Linse. Nein, Fotografieren verboten! Außer ich lasse einen Euro springen. Er, der Künstler, habe 40 Jahre an dem ganzen gebastelt. Ich fahre wortlos weiter. Unterwegs nach oben passiere ich einige „Radler-Leichen“. Wäre zwar nicht übel sich da jetzt auch dazu zu legen und ein Nickerchen zu machen, aber dann wäre ich ja noch länger unterwegs und später oben. Und an die kalte Abfahrt möchte ich noch gar nicht denken, denn ich hatte meine warmen Sachen ja im Wechselbeutel zurück gelassen. Ich zücke meine Geheimwaffe. Sie schiebt mich zumindest bis zur Franzenshöhe hinauf: Mein Hörbuch. Wirkt phänomenal! Alle paar Kehren, es sind insgesamt 48, erlaube ich mir ein kurzes Absteigen. Um mal zu fotografieren, etwas zu trinken, in meiner Tasche zu kramen, … oder irgendwas fällt mir immer ein. Auch Mike K800_20180727_175247und Jürgen leiden nach oben. Sind also alle nicht mehr so ganz fit. „Normale“ Radfahrer überholen, ich habe aber keine Lust zu beschleunigen. Sergey überholt mich wieder mal. Er kann aber auch garnicht anders: Er fährt ein Fixie!!! Ich komme wieder aus dem Staunen nicht heraus. Keine Gänge. Wie schafft man da nur das Stilfser Joch oder so Steigungen wie den Mont Cenis? Unglaublich. Ein Wahnsinns-Typ, denn er hat vor zwei Tage später beim TCRN06 zu starten, dem Bike Race durch ganz Europa. Ich genieße Hörbuch und Aussicht. Der Ortler droht unheimlich zu mir herüber. Das ist ein Berg, der trotz Faszination mir irgeK800_20180727_201059bndwie Angst macht, warum auch immer. Ein Donnergrollen. Ich beschleunige ein paar km/h. Über mir haben sich dunklen Wolken zusammen gezogen. Nur das nicht! Nichts fürchte ich so sehr wie ein Gewitter in den Bergen. Hermann, der vorausgefahren ist, ohne tadelnden Blick diesmal, wartet auf der Franzenshöhe auf mich. Gemeinsam trödeln wir weiter. Nur noch 20 Kehren, fast schon ein Count Down. Die Wolken haben sich zum Glück aufgelockert. Noch ein paar Fotos und dann sind wir da! Carla begrüßt uns. Die Narrische ist schon über eine Stunde da. Wahnsinn. Ein paar Fotos geschossen und Erfahrungen ausgetauscht mit anderen Randonneuren unK800_20180727_201059dd ich vergesse fast den letzten Stempel. Dann noch die Abfahrt nach Bormio. Ich ziehe alle Kleidungsstücke, die ich in meinem Beutel finde übereinander: ein zusätzliches Unterziehhemd, ein zweites Radshirt, dünne Windjacke, Regenjacke und zittere hinter Hermann her. Zwei Fotopausen bescheren mir wieder den tadelnden Blick „Wo bleibst du denn schon wieder?“ – alles beim Alten …
Ich bin einfach nur glücklich, aber mit einem ganz klitzekleinen Bedauern: nun ist Schluss mit der Alpi4000, mit den umwerfend schönen Landschaften, mit dem gemeinsamen Erleben mit dem eingenen Ehemann, mit den Radkollegen, mit alten Kollegen und mit neuen, mit den Erwartungen, Ungewissheiten, mit dem Unerwarteten. So vielfältig sind die Empfindungen. Ich möchte das immer wieder erleben.
Fazit: Alpi4000 N01 ist nun Geschichte.
Das Brevet ist zwar äußerst hart, aber durch die regelmäßigen bequemen Schlafpausen stieg ich jeden Morgen relativ ausgeruht wieder auf das Rad und pedalierte mit Freude in den Sonnenaufgang. Nicht weiter denken als bis zum kommenden Abend. pedaliert sich meiner Meinung nach sicherer. Übermüdung hat vermutlich zu nicht wenigen Unfällen geführt. Ziemlich einige Teilnehmer sind auch schon nach dem ersten Viertel ausgestiegen. Haben sie sich übernommen? Die Anforderungen sind schon sehr hoch, aber machbar, wenn man mit seinen Kräften haushält. Und kein Hahn kräht danach, ob man 10 Stunden weniger gebraucht hat. Wichtig ist ankommen und das im Wohlfühlmodus. Die Streckenwahl ist traumhaft schön, am Weg liegen unzählige Natur- und Kulturschönheiten, allerdings könnte ich auf einige verkehrsreiche Passagen verzichten und würde liebend gerne einen Umweg in Kauf nehmen, als das Leben zu riskieren. Denn Sattelschlepper und übermüdete Radfahrer, die unberechnenbar durch die Gegend gurken, sind nicht vereinbar. Einen herzlichen Dank an alle Freiwilligen an den Kontrollstellen uns zu unterstützen. Manche blieben mir im Gedächtnis durch die motivierten sehr netten Mitarbeiter und das sehr gute Essen. Man muss allerdings auch berücksichtigen, dass nicht nur wir Radfahrer übermüdet sind, sondern auch die vielen freiwilligen Helfer, die tagelang ohne zu schlafen für uns da waren. Tausend Dank, dass ich das erleben durfte!
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Schöner Bericht von J, alias Francis Bacon.: hier

Bericht von Bernd Rücker

Free Sola … mit dem Rennrad von Südtirol nach Wien

Strava       italiano
Vorausgeschickt: Die Strecke kann kann fast durchgehend auf gut markierten Radwegen bewältigt werden. Es sind knapp 600 Kilometer und etwa 5000 Höhenmeter. Auf drei Tage verteilt machbar, aber man muss schon eher flott unterwegs sein, um die Unterkünfte noch bei Tag zu erreichen. Viele Pausen sind nicht drin … Drei längere Steigungen sind zu bewältigen: Pustertal (merkt man kaum), den Katschberg und Semmering. Sollten rund 3000 Höhenmeter ausmachen insgesamt. Aber das ständige kurze Auf und Ab lässt noch einiges dazu kommen. So reisen ist allerdings angenehmer, als 600 eintönige flache Kilometer, denn wo es hoch geht, geht es auch wieder runter …

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Tag 1:
Pustertaler Radweg (Pusterbike): Nach dem Frühstück geht es für mich als Bikepackerin los. K800_20180704_102427Der Gedanke alleine unterwegs zu sein ist am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig. Das Gepäck ist überschaubar, aber ich habe alles dabei vom Werkzeug für den Fall einer Panne, Wechselkleidung, da das Wetter wechselhaft zu sein verspricht, Zahnbürste, Marschverpflegung für mich und Powernahrung für meine Garmin 1030 und mein Handy in Form einer Powerbank. Bis Toblach radle ich in bekannten Gefielden entlang der Rienz.

Drauradweg (R1): Ab Toblach wird es quirlig. Gefühlt Tausende von Radlern sind hierK800_20180704_122224 abwärts bis Lienz unterwegs. Der Großteil mit Leihrädern mit Babyanhänger … und komplett überfordert mit Radfahrer-Verkehrsregeln. Jeder Einzelne glaubt wohl alleine unterwegs zu sein … zum Glück habe ich meine Klingel.
Ab Lienz wird es einsam. Ab hier werde ich höchstens zwei Handvoll Radfahrer trefffen – bis Wien.
Ich bin froh um meine Tubeless Reifen, denn immer in Draunähe führt der Track auf Schotterwegen. Klammer auf: Ich bin schon eine Nummer … da ich kurzfristig keine Reifen bekam in der gewünschten Breite, bin ich wieder Mal mit zwei defekten Mänteln gestartet, das heißt beide haben einen kleinen Schnitt und in unregelmäßigen Abständen pfeift mir ein Luft-Dichtmilchgemisch auf die nackten Waden. Das wird hoffentlich kein Dauerzustand werden … muss mal bei Schwalbe einen Nutzerwunsch nach pannensicheren Reifen anmelden. Hunger … Ich merke, dass ich meine Brote verloren habe. Ich hatte sie wohl zu schlampig auf meine Satteltasche geklemmt.
Zunächst eben verläuft der Weg ab etwa Oberdrauburg bis Spittal etwas kupiert, es geht in Auf und Ab wunderschön durch Dörfchen und immer wieder entlang des Flusses. Das Wetter passt auch, ich hatte mich schon auf Regen am Nachmittag eingestellt.

Bei Spittal muss ich den Drauradweg leider verlassen, der über Maribor weiter durch Pannonien bis nach Varaždin führt. Zu meiner ersten Unterkunft, der Pension Dullnig in Gmünd muss ich in der Nachmittagshitze noch ein paar wenige Höhenmeter überwinden und schaffe es vor dem Gewitter anzukommen und werde von Frau Egger sehr herzlich empfangen.

Tag 2:
Nach einem liebevoll angerichteten gemütlichen Frühstück im Garten der Pension Dullnig steht der zweite „Berg“ an. Ich lasse mich zu einer Streckenänderung überreden: Den Katschberg mit fast unmenschlichen Steigungen tausche ich gegen eine etwas gleich langen „Umweg“ über Innerkrems und Schönfeld. Das war eine sehr gute Idee, denn auf der Rückfahrt mit dem Auto über den Katschberg staune ich über Steigungen und Gefälle in beiden Richtungen. Über 5 km eine durchschnittliche Steigung von 12,3%, und einige Rampen mit 18%. Nach Innerkrems geht es in angenehmer Steigung durch ein schönes Tal, erst nach Innerkrems eine größere Steigung, bis es über Schönfeld in langer Abfahrt Richtung Tamsweg geht. Im Talgrund treffe ich wieder auf einen Radweg.

Mur-Radweg:  (R2 – gut beschildert und auf der Straße mit weißem Schriftzug markiert). K800_20180705_114744Sehr schöne Streckenführung immer wieder rauf und runter bis nach Judenburg. Dort wird das Tal breiter. Ein Blick nach Oben lässt mich einen Zahn zulegen. Dunkle Gewitterwolken türmen sich. Ein strammer Rückenwind treibt mich vor sich her. Vielleicht schaffe ich es, dem Gewitter davonzufahren … Irgendwann kurz nach Knittelfeld merke ich, dass mein Hinterrad luftmäßig etwas schwächelt. Pumpe raus und da prasselt es schon wie verrückt auf meinen Rücken, Blitze,K800_20180705_121127 Donner, alles was dazugehört. So schnell wie da war ich noch nie wieder in den Pedalen. Ich strampele, was das Zeug hält. Und schaffe auch einen Vorsprung. Die Anspannung löst sich. Die dunklen Wolken lasse ich hinter mir. Kurz vor ein Blick nach Rechts in die Berge … das schaut nicht gut aus. Da werde ich wohl nicht mehr weg kommen. Und schon fängt es an zu schütten. Gefälle … Ein Auto schneidet die Kurve. Ich muss stärker einschlagen und schon ist es passiert. Auaaaaah, mein Knie und Oberschenkel … Ich krieche unter meinem Rad hervor, rappele mich auf und versichere dem Autofahrer, dass mir nichts passiert ist. Meinem Rad auch nicht. Unter der nächsten Brücke Zwangspause, bis das Schlimmste vorbei ist, sei das Gewitter als auch die Schmerzen. In den nächsten Tagen wird sich ein kindskopfgroßes Hämatom auf meinem rechten Oberschenkel ausbreiten. Ein paar Kilometer weiter stehe ich schon wieder unter, ein Hausvordach. Mit einem PKW kommt der Hausbesitzer und berichtet, dass es stark gehagelt hatte, genau dort muss ich hin … Hmmmhm. Die dicksten Wolken verziehen sich. Ich kann weiter. In Bruck an der Mur biege ich auf den Mürztalradweg (R5). Nun starker Gegenwind und eine rabenschwarze Wolkenfront vor mir. Hätte ich die Unterkunft wohl schon hier gebucht … Aber ich muss noch 30 Kilometer weiter, mitten hinein in die Unwetterfront. Blitze und Donner. Mir wird ganz anders. Ich taste mich von Dorf zu Dorf, von Unterstand zu Unterstand. Irgendwann ist es geschafft. Mitterdorf bei Kindberg. Die heiße Dusche tut gut.

Tag 3:
Nur eine Steigung, dann geht es den ganzen Tag platteben …

Semmering-Radweg: Kaum verlasse ich die Pension, fänK800_20180706_082843gt es auch schon an zu regnen. Macht auch nichts, es ist nicht kalt. Nach Mürzzuschlag beginnt die Steigung auf den Semmering. Ich hatte mir von der Streckenführung mehr erwartet. Gefällt mir nicht so gut. Irgendwann muss ich 13% Steigung überwinden. Ich kontaktiere mal Google, wie weit es noch hoch ist. 20 Höhenmeter. Das heißt ich bin ja schon da. Auf der Abfahrt beginnt es stärker zu regnen. Gpsies hat mir bei der Streckenplanung ein Ei gelK800_20180706_122703egt … Ich wollte die kurvenreiche Hauptstraße vermeiden und landete auf einem steilen Wanderweg. Mein MTB hätte Freude daran gehabt. Ich schiebe kurz steil hinunter, dann bin ich wiederer auf dem Radweg.

Weltkulturerbe-Radweg: Bis Gloggnitz geht es leicht abwärts.

Schwarzatalradweg: Nun bis Lanzenkirchen sehr schön der Schwarza entlang.K800_20180706_131517

Thermenradweg: Jetzt vorbei an Wiener Neustadt und entlang dem Wiener Neustädter Kanal. Es hat aufgehört zu regnen und ich rolle platteben ohne jede Steigung Richtung Wien. Zum Glück habe ich teilweise Rückenwind.

Triestingau-Radweg:
Bei Kilometer 540 wechsle ich vom Thermenradweg auf den Triestingau-Radweg, der ein Geheimtipp für Radfahrer sein soll. Bis Schwechat geht es entlang des Flüsschens Triesting und durch unzählige Gemüse- und SonnenK800_20180706_170526blumenfelder, immer wieder durch Dörfchen und Städtchen wie Himberg. Ab und zu wieder mal Schotterwege. Mein Rad sieht verboten aus. Irgendwie knirschen auch meine Bremsbacken. Ich frage bei einem Garten am Wegesrand, ob ich mit dem Schlauch mein Rad abspritzen darf. Darf ich.

EuroVelo über die Donauinsel:
Ab Schwechat folgt die Strecke einem Teil des Radfernwege-Netz EuroVelo. Ich fahre vom Südende der Donauinsel (insgesamt etwa 24km lang)  bis auf die Höhe der Alten Donau, Kaisermühlen. Ich bin „zuhause“ bei meiner Katrin und Lukas.

Und nun Schichtwechsel: Hermann kommt mit dem Auto nach Wien und steigt am nächsten Tag auf sein Rad um. Ich darf gemütlich heim fahren – im Auto …

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Nachwort:
Das hatte ich mir nicht gedacht: Von Brixen nach Wien fast nur über Radwege. So soll Radfahren sein. Kein Stress durch verständnislose oder gedankenlose Autofahrer. Die Strecke kann ich jedem empfehlen. Wenn man Wert auf gemütliche Mittagseinkehr legt oder auf mehr Pausen, sollte man eventuell einen Tag länger einplanen.

K800_20180704_102427Bei Toblach

K800_20180704_111323           K800_20180704_122224K800_20180704_130330Die Lienzer Dolomiten

K800_20180704_133411      K800_20180704_141449K800_20180704_152752
K800_20180704_164258 K800_20180704_172818 GmündK800_20180705_082856K800_20180705_083222K800_20180705_110446
Mur-Radweg durch die Steiermark
K800_20180705_112117 K800_20180705_113903K800_20180705_114744K800_20180705_121127 MurauK800_20180705_211409
Den „Mohr im Hemd“ habe ich mir heute wirklich verdient.K800_20180706_082843 Regen, Regen, Regen …K800_20180706_083038        K800_20180706_091831K800_20180706_094946     K800_20180706_102819K800_20180706_122703K800_20180706_125545 ThermenradwegK800_20180706_131128K800_20180706_131517K800_20180706_141819 K800_20180706_142248K800_20180706_143802
Großfamilie: Mutter, Vater und 7 KidsK800_20180706_152624K800_20180706_160244K800_20180706_161324K800_20180706_170526 Fast „zuhause“ …K800_20180706_172435 Vienna International CenterK800_20180706_173657 Millennium TowerK800_20180706_174421

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Rund um den Ortler: 4 Pässe-nonstop

logoTour d’Ortles – Brevet mit 250km/ 5450 Hm

italiano     strava    GPX download

Letzter Juni-Tag: Ich und gefühlte hunderttausend Radfahrer und mindestens eine Million Motorräder sind in beiden Richtungen auf den Pässen rund um das Ortler-Massiv unterwegs. Chaos pur und nicht selten kritische Situationen …

Start in dunkler Nacht, 4 Uhr, in Meran, nachdem es eine Stunde vorher noch ein Erlebnis beim Aufpumpen des Hinterreifens meines Rades gibt: Nach einigen Minuten machte es pfffffffffpfffft, eine Pulverfontäne und Luft schoss aus einem Löchlein im Reifen.  Zur Erklärung: ich fahre tubeless Reifen und hatte in den letzten Monaten einen Wahnsinns-Verschleiß an Reifen. Auch der Vorderreifen ging, obwohl neu, nicht unversehrt an diesen Start (siehe V.R.V.). Also sollte der heutige Tag auch in dieser Hinsicht spannend werden. Es stellte sich sowieso schon die Frage, ob ich die Runde schaffen würde. Recht fit fühle ich mich eigentlich nicht. Aber ich wollte vor der Alpi4000 nochmal sehen, wie der letzte Pass dieser 1400km langen Tourtur sein würde: das Stilfser Joch … Angemeldet war ich heute alleine und so sollte es auch den restlichen Tag bleiben – so konnte ich alleine vor mich hinleiden …

Los und ich an der Spitze führte die Gruppe aus Meran heraus. Sofort nachdem wir in den Radweg einfädeln ist die Gruppe weg. War auch nicht anders zu erwarten, denn bei diesem ersten Anstieg auf die Töll habe ich keine Lust meine gefühlt spärlichen Kräfte schon zu verpulvern. A propos „verpulvern“: Ich hatte den defekten Reifen kurz vor Abfahrt nochmal aufgepumpt und wie verrückt gedreht. Ein wenig Hoffnung war vielleicht auch dabei, dass irgendwann der Reifen, als der vernünftigere, mich an der Weiterfahrt hindern würde: Der erste Aufstieg auf das Stilfserjoch sind sage und schreibe 2400 Höhenmeter, auf den Gavia rauf nochmal 1200, Tonale nur knapp 700 und Richtung Gampen sollten nochmal über 1000 Höhenmeter zu Buche schlagen. Eigentlich keine Tour, sondern eher eine Tortour… (der kleine Bruder zur Alpo4000??? – das ganze müsste in drei Wochen etwa 5-mal aneinandergereiht werden).

K800_20180630_044255Einsam auf dem Vinschgau-Radweg in die Morgendämmerung hineinkurbeln… traumhaft. Wenn nicht nur das gesamte Vinschgau zu dieser Zeit seine Obstwiesen-Bewässerungsanlagen eingeschaltet hätte. Immer wieder werde ich unfreiwillig geduscht. Schotter und Wasser und das Rad ist in kürzester Zeit verdreckt – und das an einem wolkenlosen Tag. Zwischenstop am Brunnen in Prad. Ich versuche mein Bike etwas sauber zu bekommen. Ein Radler fährt vorbei: „Donne …!“

K800_20180630_075555Die an die 50 Kehren hinauf zum Stilfser Joch erlebte ich mit gemischten Gefühlen. In drei Wochen werde ich die steileren Passagen wohl zu Fuß zurücklegen …  Heute habe ich hatte eine Geheimwaffe: HÖRBUCH. Die Zeit verfliegt mit der spannenden Geschichte und im Kopf kreisen nicht unablässig Hochrechnungen: Wie viele Kehren sind es noch? Wie viele Kilometer und Höhenmeter? Zwischendurch auch mal ein Schwätzchen. Ich treffe Stefano und ein paar andere ciclisti. Peinlich nur, dass ich die Namen immer wieder vergesse. Es ist aber auch K800_20180630_082004zu ungerecht – Die Männer haben nicht so viele Frauennamen  zu merken. Heute etwa ist das Mischungsverhältnis ähnlich wie immer: Wir sind mit einem Zehntel weit in der Minderheit.

Wider Erwarten bin ich schneller auf dem ersten Pass als bei der letzten Tour d’Ortles (ist schon drei Jahre her – die Leiden waren anscheinend schnell vergessen …). Schon spektakulär, wie sich die Straße in unzähligen Kehren nach oben windet. Recht frisch ist es hier oben. Nicht viel anzuziehen habe ich, also „schlotterte“ ich nach dem Stop bei der Kontrollstelle langsam talwärts nach Bormio, überholt von unzähligen Radfahrern . Irsinnig viele Motorräder und Autos von hinten und von vorne und jede Menge Radler, die auf der Gegenseite nach oben schinden. Nicht wenige kritische Situationen konnte ich vor mir beobachten. Lieber auf Nummer sicher und laaangsam.

In Bormio staut sich schon die Hitze. Den Kreisverkehr umrunde ich zweimal. Ich muss was aufheben. Auf der Straße liegt nämlich ein Paar Handschuhe. Ich brauche eine Weile, bis ich einen Stauraum dafür finde. Wer vermisst schwarze MTB-Handschuhe? Drauf gedruckt steht „Bergamo“. Bitte melden! Selber schuld, wer den Bericht nicht ganz liest. Die Hitze bei Stillstand noch unerträglicher. Die Sonne knallt nun auf dem endlosen Anstieg nach Santa Caterina. Und dann geht die Steigung erst richtig los. Immer wieder K800_20180630_124333kurze Rampen und der Gavia-Pass will und will nicht näher kommen. Unterwegs ein Bänkchen im Schatten. Ein Motorrad-Pärchen ist beeindruckt: So viele Kilometer und Höhenmeter … Das machen die nicht mal auf dem Motorrad.

Auf der Passhöhe treffe ich Andy. Bei der Abfahrt keine Chance dran zu bleiben. Das schmale Sträßchen nach Ponte di Legno ziemlich kriminell bei dem Verkehr. Radfahrer und Motorräder ohne ende, dazwischen mal ein Auto und es gibt kaum ein Durchkommen.

Den Tonale-Pass hatte ich angenehm in Erinnerung. Die Steigung moderat und überschaubar lang. Aber es kommt immer anders, wie man/frau denkt: Kein Lüftchen regt sich bei Temperaturen um die 35°. Unterwegs finde ich schon wieder was: ein praktischer Inbus-Schlüssel. Kann man immer mal brauchen. Und es ist eine Ausrede wieder mal vom Rad zu steigen. Im Täschchen hat er noch gut Platz.
Oben werde ich sehr nett empfangen. Eine Dame, Loris und seine Kollegen. Auch auf Andy bin ich wieder aufgeschlossen und auf Stefano. Hier treffe ich auch einen -wie er mir später erzählt- siebzigjährigen Herrn (Franco??), der sich diese Tortour auch antut. Alle Achtung!
In Anbetracht auf die 40 km hinaus durch das Val di Sole habe ich vor mich an die kleine Gruppe anzuhängen, die gerade startet. Pffffffpfft! Die freiwillige Helferin hatte es schon K800_20180630_143321vor mir gehört: Ein Platten? Es ist mein Hinterreifen. Bei der Hitze hat der sein „Notventil“ geöffnet um Druck abzulassen. Kennen wir ja schon: System Schnellkochtopf … Schrecksekunde meinerseits und Erklärung an die Helfer, dass das wahrscheinlich nicht so schlimm ist. Ich drehe schnell den Reifen und das Loch auf die Unterseite. Ich kontrolliere mit dem Daumen. Da ist anscheinend noch genügend Druck drin. Die Gruppe ist inzwischen aber weg. Ich rolle hinterher – verhalten. Man weiß ja nie … Nicht dass der Reifen einfach mal runter springt aus seinem Felgenbett. Immer wieder schweift mein Blick misstrauisch nach unten. Am Reifen tut sich nichts. Lieber nicht stehen bleiben und schauen, ob weitere Luft entweicht. Was man nicht weiß …
Wieder gefährliche Situationen. Motorradfahrer überholen in der dritten Reihe: Auto überholt Rad und die Motorradfahrer Radfahrer und Auto. Und die in der dritten Reihe kommen mir gefährlich nahe. Dass es da auf den Passstraßen nicht öfters kracht, wundert mich sehr.
In der brütenden Hitze – eine Tafel in einem Dörfchen zeigt 39°!!! – ist niemand unterwegs. Der Gegenwind fühlt sich wie ein heißer Föhn an. Aus den Augenwinkeln sehe ich in einem Bushäuschen Franco (?) von vorher. Auf einmal Sprühregen auf meine Unterschenkel. Eigentlich angenehm, aber … Ach ja, wieder mal der Vorderreifen, der Druck ablässt. Hatten wir auch schon ein paarmal heute. Nicht weiter schlimm. Mich wundert, dass überhaupt noch Luft drin ist. Die dünne Latexschicht auf dem Reifen wird irgendwann abfallen. Vom Rahmen und Beinen kann die Milch auch abgerubbelt K800_20180630_161017werden. Weiter. Endlich die Abzweigung nach Fondo.

Nun sollten es nur noch 32km bis auf den Gampenpass sein. Nur? Nein heute scheinen mir 32 Kilometer noch sooo viel. In der Hitze zudem an die 1000 Höhenmeter. Das endlose Auf und Ab hatte ich nicht mehr in Erinnerung. Unterwegs lockt ein Brunnen. Herrliche Erfrischung. Franco schließt auf und Stefano. Die beiden sind schnell weiter. Ich bekomme irgendwie keinen Speed mehr drauf. Erst hinter Fondo, da ist mir die Strecke bekannt und ich lege einen Zahn zu.
Endlich ist der letzte Pass, der Gampen erreicht. Wieder Stefano und Andreas. Und Klaus. Mit ihnen mache ich mich auf den Abwärtsweg. Natürlich entstochwinden die drei schnell meinen Blicken. Wie gehabt. In Lana warten Andy und Klaus auf mich. Nett von ihnen. Klaus hat ein schmerzverzerrtes Gesicht. Was ist los? Der immer wieder krampfende Oberschenkelmuskel hatte ihn schon zu einigen Geh-Einlagen gezwungen. Ich habe die rettende Idee. Meine gesalzene Nussmischung ist immer noch unberührt in meinem Oberrohtäschchen. Mit viel Wasser runtergespült wirkt das anscheinend sofort Wunder. Auch die kleinen Gegenanstiege nun ohne Krämpfe. Und bald sind wir im Ziel. Hermann ist auch schon da. Er war von Brixen über den Jaufen geradelt, um mich abzuholen. Schön. Brevetkarte abgeben. Und zur Dusche. Davon hatte ich nicht wenige Male geträumt heute in der Hitze … Die leckeren Nudeln helfen die Energiereserven wieder aufzufüllen und zwei Eis … Heute habe ich die wirklich verdient.

Fazit 1: Sehr schöne Veranstaltung, aber sehr hart: 250 KilomeUnbenanntter/ 5450 Höhenmeter. Einen herzlichen Dank an die Organisatoren und die vielen freiwilligen Helfer vom Athletic Club Merano.
Fazit 2: Die Panoramen sind traumhaft. Alleine unterwegs zu sein ist nicht so schön, als wenn man diese mit jemandem teilen kann und ebenso die Leiden. Denn die sind bei so einem Event auch vorprogrammiert. Zum Glück vergisst man schnell.
Fazit 3: Der Verkehr auf den Pässen. Mitunter kriminell. Ich bin dankbar, dass ich da heil durchgekommen bin.

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